Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom. Etta Wilken
eine solche Zuordnung nach äußeren Merkmalen sichere Prognosen für die Entwicklung geben zu können.
Die auffällige Lidfalte (Epikanthus) bei einigen seiner Patienten veranlasste ihn anzunehmen, dass bei diesen Menschen ein »mongolischer Typus« der geistigen Behinderung vorliege (Down 1866, 261), und er wählte deshalb für diese Form der Intelligenzbeeinträchtigung die Bezeichnung Mongolismus. Seine Beschreibung enthält jedoch nicht nur Angaben zum Erscheinungsbild, sondern auch zu charakteristischen Verhaltensweisen und er verweist auf die Bedeutung von Behandlung und systematischen Übungen.
»Sie haben Humor und einen lebhaften Sinn für das Spaßige … Gewöhnlich können sie sprechen, die Sprache ist jedoch oft verwaschen. Beachtliche Fertigkeiten können durch systematisches Training erreicht werden. Der Fortschritt, der durch Übung erreicht wird, ist beachtlich größer als das, was vorausgesagt würde, wenn einem die charakteristischen Eigenheiten dieses Typus nicht bekannt wären.« (Down 1866, 261)
Die von Langdon Down geprägte Bezeichnung Mongolismus wird heute abgelehnt, da die zugrunde liegende historisch zu verstehende Annahme über die Entstehung dieser Behinderung falsch und diskriminierend ist. Die typischen klinischen Merkmale des Down-Syndroms sind bei allen Rassen gleich und immer deutlich als pathologisch zu erkennen.
In Anerkennung der Bemühungen aber von Langdon Down, Übungen und Fördermöglichkeiten für diese behinderten Menschen zu gestalten, hat sich heute zunehmend die Bezeichnung Down-Syndrom durchgesetzt. Daneben werden andere Begriffe wie (Langdon) Down('s)-Syndrom oder Down Anomalie, Morbus Down und – vor allem im französischen Sprachraum – auch Trisomie 21 benutzt.
Von betroffenen Menschen und von Angehörigen wird der Begriff Down-Syndrom wegen der negativen Konnotation von »down« (= nieder) oft abgelehnt. Es ist deshalb zu überlegen, wie der Anspruch der Betroffenen auf begriffliche Mitbestimmung respektiert werden kann und welcher Begriff neutraler, aber doch allgemein verständlich wäre. So mag die Bezeichnung »Menschen mit dem gewissen Extra«, wie sie von Down-Syndrom Österreich oft verwendet wird, zwar freundlicher klingen, aber nur in einem entsprechenden Kontext ist zu verstehen, welche Personen damit gemeint sind (vgl. LLL, Leoben).
Manchmal werden Bezeichnungen wie »Down-Baby«, »Down-Kind«, »Down-Syndrom-Kind« oder »Trisomie-Kind« benutzt – und manchmal auch die meist freundlich gemeinte, aber unpassende Verniedlichung »Downie«. Dagegen ist einzuwenden, dass durch solche Begriffe die Behinderung zur dominierenden Kennzeichnung der Person wird.
Aber auch Kinder mit Down-Syndrom sind vor allem Kinder, mit den ganz normalen Bedürfnissen, die alle Säuglinge und Kinder haben, sind Jugendliche und Erwachsene, zeigen als Kinder ihrer Eltern familientypische Vorlieben und Gewohnheiten, sind Bruder oder Schwester ihren Geschwistern. Deshalb ist auch problematisch, von »Kindern, die unter den Bedingungen einer Trisomie 21 leben« (vgl. Zimpel 2016), zu sprechen, weil – wie bei allen Menschen – nicht allein die genetischen Bedingungen bestimmend sind. Vielmehr spielen der familiäre, soziale und kulturelle Kontext, die individuellen Fähigkeiten, Schwächen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie zusätzliche Behinderungen eine wesentliche Rolle und aufgrund wechselseitiger Beeinflussung dieser Faktoren ergeben sich sehr unterschiedliche Lebensbedingungen für die Kinder. Dadurch entsteht auch ein so vielfältiges Bild des Down-Syndroms, das sich keineswegs allein mit der Trisomie erklären lässt.
Das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Merkmale oder Symptome wird als Syndrom bezeichnet.
Wir sprechen deshalb von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom.
Es ist wichtig, sich deutlich zu machen, dass trotz der syndrombedingten Gemeinsamkeiten Menschen mit Down-Syndrom eine sehr heterogene Gruppe bilden. Das individuelle Potential ist recht verschieden, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und zusätzliche Behinderungen können unterschiedlich ausgeprägt sein und zudem können die verschiedenen Lebens- und Sozialisationsbedingungen eine weite Streuung von Kompetenzen und Interessen bewirken.
Eine ganzheitliche Förderung der Kinder mit Down-Syndrom muss deshalb individuelle und syndromspezifische Aspekte im systemischen Kontext berücksichtigen und durch eine lebensbegleitende Förderung den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen helfen, ihr individuelles Potential optimal zu entfalten und zu erhalten. Dazu ist auch notwendig, eine alters- und syndromspezifische gesundheitliche Betreuung anzubieten, um spezielle Probleme rechtzeitig zu erkennen, zu behandeln und mögliche Folgebeeinträchtigungen zu verringern.
Die Feststellung von Langdon Down, dass durch Übung mehr erreichbar ist als vielleicht angenommen wird, ist noch immer aktuell. Es ist deshalb wichtig, bewährte therapeutische und pädagogische Konzepte der Förderung weiter zu entwickeln, aber auch neue Möglichkeiten zu entdecken und die Grenzen des Erreichbaren offener zu sehen, damit ein insgesamt differenzierteres und positiveres Bild von Menschen mit Down-Syndrom entstehen kann.
2.2 Ursache
Die Ursache des Down-Syndroms war lange Zeit nicht bekannt. Zahlreiche Vermutungen und absurde Theorien wurden geäußert (z. B. Alkoholismus, Tuberkulose, Regression in der menschlichen Entwicklung), die zeitweise zu problematischen Einstellungen gegenüber Betroffenen und ihren Familien führten. Obwohl schon 1932 aufgrund der Vielzahl auftretender Veränderungen vermutet wurde, dass beim Down-Syndrom eine Chromosomenstörung vorliegen müsse (Waardenburg), gelang erst 1959 einer französischen Forschergruppe (Lejeune, Gautier, Turpin) der Nachweis, dass dem Auftreten des Down-Syndroms eine Trisomie zugrunde liegt.
Beim Down-Syndrom ist das Chromosom 21 nicht zweimal, sondern dreimal vorhanden. Dieses zusätzliche dritte Chromosom bewirkt erhebliche Störungen des normalen biochemischen Gefüges und führt zu deutlichen Abweichungen in der Entwicklung aufgrund eines direkten Effektes durch die 1,5 fache Gendosis und eines indirekten Effektes durch eine veränderte Regulation der verschiedensten Gene auf anderen Chromosomen.
Obwohl das Chromosom 21 zu den kleinsten gehört (nur 1,5 % der menschlichen Erbinformation liegen darauf), sind die auftretenden prä- und postnatalen Veränderungen sowie die Beeinträchtigungen in der gesamten Entwicklung vielfältig.
Das Entstehen der chromosomalen Fehlverteilung erfolgt fast immer zufällig. Allerdings nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten mit höherem Lebensalter der Mutter zu. Selten spielen auch genetische Faktoren eine Rolle. Immer wieder werden aber Vermutungen geäußert, dass zudem auch eine Vielzahl unterschiedlicher exogener Risiken wie Strahlenschädigungen oder Umweltbelastungen eine auslösende Wirkung haben könnten. Bisher gibt es aber noch keine gesicherten Erkenntnisse über solche möglichen Ursachen. Auch für regionales oder zeitlich erheblich verstärktes Vorkommen (Halder 2009, 16) oder untypisches häufigeres Auftreten in manchen Ländern (z. B. im Oman mit einer Relation von 1:391 Geburten) sind wahrscheinlich bisher nicht bekannte »exogene Noxen« zu vermuten (Sperling 2007, 42 f.). Auch in Europa gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. So wurde bei 10.000 Geburten in Schweden 22,12-mal, in England jedoch nur 10,5-mal das Down-Syndrom (lebend und tot geborene plus Abbrüche) ermittelt (Gocchi et.al. 2011, 35).
Beim Down-Syndrom liegen verschiedene genetische Befunde vor, von denen zum Teil auch der Grad und die Ausprägung der Beeinträchtigung abhängen:
Bei der häufigsten Form, der Freien Trisomie, ist das 21. Chromosom selbst unverändert, es kommt aber dreimal statt zweimal vor. Als Translokation wird die Verlagerung eines Chromosomenbruchstücks an ein anderes Chromosom bezeichnet. Ein Mosaik ist ein Chromosomenbefund, bei dem sowohl trisome (dreimal vorhandene) als auch normale (zweimal