Gottes Weisheit entdecken. Timothy Keller

Gottes Weisheit entdecken - Timothy Keller


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sie nicht einfach in „Gute“ und „Böse“ ein. Unterscheidungsfähigkeit ist auch die Fähigkeit, nicht nur zwischen „richtig“ und „falsch“ zu unterscheiden, sondern auch zwischen „gut“, „besser“ und „am besten“. Christen erleben es, dass in dem Maße, wie sie Christus liebgewinnen, auch ihre „Erkenntnis“ und ihr „Einfühlungsvermögen“ wachsen (Philipper 1,9). Christi Liebe heilt das nur mit sich selbst beschäftigte Ich und versetzt uns in die Lage, unsere Mitmenschen zu sehen und sensibel für sie zu werden.

      Wo ist Gott gerade dabei, Ihnen feine Unterschiede zu zeigen, die Sie bisher nicht gesehen hatten?

      Gebet: Herr, die Welt scheint aufgeteilt zu sein in Menschen, die alles schwarz-weiß sehen, und solche, für die alles grau ist. Erlöse mich von beidem – der Gesetzlichkeit und dem Relativismus. Beide sind nicht weise. Schenke mir die Demut und die Unterscheidungsgabe, die es für ein weises Herz braucht. Amen.

       5. Januar

      Dadurch erhält man eine gute Erziehung … So ist man imstande, den Unerfahrenen Klugheit zu vermitteln und der Jugend Erkenntnis und Besonnenheit. (1,3-4)

      Besonnenheit. Die hebräischen Worte haskel (Klugheit), ormah (Erkenntnis) und mezimma (Besonnenheit) meinen alle ein Planen und Leben, das strategisch ist. So wie es hochanständige Menschen gibt, die nicht sehr weise sind, gibt es Visionäre, die das Ziel sehen, aber von den praktischen Schritten, die es zur Realisierung bräuchte, wenig Ahnung haben. Weise sein heißt Probleme voraussehen, ohne leichtsinnig zu werden oder sich davon lähmen zu lassen, dass man übervorsichtig ist. Der Weise weiß nicht nur, was er tun soll, sondern auch, wann er es tun soll. Ein Segen zur falschen Zeit kann wie ein Fluch wirken (27,14). Während Unterscheidungsfähigkeit (4. Januar) eine Art Einblick in die Herzen ist, ist Besonnenheit eine Form des Weitblicks; ich weiß, was für ein Verhalten zu welchen Ergebnissen führen wird (22,3).

      Weisheit ist in einem gewissen Sinne das Wissen, wie man „erfolgreich“ lebt. Aber man verwechsele nicht, wie Adam und Eva, weltliche Klugheit mit göttlicher Weisheit (1. Mose 3,6). Die endgültige Weisheit finden wir in Jesus, dem leidenden Gottesknecht (Jesaja 52,13), dessen Erfolg absolut, aber den Augen der weltlichen Weisen seiner Zeit verborgen war.8

      Hatten Sie einmal die nötige Unterscheidungsfähigkeit, um zu wissen, was Sie tun mussten, aber nicht die Besonnenheit, um zu wissen, wie Sie das machen sollten? Was haben Sie daraus gelernt?

      Gebet: Herr, ich möchte Erfolg haben, aber oft aus den falschen Gründen. Bitte tue, was nötig ist – und wenn es große Enttäuschungserlebnisse sind –, damit es mir wichtiger wird, treu zu sein als Erfolg zu haben. Erst dann werde ich frei sein von dem Stolz und der Angst, die die Feinde wahren Erfolges sind. Amen.

       6. Januar

      Wer Weise ist, soll zuhören und sein Wissen erweitern, und wer Verstand hat, soll die Fähigkeit erwerben, ein gutes Leben zu führen! (1,5)

      Wissen. Man kann moralisch gut, aber trotzdem nicht weise sein, und man kann viel wissen und doch töricht sein. Da ist die studierte Soziologin, die ein Buch über die Ursachen von Armut geschrieben hat, aber als sie einer armen Familie helfen will, macht sie alles nur schlimmer. Es gibt Wissen ohne Weisheit. Aber Weisheit ohne Wissen? Nein. Man muss sich mit einem Thema auskennen, bevor man es mit der Disziplin, Unterscheidungsfähigkeit und Besonnenheit der Weisheit angehen kann. Und so ruft das Buch der Sprüche die, die weise werden wollen, dazu auf, ihr Wissen zu erweitern. Das hebräische Wort leqah bedeutet ein ausgiebiges Studieren.

      Um weise zu werden, müssen wir das menschliche Herz kennen und wissen, wie menschliche Beziehungen funktionieren; wir müssen Leiden und Tod kennen, ja das Wesen Gottes. Weisheit ist die Verschmelzung von Denken und Erfahrung, sodass wir „in den Realitäten des Lebens kompetent“ werden.9 Und wahre Weisheit erfordert wie nichts anderes eine tiefe Kenntnis der Bibel. Kein Geringerer als Jesus gründete alles, was er tat, auf die Bibel; mit ihr ging er in seinen Tod (Matthäus 27,46; Psalm 22,2). Wie können wir erwarten, weise zu werden, wenn wir uns nicht in das Wort Gottes vertiefen?

      Was können Sie tun, um die Bibel besser kennenzulernen? Für welche Bereiche Ihres Lebens wäre sie gerade besonders wichtig?

      Gebet: Herr, ich verbringe viel zu wenig Zeit damit, dein Wort zu lesen und darüber zu meditieren, und es gibt keine Entschuldigung dafür. Wir nehmen uns doch immer Zeit für das, was uns wirklich wichtig ist. Bitte vergib mir, dass ich dich und dein Wort nicht so liebe, wie du mich geliebt hast. Lehre mich deine Wahrheit. Amen.

       Was ist Torheit?

       7. Januar

      „Ihr Einfaltspinsel, wie lange wollt ihr die Einfalt lieben? Wie lange noch gefällt den Angebern ihr selbstgefälliges Geschwätz? Wie lange noch hassen Toren10 die Einsicht?“ (1,22)

      Das Gegenteil von Weisheit. Im Buch der Sprüche ist das Gegenteil der Weisheit die Torheit und das Gegenstück zum Weisen der Tor. Im heutigen Deutsch ist das Wort „Tor“ bzw. „Dummkopf“ eine Beleidigung; in den Sprüchen meint es einen Menschen, der so realitätsfremd lebt, dass er sich und seinen Mitmenschen das Leben schwer macht. Wir können nicht alles mit unserem Körper machen, was wir wollen, ohne dass dies Folgen hat. Wir können unsere Mitmenschen nicht überfahren und erwarten, dass wir gute Freunde und eine stabile Familie haben. Wir können nicht als Egoisten leben und erwarten, dass unsere Beziehungen intakt bleiben. Aber der törichte Mensch tut all dies – und damit sät und erntet er Zwietracht und Zerstörung.

      Es gibt verschiedene Arten von Torheit, wie wir noch sehen werden. Aber die größte Dummheit von allen ist, wenn ich etwas anderes als Gott zum Mittelpunkt meines Lebens mache. Es ist der sichere Weg zu Enttäuschung und Not. Jesus hat den „törichten Mann“ als jemanden beschrieben, der sein Haus auf Sand baut statt auf den Felsen des Wortes und der Weisheit Christi (Matthäus 7,24-27). Der Törichte beachtet nicht, wo der feste Boden in seinem Leben ist (körperlich, seelisch, beziehungsmäßig und geistlich). Er verlässt ihn und wundert sich, warum er plötzlich einsinkt.

      Wo haben Sie das letzte Mal (bei sich selber oder bei einem anderen) die bittere Frucht der Torheit erlebt?

      Gebet: Herr, mein Herz möchte so oft die Realität verdrängen, aber das ist dumm. Die Realität in dieser gefallenen Welt ist beides – wunderbar und schrecklich. Hilf mir, sie richtig zu sehen, und lehre mich, weise in ihr zu leben. Amen.

       8. Januar

      „Ihr Einfaltspinsel, wie lange wollt ihr die Einfalt lieben? Wie lange noch gefällt den Angebern ihr selbstgefälliges Geschwätz? Wie lange noch hassen Toren11 die Einsicht?“ (1,22)

      Der Angeber. Drei Arten von Toren werden in diesem Vers erwähnt. Die Angeber (hebräisch lesim, in anderen Bibelübersetzungen Spötter) zeigen, dass es nicht die geistige Kapazität ist, die darüber entscheidet, ob wir weise oder töricht werden, sondern die innere Einstellung.12 Tief im Herzen des Angebers ist ein hochfahrender Stolz, der sich niemand unterordnen will (21,24). Er ist der geborene Besserwisser, der sich in dieser Rolle bestens gefällt. Eigentlich ist er ein Narr, aber in den Augen der meisten Menschen ist er jemand, der den Durchblick hat und dem man so leicht nichts vormachen kann.

      Natürlich gibt es Dinge, die Kritik, ja sogar Satire verdienen. Selbst Gott spottet gelegentlich. Aber „im Kreis der Spötter zu sitzen“ (vgl. Psalm 1,1) heißt, den Zynismus zu einem Lebensstil zu machen. Der chronische Spötter und Angeber bekommt ein verhärtetes Herz und vergiftete Beziehungen. Wie C.S. Lewis sagt. „Wer alles durchschaut, sieht nichts mehr.“13 Wir leben in einem postmodernen Zeitalter,


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