Die Gejagte. Grace Goodwin

Die Gejagte - Grace Goodwin


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Kopfschuss und er wäre erledigt, aber ich kannte ihn. Hatte die letzten Monate mit ihm zusammen gedient. Bevor wir gefangengenommen wurden. Seit dem Einmarsch der Hive in diese Basis hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Bis jetzt. Bis er ausreichend integriert worden war, um von ihnen gesteuert zu werden. Um zu kämpfen, mich zu töten.

      Er war ein anständiger Typ. Ehrbar. Ein wahrer Krieger.

      “Scheiße verdammt, Zan.”

      Ich drosselte die Feuerkraft meiner Waffe und hoffte, die geringere Ladung würde ihn außer Gefecht setzen, aber nicht töten. Die Prillonen, die ich erschossen hatte, waren nicht von dieser Basis. Die waren nicht wie dieser Atlane eben erst integriert worden. Sie waren alte Bekehrte, ihre Persönlichkeiten längst verschwunden. Leere Hüllen, deren Körper mit so vielen Integrationen versehen waren, dass sie gänzlich zu Hive geworden waren. Durch und durch der Feind. Ich hatte gehört, dass die Hive ihre zuverlässigen, vollständig integrierten Soldaten wie diese beiden Prillonen zusammen mit den Atlanischen Bestien losziehen ließen, um sie im Zaum zu halten.

      Da die integrierten Prillonen erledigt waren, bestand darauf keine Hoffnung mehr. Zan war jetzt dabei auf mich loszugehen, er war fuchsteufelswild.

      Scheiße.

      Ich hob meine Waffe und zielte. Feuerte einen Betäubungsschuss.

      Sein Kopf flog zurück und er fiel um wie ein Baumstamm. Ich eilte zu ihm und prüfte seinen Puls.

      Er atmete noch. Gut. Die Betäubung hatte gewirkt, sogar bei einer Bestie.

      Ich hielt inne und lauschte, dann hörte ich das hastige Fluchen der Frau, als weitere Schritte auf uns zukamen. Sie konnte sie ebenfalls hören. Sie waren wahrscheinlich noch zwei Korridore von uns entfernt, aber uns blieben nur wenige Minuten. Höchstens drei. Und diesmal waren es mehr als drei Soldaten. Sehr viel mehr.

      Und der riesige Atlane musste gerettet werden. Solange er eine Überlebenschance hatte, konnte ich ihn nicht einfach zurücklassen, selbst wenn man ihn in die Kolonie schicken würde.

      Also packte ich notdürftig sein Bein und zog ihn in den Transportraum. Auf dem Boden lagen die drei Transporttechniker, die sie erledigt hatte. Tot. Vergessen. Die Frau blickte von der Steuerung auf, warf einen Blick auf den Atlanen und runzelte die Stirn.

      “Er ist ein Freund von mir.” Zan war ein anständiger Krieger, ich würde ihn nicht zurücklassen. Und sollte der blaue Mistkerl hier unten nach dem Rechten sehen, dann würde sowieso keiner von uns überleben. “Du musst uns hier rausschaffen bevor die Nexus-Einheit kommt. Gegen die hat Zan keine Chance.”

      Sie erstarrte. “In dieser Basis befindet sich eine Nexus-Einheit?”

      “Ja.” Ich wollte nachfragen, woher sie wusste, was ein Nexus war, schließlich war diese Information nur für hochrangige Agenten und Kommandanten bestimmt, aber ich war zu sehr mit dem überdimensionierten Leib der Bestie beschäfigt, um nachzufragen.

      “Es gibt ein dringenderes Problem. Ein Transport kommt gerade herein und ich kann den Befehl nicht aushebeln. Es ist zu spät.”

      Ich ließ Zans Bein los und er blieb reglos auf dem Boden liegen. Es gab kaum Platz, denn er und die toten Transporttechniker nahmen fast den gesamten Raum ein. Ich drehte mich zur Transportfläche um. Wie sie angekündigt hatte, füllte sich der Raum mit elektrischer Ladung und unter meinen Füßen fing es an zu vibrieren. “Freundlich?”

      “Nein. Ich glaube nicht.” Sie schnappte sich die Waffen der toten Techniker und warf mir eine davon zu. Ich prüfte die Ladung, entsicherte sie. Eine zweite Waffe konnte nicht schaden. “Sie bringen mehr Koalitionskrieger … Gefangene, um sie zu integrieren.”

      Sie machte ihre eigene Ionenpistole klar, ging auf ein Knie runter und hatte wie ich je eine Waffe in der Hand. Sie nutzte die Steuerkonsole als Deckung und wartete.

      “Wie viele?” wollte ich wissen.

      “Sieben.”

      Scheiße. Das war eine ganze Menge, sollte es sich ausschließlich um Hive handeln. “Die Hive arbeiten in Dreiergruppen. Immer. Sie sind verdammt konsequent. Sie würden nicht zwei Trios für einen Gefangenen losschicken. Es müssen drei Aufpasser mit vier Gefangenen sein. Das kommt mehrmals täglich vor. Ich weiß es.” Leider wusste ich das nur allzu genau.

      Sie nickte, blickte aber nicht in meine Richtung. Ich wandte mich wieder der Transportfläche zu, als sieben Gestalten auftauchten.

      Es war einfach, die Hive von den Koalitionskämpfern zu unterscheiden. Wir zielten. Feuerten. Töteten. Die drei Hive-Soldaten hatten nicht damit gerechnet in ihrer eigenen Einrichtung angegriffen zu werden, genau wie ich es erwartet hatte. Gefangene konnten nicht ausbrechen. Schlugen nicht zurück.

      Ich allerdings schon. Genau wie … sie. Sie hatte zwei von ihnen fast genauso schnell erledigt wie ich einen. Sie war fabelhaft. Verdammt, und ich kannte noch nicht einmal ihren Namen.

      Die vier Koalitionskämpfer fielen auf die Knie und duckten sich zum Schutz. Sie konnten nichts anderes ausrichten, hatten keine Waffen. Sie waren gefesselt.

      Binnen Sekunden war es vorbei. Die Aufpasser waren tot. Die Gefangenen blickten verwundert auf.

      “Wo zum Teufel sind wir?” fragte ein Prillone, weil er wahrscheinlich bemerkt hatte, dass er auf einer Transportfläche der Koalition angekommen war.

      “Latiri 4. Den Rest erkläre ich später. Holt den Atlanen. Wir müssen raus hier,” kommandierte sie.

      Sie ignorierte mich bereits wieder und erwartete, dass ich ihrer Anweisung folgte, während ihre Finger über die Steuerung huschten. Verdammte Frau, ich wollte sie und ich wollte sie meinem Willen beugen, sie mit Leib und Seele erobern. Jetzt war aber weder der richtige Zeitpunkt noch der passende Ort, um mit ihr zu streiten. Und sie hatte recht.

      Ich nahm einem der toten Viken den elektronischen Schlüssel von der Hüfte und machte den vier Gefangenen ein Zeichen. Sie kamen prompt zu mir herüber und ich schloss ihre Handfesseln auf. Der nächste, ein grimmiger Prillonischer Krieger, dem die anderen zu gehorchen schienen, winkte die drei zu dem Atlanen rüber.

      “Ihr habt den Befehl gehört, schafft den Atlanen auf die Transportfläche.”

      Die Frau hinter der Konsole blickte auf, als sie seine Stimme hörte. “Prax, schön dich zu sehen. Lang ist’s her.”

      Der Prillonische Captain, Prax, grinste sie an. Sie grinste zurück, der Ausdruck war völlig neu und nicht für mich bestimmt. Ich blinzelte und versuchte sie nicht anzustarren. Götter, sie war ein verdammtes Prachtstück. Und wie kam es, dass dieser Prillone sie kannte und ohne zu zögern ihren Befehlen folgte? Der Prillone trug das Abzeichen eines Captains an der Uniform und ich bezweifelte nicht, dass er die Lage einzuschätzen wusste. Sie kannten sich offenbar, aber woher?

      Gehörte sie zu ihm? War sie seine Partnerin? Hatte er ein Auge auf meine Frau geworfen?

      Meine Frau. Der Gedanke schoss mir durch den Kopf, als ich dem unbekannten Prillonischen Captain meine zweite Waffe überreichte und dabei half, den enormen Atlanen auf die Transportfläche zu schleifen.

      Wir alle arbeiteten zusammen, um ihn auf die Plattform zu hieven. Sogar fünf kräftige Krieger hatten mit der Bestie ihre Mühe. Sobald wir ihn an der richtigen Stelle hatten, überließ ich meine Waffe einem der anderen Krieger und trat an die Frau heran. Ich nahm ihre Ersatzwaffe, warf sie einem dritten Krieger hin und las ihre kleine Ionenpistole auf, die sie griffbereit auf der Steuerkonsole abgelegt hatte.

      Die Krieger gingen um den bewusstlosen Atlanen in Stellung und ich stellte mich zwischen meine Frau und die offene Tür. Ich konnte die Hive kommen hören und mir war klar, dass die Männer bis zum Tod kämpfen und mehr als gerne jeden Hive erschießen würden, der sich jetzt mit uns anlegte.

      “Kannst du uns hier rausbringen?” fragte ich sie. Sie hatte seit gefühlten Stunden an der Steuerung herumhantiert, ihre kleinen Hände hatten unaufhörlich schnelle, geschickte Bewegungen vollführt.

      “Ja. Aber zuerst sperre ich die gesamte Basis.”


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