Die Gejagte. Grace Goodwin

Die Gejagte - Grace Goodwin


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er zurück aufs Transportpanel. “Nein, Vizeadmiralin. Elitejäger Quinn ist gegenwärtig mit der Kampfgruppe Karter im Sektor 437 stationiert. Den Aufzeichnungen zufolge leitet er von einer unterirdischen Basis auf Latiri 4 aus Aufklärungspatrouillen gegen die Hive.”

      Die Karter? Sektor 437? Der Doktor war dabei mich mitten in einen Kriegsschauplatz zu schicken. Ich wusste es. Kira wusste es scheinbar auch.

      “Oh Gott. Das ist genau an der Front.” Ihr Blick sprang von Doktor Surnen zu mir. “Vielleicht solltest du warten. Er ist nicht einmal auf dem Schlachtschiff, Niobe. Er ist auf Bodenmission.”

       Elitejäger Quinn.

      Hübscher Name. Quinn. Meine Gedanken schweiften einen Moment lang ab. Er war ein Elitekrieger. Er würde stark sein. Schnell. Womöglich genauso schnell wie der Krieger aus meinem Traum …

      “Niobe, nein! Das kann nicht dein Ernst sein. Du musst warten.”

      Ich war so sehr damit beschäftigt, mir Quinn vorzustellen, dass es einen Moment dauerte, bis ich Kiras Worte registriert hatte. “Stopp. Er ist auf dem Boden? Ich dachte, er ist auf dem Schlachtschiff Karter.”

      Doktor Surnen räusperte sich erneut, prüfte etwas auf seinem Tablet und wandte sich mir zu: “Normalerweise wäre ich nicht berechtigt es Ihnen mitzuteilen und ich könnte Sie auch nicht an seinen Standort transportieren. Aber wie ich sehe, verfügen Sie über ein sehr hohes Freigabelevel beim Geheimdienst.”

      “Das tue ich.” Ich wusste über so ziemlich alles in diesem Krieg Bescheid. Nicht alles alles, aber fast. Meine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst war umfangreich und langjährig.

      Er seufzte. “Elitejäger Quinn ist zurzeit mit einer Jägereinheit im Einsatz und betreibt Aufklärung über die Hive. Seine Einheit ist in einer unterirdischen Basis hinter den feindlichen Linien stationiert.”

      “Was?” Mein Partner war jetzt im Hive-Gebiet?

      “Der Kampf um Latiri 4 und Latiri 7 ist für diesen Krieg entscheidend. Diese beiden Planeten und ihre Monde sind perfekt positioniert, um als Angriffsbasis für mehrere Weltraumsektoren zu dienen. Die Hive sind nicht bereit, sie aufzugeben und wir ebenso wenig.”

      Das wusste ich. Ich wusste sogar, dass wir dem Beispiel der Hive gefolgt waren und mit dem Bau unterirdischer Stützpunkte begonnen hatten, um sie dazu zu bringen unser Territorium zu überlaufen. Wenn sie sich dann nichtsahnend auf der Oberfläche eingenistet hatten, sammelten unsere unterirdischen Aufklärungsteams wichtige Informationen über ihre Bewegungen, Pläne und technologischen Entwicklungen. Über die neuen unterirdischen Programme hatte ich vor ein paar Monaten in einem Briefing gelesen. Aber darüber zu lesen und in eine Untergrundfestung zu transportieren, die sich unter dem von den Hive kontrolliertem Gebiet befand, waren zwei sehr verschiedene Angelegenheiten.

      Kira und der Doktor starrten mich beide an. Wollte ich lieber warten?

      Nein. Nicht wirklich. Aber ich war auch nicht naiv.

      “Ist der Stützpunkt gesichert?”

      Der Doktor blickte wieder auf sein Tablet. “Ich bin sicher, dass Sie das mit besseren Quellen als mit mir abklären könnten, aber den gegenwärtigen Daten zufolge, ja.”

      Das musste erstmal einen Moment lang einsickern. “Und wie lange ist Quinn auf der Basis stationiert?”

      Er verlautete ein langes, tiefes Seufzen und ich wusste, dass die Antwort mir nicht gefallen würde. “Unbegrenzt. Jägereinheiten arbeiten nicht wie die anderen Koalitionstruppen. Sie kooperieren mit der Koalitionsflotte solange es ihrer Agenda entspricht. Er könnte morgen wieder aufbrechen. Er könnte jahrelang dort bleiben. Es gibt keine festen Regeln, sondern unterliegt dem Elitejäger, der für die Einheit verantwortlich ist und ihren Gefolgschaften auf Everis.”

      Sicher, ich könnte zur Akademie zurückkehren und abwarten. Oder ich könnte transportieren und mich in ein wildes Abenteuer stürzen.

      Ein aufgeregtes Kribbeln machte sich in mir breit. Ich hatte seit Jahren nicht mehr am Kampfgeschehen teilgenommen, aber die Vorstellung schreckte mich nicht ab. Was mich stattdessen zusammenzucken ließ, war die Vorstellung, in mein spärliches Büro in der Akademie zurückzukehren und noch einen einzigen Tag länger aus dem verdammten Fenster dort zu starren. Sicher, ich hatte eine wichtige Aufgabe. Ich bildete Kämpfer aus. Ich machte sie clever. Ich rettete Leben. Gelegentlich zog der Geheimdienst mich zu einer Mission hinzu. Heutzutage aber handelte es sich dabei eher um Diplomatie und Spionagetricks als offene Kriegstreiberei. Ich war ein Schreibtischjockey und dieses Dasein saugte mir regelrecht die Seele aus dem Mark.

      Meine Hauptaufgabe bestand darin, neue Krieger auszubilden und dafür zu sorgen, dass sie sich da draußen auch zurechtfanden. Aber ich langweilte mich. Ich war einsam. Ein paar Tage Aufregung und schlüpfriger Sex klangen also echt toll.

      “Ich habe über zehn Jahre bei der ReCon verbracht, ehe ich in die Akademie befördert wurde. Ich fürchte mich nicht, mir die Hände schmutzig zu machen, Kira.”

      Kira war beim inneren Geheimdienst. Sie und ihr Partner, der Atlanische Kriegsfürst, standen immer noch im Dienst. Sie kannte mich und sie wusste, dass ich es ernst meinte. “Ich weiß.” Sie erwähnte nichts vom Geheimdienst, denn das war gegen das Protokoll, aber ihrem Blick zufolge wusste sie genau, wovon ich sprach. “Es sind nicht deine Hände, um die ich mir Sorgen mache.”

      Rachel lachte laut auf, als die Vibrationen der Transportplattform unter meinen Fußsohlen aufstiegen. Eine Sekunde später standen mir die Härchen auf den Armen zu Berge.

      “Ihr Transport beginnt in drei … zwei … eins.”

      Dann waren meine beiden Freundinnen weg und ich fand mich auf einer anderen Transportfläche wieder.

      Nicht in der Kolonie. Auf Latiri 4.

      Statt von einem knackigen Elitejäger begrüßt zu werden, stand ich einem Hive-Trio gegenüber, das genauso geschockt war wie ich. Was zum Teufel war hier los?

      Alle drei zückten ihre Waffen. Drei ehemalige Viken-Krieger, die jetzt mit Hive-Technologie überzogen waren. Da war keinerlei Licht in ihren Augen. Keine Seele. Sie waren wahrhaftig tot. Integriert.

      Au Scheiße. Doktor Surnen musste seine Infos updaten.

      Das hier war kein Koalitionsstützpunkt.

      Das hier war die Hive-Hölle …

      3

       Quinn, Latiri 4, Integrationszentrum der Hive, Sektor 437

      Meine Wange lag auf den kalten, harten Zellenboden gepresst und die Vibration der nahen Transportfläche ließen meinen Schädel dröhnen. Bestimmt trafen gerade noch mehr Gefangene in dieser Hölle ein. Noch mehr Krieger, die ich nicht retten konnte.

      Scheiß drauf, ich konnte mich nicht einmal selbst retten.

      Die letzte Spritze, die der Nexus mir hatte verabreichen lassen, ätzte sich wie Säure durch meinen Organismus.

      Schlimmer noch, ich konnte sie jetzt in meinem Schädel hören, ein Hintergrundgeräusch wie das ständige Geschwirre der Insekten auf den Bäumen von Everis. Ssss. Rassel. Summ. Der Lärm war konstant. Der Kopfschmerz ließ mich frustriert die Zähne knirschen. Aber ich kämpfte weiter gegen das Geräusch, egal wie sehr es auch schmerzte. Sollte ich aufgeben, dann würden sie mich übernehmen und lieber wäre ich tot.

      Das Hive-Trio, das die Transportfläche leitete, bewegte sich wie lautlose Drohnen im perfekten Gleichklang. Zwar schmerzte es, Koalitionskrieger zu sehen, die voll integriert und in stumpfsinnige Maschinen verwandelt worden waren, aber der Anblick war lange nicht so grausig wie der Gedanke, genauso zu enden wie sie.

      Leer.

      Empfindungslos.

      Eine Waffe, die der Nexus gegen meine


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