Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
jedoch dankbar, wenn du dich jetzt in die Angelegenheit zwischen Lisa und mir nicht mehr einmischen würdest. Das ist unsere Sache und nicht die deine.«
Die etwas korpulente Dame zuckte zusammen. »Wer sagt dir, dass ich mich eingemischt habe? Das ist doch reichlich übertrieben. Ich habe an Lisa geschrieben, um ihr klarzumachen, dass es für euch beide besser wäre, wenn sie zurückkäme. Die Affäre mit Grivaldi würde bald genug in Vergessenheit geraten. Unsere Zeit ist schnelllebig.«
»Lisa betrachtet ihre Bindung an Grivaldi durchaus nicht nur als vorübergehende Affäre, und ich achte sie deswegen, Mutter.«
Die alte Dame schüttelte missbilligend den Kopf. »Deine supermodernen Ansichten missfallen mir, Junge.«
Axel lächelte. »Ich bin inzwischen sechsunddreißig und kann selber entscheiden, was ich für richtig halte oder nicht, Mutter. Du hattest nicht das Recht, einen solchen Brief an Lisa zu schreiben. Ich darf dich in aller Form bitten, in Zukunft nichts dergleichen zu unternehmen. Ich werde nämlich mein Ziel, die Scheidung, so oder so erreichen. Du verteuerst nur die Anwaltskosten und zögerst die Sache unnötig hinaus. Sonst gewinnst du nichts.«
»Du bist undankbar, Axel. Ich meine es gut mit dir. Ich habe es immer gut gemeint.«
»Ja, ich weiß es. Trotzdem musst du dich allmählich damit abfinden, dass ich mein Schicksal selber in die Hand nehmen will. Lisa will ihren eigenen Weg gehen, möchte aber sozusagen auf die Netzabsicherung ihres Akrobatenaktes noch nicht verzichten. Die Absicherung soll die Ehe mit mir sein. Ich möchte ihr helfen und ihr Geld anbieten, denn ich habe genug Geld. Lisa ist einem Irrtum erlegen – genau wie ich. Wir dachten beide, dass so eine Vernunftehe möglich sei. Nun stellt sich heraus, dass niemand dabei etwas gewonnen hat, sondern alle Teile nur verloren haben.«
»Ich begreife die heutige Jugend nicht mehr.« Adelheid Fernau zog sich auf das uralte Klagelied der älteren Generation zurück.
»Es wäre alles anders gekommen, wenn ich damals hätte Rosita Linden heiraten können. Aber sie hat nur mit meinen Gefühlen gespielt.«
»Ja, das hat sie«, bekräftigte die Mutter im Brustton der Überzeugung. »Künstler sind nun einmal unzuverlässig und nehmen die Liebe nicht ernst. Das hättest du gleich wissen sollen. Ihre Karriere als Violinensolistin war ihr wichtiger als die Beziehung zu dir. Es war ein Glück, dass wir das rechtzeitig erkannten. Sie hätte das Spiel wahrscheinlich noch eine Weile fortgesetzt.«
»Ich habe es damals nicht ganz begriffen, Mutter. Aber du hast mit ihr gesprochen und mir erzählt, sie lehne es ab, noch einmal mit mir zusammenzutreffen. Dann kam ihr Brief, und dem war dann wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Sie schrieb mir mit eigener Hand, die Verbindung zu mir sei schön gewesen, aber alles müsse ein Ende haben. Also hatte es ein Ende.«
Mutter und Sohn sprachen noch eine ganze Weile von den vergangenen Zeiten. Dann ging Axel Fernau in sein Zimmer, um die Tageszeitungen zu studieren. Schließlich erinnerte er sich, dass noch einige Briefe gekommen waren. Es waren Rechnungen dabei, und zuunterst lag der Brief von Marianne.
Absender Marianne Weber, zurzeit Gut Schoeneich, las Axel Fernau und schüttelte den Kopf. Der Name weckte zunächst keine Erinnerung in ihm. Ohne besondere Anteilnahme schnitt er den Umschlag auf.
Wenige Augenblicke später stand er wieder vor seiner Mutter. »Ich habe Post von Fräulein Marianne bekommen.«
»Wer ist Fräulein Marianne? Bedeutet sie dir etwas? Ich kann mich nicht erinnern, Axel.«
»Sie ist Rosita Lindens Mädchen und vertraute Freundin.«
»Rosita Linden? Du meine Güte! Wir haben doch eben erst von ihr gesprochen. Verfolgt uns diese Geigerin denn heute?«
»Rosita befindet sich in großen Schwierigkeiten. Sie hatte einen Unfall und kann nicht mehr geigen.«
»Sehr bedauerlich für die Dame. Aber was geht das dich an?«
»Ach, Mutter, du verstehst mich nicht. Wenn sie nicht mehr spielen kann, wird sie sehr unglücklich sein. Vor allem aber …« Er brach ab.
Seine Mutter warf ihm einen forschenden Blick zu. »Du hoffst doch nicht etwa, dass sie, nachdem es nun mit ihrer Karriere als Künstlerin aus ist, sich an ihre Liebe zu dir erinnern könnte? Du wirst ihr doch nicht etwa nachlaufen? Es sind immerhin etliche Jährchen vergangen seitdem. Wahrscheinlich hat sie andere Männer gekannt in dieser Zeit.«
»Woher willst du das wissen?«, fuhr er auf.
»Es liegt auf der Hand. Immerhin ist sie Künstlerin. Künstler sind im Allgemeinen heißblütig und auch nicht kleinlich in ihren Freundschaften und Liebesbeziehungen.«
»Du hast kein Recht, so über Rosita zu urteilen, ohne zu wissen, wovon du eigentlich redest. Ich werde nach Deutschland fliegen, mit Lisa reden und auch mit Rosita sprechen.«
»Das wirst du nicht tun!« Die Augen der alten Dame blitzten zornig.
»Und warum nicht, wenn ich fragen darf? Ich habe seit anderthalb Jahren keinen Urlaub gehabt. Erst heute war in der Amtspost deswegen eine Anfrage. Ich hatte wegen der leidigen Scheidung ohnehin die Absicht, nach Deutschland zu reisen. Jetzt aber gibt es zwei Gründe, die einen Urlaub nötig machen: Lisa und Rosita. Zwei Frauen, denen ich helfen möchte. Lisa soll sich sicher fühlen, damit sie sich auch dann zu Grivaldi bekennen kann, wenn er seinerseits mit der Scheidung zunächst keinen Erfolg haben sollte. Rosita aber möchte ich ebenfalls finanzielle Unterstützung anbieten. Ich glaube nicht daran, dass ihre Karriere als Geigerin zu Ende ist. Weißt du noch, wie wundervoll sie spielte? Immer, wenn sie auftrat, war ich im Konzert. Paris, Lyon, Bordeaux – ach, immer wieder hörte ich sie spielen, und immer tiefer wurde meine Liebe zu dieser einzigartigen Frau.«
»Axel, Axel, du steigerst dich in etwas hinein. Diese Frau wollte damals nichts mehr von dir wissen und wird heute nicht anders denken. Sie sollte auch zu stolz sein, um sich jetzt von dir helfen zu lassen. Ich würde sie verachten, wenn sie Geld von dir annähme, jawohl, verachten!«
»Ich wäre glücklich, wenn sie sich dazu entschließen könnte, meine Hilfe anzunehmen, Mutter. Begreifst du denn nicht …?«
»Doch, ich beginne einzusehen, dass du sie noch immer liebst. Du siehst in ihr eine Frau, die sie nicht ist. Mit Lisa hätte alles gut werden können. Doch nun ist auch das misslungen.«
»Misslungen? Warum drückst du es so aus? War es denn damals deine Absicht, mich mit Lisa zu verheiraten?«
»Allerdings. Ich wollte es, und Lisa war ebenfalls dafür. Sie war eine Gräfin Lichtenfels, brachte also einen guten Namen mit, wenn sie auch keinen Cent besaß. Außerdem ist sie schön. Ich dachte, dass du für deine Karriere eine schöne Frau mit einem adeligen Namen haben solltest. Nun ja, es hat nicht sollen sein, obwohl ich eine ganze Menge an Schwierigkeiten und Risiken auf mich genommen habe.«
»Du? Wieso du?«
»Nun, ich habe Fräulein Linden seinerzeit mitgeteilt, dass du bereits mit Lisa Lichtenfels verlobt seiest.«
»Aber du hast mir doch gesagt …«
»Es geschah in deinem Interesse. Fräulein Linden zeigte sich verständnisvoll und untermauerte ihre angeblich mir bereits gegebene Absage durch den Brief, den sie dir schrieb. Einen größeren Gefallen hätte sie mir nicht tun können. Dabei hatte sie keine Ahnung, dass ich von dir zu ihr geschickt worden war, um für dich um ihre Hand zu bitten.«
»Mutter – das war ungeheuerlich! Wie ist es nur möglich, dass ich dieses Spiel nicht durchschaute?«
»Zuerst warst du verliebt, dann warst du enttäuscht und gekränkt. Außerdem gab dir Fräulein Linden keine Möglichkeit zu einer Aussprache.«
»Ja, obgleich ich sie mehrmals zu erreichen versuchte. Es war unmöglich, noch einmal an sie heranzukommen. Und jetzt schreibt mir Marianne!«
»Du wirst nicht zu Rosita Linden gehen! Versprich es mir. Ich gebe dir dafür mein Wort, mich nicht mehr mit Lisa in Verbindung zu setzen.«
»Das kann ich dir nicht versprechen,