Das Motiv. Harald Mante
Erkennen und reagieren
Mit dem Erkennen einer Abbildung eines Motivs beginnt der Prozess der Wahrnehmung. Dabei gilt der Grundsatz: »Man kann nur das (einwandfrei) erkennen, was man kennt.« Die Voraussetzungen für das »Erkennen« sind also Bildung und Erfahrung. Zunächst die allgemeine Bildung in der Bandbreite von Elternhaus, Kindergarten und Schule, sodann die gezielte Bildung in Form von Lehre, Studium und Beruf und letztendlich eine spezielle Bildung durch private Hobbys und Reisen. Die Reaktion auf das erkannte, abgebildete Motiv – also auf den Inhalt einer Fotografie – kann von »das interessiert mich sehr« bis zu »es interessiert mich nicht« reichen.
Unmittelbar auf das rationale Erkennen erfolgt das emotionale Reagieren. Hervorgerufen durch Erinnerungen an eigene Erlebnisse in Bezug auf den erkannten Inhalt können emotionale Reaktionen sehr unterschiedlich sein und unsere gesamte Gefühlswelt umfassen.
Motiv und Umfeld
Eine deutliche Trennung von hellen und dunklen Motivteilen aus allen bunten und unbunten Farbbereichen erleichtert den Prozess der Wahrnehmung. Der Hell-Dunkel-Kontrast existiert im Grunde in nahezu jedem Bild, wird aber als solcher meist nur registriert, wenn er sehr ausgeprägt ist. Dabei werden durch diesen Kontrast noch weitere Kontraste betont, in erster Linie der Positiv-Negativ-Kontrast, gerne auch als Figur-Grund-Problem bezeichnet. Hier werden die Bildebenen über die Wahrnehmung in das beherrschende (positive) Objekt und in sein weniger wichtiges Umfeld (die Negativ-Form) getrennt. Es kann aber auch vorkommen, dass zwischen Positiv-Formen Negativ-Formen von so interessanter Formqualität entstehen, dass diese optisch zuerst ins Auge fallen. Außerdem kann ein Hell oder ein Dunkel das Phänomen von Farbwirklichkeit und Farbwirkung unterstützen. Jede helle Negativ-Form lässt die von ihr eingeschlossene Dunkelheit oder Farbe optisch dunkler und matter erscheinen. Dagegen erscheint jede von einer dunklen Negativ-Form eingeschlossene Helligkeit oder Farbe optisch heller, leuchtender.
Farbe laut
Bei einfarbigen, monochromen Bildern können Inhalt und Farbwirkung im Prozess der Wahrnehmung gleichrangig sein. Oft versucht man dann durch den Einbezug des Bildumfelds ein Gegengewicht zu finden. Eine Konzentration auf den konkreten Bildinhalt wird erst durch deutliche Farbkontraste erreicht. Im Kanon der »lauten Farbe« sind es die Kontraste, bei denen die Farben der ersten und der zweiten Ordnung (Blau-Gelb-Rot und Grün-Orange-Violett) zum Tragen kommen. Dies sind vor allem der Komplementärkontrast, der als Farbdreiklang am besten wirkende Farbtonkontrast und der Kalt-Warm-Kontrast. Bei einer gemeinsamen Verwendung der Farben der ersten und der zweiten Ordnung in einem Bild wird der für uns sichtbare Bereich des Lichts zitiert. Eine ungeordnete Farbigkeit entsteht, wenn zu viele Farben wahllos zusammengestellt werden.
Farbe leise
In der Hierarchie der körperhaften Farben (der Pigmente) stehen die Farben der ersten Ordnung – Blau, Gelb und Rot, mit ihrer reinen, deutlichen Strahlkraft an der Spitze. Schon die Farben der zweiten Ordnung (der jeweils paritätischen Mischung von je zwei Farben der ersten Ordnung mit dem Ergebnis von Orange, Grün und Violett) haben weniger Ausstrahlung. Im nächsten, logischen Schritt der 1-zu-1-Mischung von jeweils zwei Farben der zweiten Ordnung ergeben sich die Farben der dritten Ordnung. Erst jetzt wird mit dem Ergebnis der Farben Ocker, Englischrot (auch Rotbraun genannt) und dem Olivgrün ein starker Verlust der Leuchtkraft der Farben deutlich. Am ehesten kann sich noch das Ocker behaupten, zumal wenn es als eine größere Fläche auftritt. Im Kontrast mit einem ausgeprägten Hell-Dunkel kann den blassen Farben etwas Kraft zurückgegeben werden. Bei Dunst und Nebel können sich in der Landschaftsfotografie sehr sanfte, leise Farbklänge ergeben.
Betonung der Bildmitte
Allen voran werden Bildflächen im Verhältnis von 2:3 als harmonisch empfunden. Diese harmonische Qualität erfahren wir über die sichtbaren Seitenverhältnisse und die (meist nicht realen, sondern nur gefühlten) Diagonalen steigend von links unten nach rechts oben sowie fallend von links oben nach rechts unten.
Der Kreuzungspunkt der Diagonalen – die Bildmitte – ist eine der vielen Möglichkeiten, einen bildbeherrschenden Punkt zu platzieren. Dabei fallen vor allem die absolute Präsenz und die optische Unbeweglichkeit des Punkts ins Auge. Die optische Unbeweglichkeit entsteht durch die spannungslose Lage in der Bildmitte, mit den gleichen Distanzen zu allen vier Bildecken sowie jeweils gleicher Distanz zu den Bildkanten nach links und nach rechts und den Bildkanten nach oben und nach unten. Die Lage eines Punkts ist natürlich nicht an die Bildmitte gebunden. Sehr gerne wird eine Position gewählt, bei der die Abstände zu den Bildkanten nach oben und unten sowie nach links und rechts immer im Verhältnis von 2:3 sind.
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