Eisejuaz. Sara Gallardo
keine Leut, aber wie man Leute umbringt, das wissen wir schon.«
»Ich gehör nicht zu den Leuten.«
»Das weiß ich.«
»Ein Aas bin ich.«
»Das weiß ich auch. Und was willst du?«
»Was willst du denn, so nahe bei mir?«
So hab ich mit Paqui in der Nacht gesprochen.
Eisejuaz sagt:
»Ich hab dem Herrn meine Hände überlassen, denn einmal hat er zu mir gesprochen. Er hatte schon mehrmals zu mir gesprochen, davor, aber durch seine Boten. Am Pilcomayo hat er durch seine Boten gesprochen, ich war ein Junge und hab mit den Frauen im Wald Tiere gesammelt. Und in der Mission hat er durch seine Boten zu mir gesprochen, und der Missionar hat mir sieben Tage Buße auferlegt. Aber beim Gläserspülen im Hotel hat Er selbst zu mir gesprochen. Ich war sechzehn und gerade verheiratet. Das Wasser ist im Abfluss verschwunden, ein richtiger Strudel. Und auf einmal war da der Herr in dem Strudel. ›Lisandro, Eisejuaz, deine Hände gehören mir, gib sie mir, mir gehören deine Hände.‹ Ich hab die Gläser Gläser sein lassen. ›Herr, was soll ich tun?‹ ›Vor dem letzten Stück Weg werde ich um deine Hände dich bitten.‹ ›Jetzt gleich geb ich sie dir, sie gehören dir, Herr. Ich geb sie dir gleich.‹ Da war der Herr wieder fort. Nur der Strudel war da, und der Seifenschaum hat noch geglänzt. Gómez, der heute den Laden hat, war damals dort Kellner. Er hat gesehen, dass die Gläser noch nicht trocken waren. Er hat sie selbst getrocknet und mitgenommen, ohne mir etwas zu sagen. Er hatte immer schon Angst vor mir gehabt. Weil ich, Eisejuaz, Dieser Hier Auch, den zweiten Balken allein vom Lastwagen in den Speisesaal geschleppt hab. Den zweiten Quebracho-Balken. Der war groß wie vier Männer. Und ich ganz allein, als damals angebaut wurde. Den ersten Balken hatten fünf Knechte geschleppt, von Doña Eulalia, vor dreißig Jahren. Darum hat Gómez zu mir nichts gesagt. Wegen meiner Kraft. Und es lügt, wer sagt, dass mehrere Männer den zweiten Balken trugen. Nichts hat Gómez gesagt. Ich bin aus dem Hotel, und tagelang hab ich nicht gesprochen, niemanden angesehen und nichts gegessen. Meine Frau hat gesagt:
›Wie siehst du denn aus? Ich kenn dich nicht mehr.‹
Sie ist ins Hotel. ›Mein Mann ist krank, er spricht nicht, er sieht niemanden an, er isst nichts.‹ ›Bring ihn zum Arzt.‹ Aber ich bin nicht hin. Nichts habe ich gesagt. Das war der vierte Tag.«
Doña Eulalia bei uns zu Haus hat gesagt: »Wie wollt ihr jemals zivilisierte Menschen werden? Im Krankenhaus isst euch doch keiner! Es ist immer das Gleiche mit euch. Wenn ihr nicht hingeht, zahl ich für die Fehltage nichts.« Nichts hab ich gesagt. Meine Frau war ein guter Mensch, über alles hat sie Bescheid gewusst, und sie hat geweint. Auch in der Nacht hab ich nichts gesagt, und nichts hab ich gegessen.
Am fünften Tag hab ich zu ihr gesagt:
»Gibt’s Wasser? Bring Wasser.«
Sie hat mir Wasser gebracht. Es war wenig.
»Hier ist das Wasser knapp. Hier gibt es kein Wasser. Das weißt du.«
Es war nur ein ganz kleiner Krug. Ich bin aufgestanden und hab mir das Wasser über den Kopf und die Hände geschüttet. Mehr gab’s nicht.
»Mach was zu essen.«
»Es gibt nur Kuchen und zwei Süßkartoffeln.«
»Das reicht.«
Wir haben den Kuchen und die Kartoffeln gegessen. Und zu meiner Frau hab ich gesagt:
»Der Herr hat zu mir gesprochen, beim Gläserspülen.«
»Und jetzt?«, hat meine Frau gesagt, »was machen wir jetzt?«
»Was machen wir jetzt?«, hat sie gesagt.
Zweimal hatte der Herr durch seine Boten zu mir gesprochen. Ich war im Wald unterwegs, hab mit den Frauen Tiere gesammelt. Heuschrecken, Ameisen, Eidechsen. Meine Mutter hat zu mir gesagt: »Du bist groß, bald wirst du mit den Männern auf Jagd gehen, auch wenn du nicht alt genug bist. Eines Tages wirst du der Anführer sein.« Eine Frau, sie hat mehrere Jungen gehabt, hat meine Mutter gehört, und sie hat angefangen zu schreien, sie hat sie geschlagen, an den Haaren haben sie sich gezogen. Meine Mutter war stark, vier Zähne hat sie ihr ausgeschlagen. Da ist der Anführer zu uns gekommen, wir waren noch nicht tief im Wald, er ist gekommen und hat laut geschrien, aber sie haben nicht auf ihn gehört. Da hat er den Stock erhoben und der Frau den Arm gebrochen, die meine Mutter geschlagen hatte. Ein Teil vom Knochen sah unten heraus, den anderen hat man oben gesehen. Da haben alle Frauen angefangen zu weinen und zu schreien, und zwei Alte haben versucht, den Arm in Ordnung zu bringen. »Sie will dich tot sehen!«, hat die Frau geschrien. »Sie will, dass ihr Sohn der Anführer wird!« Und dann ist sie umgefallen, wie tot hat sie dagelegen. Krick, krack hat der Arm gemacht. Ihre Zähne haben ringsum auf dem Boden gelegen. Da hat der Anführer mich angesehen. Nichts hat er gesagt. Die Frauen haben geweint. Er hat den Stock erhoben, um auch meine Mutter zu schlagen, und meine Mutter ist nicht fort, sie ist nicht geflohen, sie ist nicht entwischt. Und er hat sie doch nicht geschlagen. Er hat nur gesagt: »Gerade erst sind dir die Milchzähne ausgefallen, und schon willst du Anführer sein?« Nichts hab ich gesagt. Und die, die geweint haben, hat er angeschrien: »Ruhe!« Eine Alte, seine Mutter, hat da die Stimme erhoben: »Einer Frau brichst du die Knochen, und wir sollen nicht weinen?« Wieder hat er den Stock erhoben. »Ja, schlag deine Mutter, brich ihr die Knochen«, hat seine alte Mutter geschrien, »und nicht der, die dir den Tod wünscht!« Da hat er gesagt: »Ihrem Kleinen sind gerade erst die Milchzähne ausgefallen. Ihr Küken hat noch nicht mal alle Federn.«
Da kam ein Bote des Herrn, um zu mir zu sprechen. Eine Eidechse war’s. Aber ihre Farbe war wie die Sonne. Ich bin hinter ihr her, ich hab sie gejagt. Da bin ich auf eine Lichtung gekommen. Auf der Lichtung hab ich sie nicht gefunden. Ich hab sie gesucht, aber ich konnt sie nicht finden.
Zur Essenszeit waren alle voll Ärger. Die Männer sind ohne Beute gekommen, und die Frau mit dem gebrochenen Arm hat geschrien: »Uuh, uuh.« Und meiner Mutter haben sie gedroht, doch sie hatte der Frau den Arm nicht gebrochen. »Wir bringen dich um.« Auch mein Vater wollte sie schlagen, und sie hat sich nicht von der Stelle gerührt und ist nicht geflohen. Viel Rauch gab’s rings um die verletzte Frau und auch über den Feuerstellen, denn das Holz war noch grün. Und die Leute waren böse, und zu essen gab’s nur, was wir und die Frauen gesammelt hatten: Heuschrecken und Eidechsen. Die haben wir ins Feuer geworfen, sie haben gezuckt, sich gekrümmt, und wir haben sie alle gegessen. Da ist mir der Bote des Herrn eingefallen, der am Nachmittag da war, um zu mir zu sprechen. Nacht war es schon. Früh bricht die Nacht in den Bergen dort an. Da bin ich losgelaufen, um den Boten zu suchen. Auf einem Yopobaum saß er und glänzte. Nichts hab ich gesagt, hab mich nicht gerührt. Und die Eidechse hat sich auch nicht gerührt. »Der Herr wird dich kaufen«, hat sie gesagt, »du wirst ihm deine Hände überlassen.« Nichts hab ich gesagt. »Einzigartig ist der Herr, unvergleichlich – nie geboren, wird er auch niemals sterben.« Ich hab zugehört. Die Eidechse glänzte. Und dann hat sie gesagt: »Jetzt sprich du.« Und ich hab gesagt: »Ja. Gut.«
Aber da waren alle schon losgezogen, um nach mir zu suchen, lärmend und mit Fackeln, aus Angst vor dem Jaguar. Ich bin durch den Wald, und dann bin ich schnell gelaufen, und als ich zu den anderen gekommen bin, da sind sie böse gewesen. Mein Vater: was ich gemacht hab. Meine Mutter auch. Nichts hab ich gesagt.
Am nächsten Morgen haben sie mich in den Wald geführt, um die Spuren von mir anzusehen. Wir sind zu dem Yopobaum gekommen, und da hab ich die Spuren meiner Füße gesehen. Und die Spuren des Jaguars haben viermal um meine Spuren herumgeführt, und auch, wo ich gegangen und gelaufen war, sind mir seine Spuren gefolgt.
Gesehen hatte ich ihn nicht. Und angerührt hat er mich auch nicht.
Seit dem Tag haben sie mich nichts mehr gefragt.
Ich bin Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der mit dem langen Weg, der, den der Herr gekauft hat. Paqui ist hier. Die Sonne geht auf. Der Zug fährt ab. Seine Glocke läutet, und die Glocke vom Franziskanerkloster auch. Das letzte Stück von Eisejuaz’ Weg hat begonnen. Das Auto des Pfarrers fährt los nach Salta, heute feiern die norwegischen Missionare ihr