Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Hände zu Fäusten und trommelte damit verzweifelt gegen Nicks Brust.

      »Was ist nur mit dem Kind los?«, fragte Nick seine Mutter. »Ich fürchte, es mag mich nicht.«

      Denise nahm Nick das strampelnde Mädchen ab, das sich aber nicht beruhigen ließ. »Mach schnell, Nick! Drück auf den Klingelknopf hier«, befahl Denise ihrem Sohn.

      Als Nick seinen Daumen gegen den Knopf presste, schrie Lucie mit schriller Stimme, außer sich vor Aufregung: »Nein, ich will weg! Ich wohne hier nicht.«

      Denise und die Huber-Mutter tauschten einen verständnisinnigen Blick.

      »Ich bin überzeugt, dass Lucie in dieses Haus gehört«, sagte Denise. »Ihr Benehmen deutet darauf hin, dass sie Angst vor einer Strafe hat, weil sie vermutlich davongelaufen ist. Weine nicht, Lucie! Wir lassen nicht zu, dass deine Eltern dich bestrafen. Wir werden ihnen alles erklären. Sie werden sicher gar nicht daran denken, dich zu bestrafen, sondern froh sein, dass du wieder da bist.«

      Diese beruhigenden Worte hatten jedoch keine Wirkung auf Lucie. Die Kleine hatte sich wieder hinter ihr Schweigen verbarrikadiert, aber die Tränen flossen unaufhaltsam über ihr bleiches Gesicht.

      »Wenn nur endlich jemand kommen würde«, meinte Nick unbehaglich und läutete ein zweites Mal. Dann drückte er sein Gesicht gegen die Verschnörkelung des Tores.

      »Ja, da hinten steht ein Haus«, sagte er. »Aber es wirkt unbewohnt. Und der Garten ist ziemlich verwildert.«

      Pünktchen war Nicks Beispiel gefolgt und spähte gleichfalls in den fremden Garten hinein. »Der Kiesweg ist halb mit Unkraut überwuchert, und dort, in dem runden Beet, das sollen wohl Rosen sein. Aber sie sind ungepflegt. Niemand scheint sich darum zu kümmern. Ich bin der gleichen Meinung wie Nick. Hier wohnt niemand.«

      Im gleichen Augenblick öffnete sich jedoch die Haustür, eine alte Frau trat aus dem Haus und schritt über den vernachlässigten Kiesweg auf das Gartentor zu.

      Pünktchen und Nick wichen zurück. »Pst, es kommt jemand«, warnte Pünktchen.

      Lucie schlang ihre Arme um Denises Hals und vergrub ihr Gesicht an deren Schultern. Der kleine Körper des Kindes wurde von einem krampfhaften Schluchzen erschüttert. Denise wünschte nun, nicht hierhergekommen zu sein, aber es war zu spät.

      Die schmiedeeiserne Tür knarrte, und die alte Frau steckte ihren Kopf heraus. Ihr Blick blieb zuerst an Nick und Pünktchen hängen. Sofort fuhr sie die beiden Kinder an. »Was wollt ihr hier? Verschwindet und lasst mich in Frieden.«

      Schon traf sie Anstalten, sich wieder zurückzuziehen und das Tor zu schließen, doch nun trat Denise vor und wies auf das Kind. Aber noch bevor sie ein Wort äußern konnte, trat die fremde Frau einen Schritt auf sie zu und streckte die Arme aus, als wollte sie ihr das Kind abnehmen. Doch ebenso schnell ließ sie die Arme wieder sinken und blieb stocksteif stehen.

      »Wir haben dieses Kind auf einer Wiese gefunden. Es scheint sich verlaufen zu haben. Kennen Sie es vielleicht?« Denise kostete diese Frage Überwindung. Eine plötzliche und unbegründete Abneigung gegen diese Frau hatte sie erfasst. Sie hoffte sehr, dass Lucie nicht hierhergehörte und dass sie selbst eine verneinende Antwort erhalten werde.

      Die alte Frau zauderte und rang sichtlich nach Atem. »Ich … Nein, wie kommen Sie darauf?«, sagte sie schließlich mit rauer Stimme. »Woher sollte ich dieses Kind kennen? Ich wohne allein in meinem Haus. Wie sollte ich alte Frau zu einem so kleinen Kind kommen?«

      »Ja …, wir dachten …« Es passierte Denise äußerst selten, dass sie ins Stottern geriet, aber jetzt war es soweit.

      Nick sprang hilfreich in die Bresche. »Gehört das Kind vielleicht einem Ihrer Dienstboten?«, fragte er.

      »Dienstboten? Ich beschäftige keine Dienstboten«, erwiderte die alte Frau barsch.

      »Keine Dienstboten? In dem Riesenhaus?«

      »Was geht das dich an? Lasst mich zufrieden.«

      »Ja, aber …«

      »Was schaust du so neugierig herum? Meine Angelegenheiten gehen dich nichts an.« Die alte Frau schlug die Tür vor Nicks Nase zu und verschwand.

      Der Junge hatte in der Tat seine Blicke über das Haus und den Garten schweifen lassen. Nun wandte er sich aufatmend an die anderen. »So, das wäre erledigt«, meinte er. »Lucie hat mit der alten Frau nichts zu schaffen.«

      »Darüber kann man nur froh sein«, sagte Pünktchen. »Sie hatte alle Attribute, die man bei einer Hexe erwartet. Das einsame Haus, die Hakennase, der stechende Blick ihrer schwarzen Augen, die faltige Haut … Puh, machen wir, dass wir von hier fortkommen.«

      »Vergiss nicht die krächzende Stimme«, fügte Nick hinzu. Dann warf er einen Blick auf das Schild, das an dem Gittertor angebracht war. »Harlan lautet ihr Name. Nun, das ist ja eigentlich gleichgültig.«

      Denise zögerte. »Ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Frau nicht aufrichtig war. Im ersten Moment hatte es durchaus den Anschein, dass sie das Kind kennt. Sie wollte es mir aus dem Arm nehmen. Und dann das Benehmen des Kindes. Es klammert sich noch jetzt an mir fest. Seht doch!«

      »Kein Wunder«, meinte Pünktchen. »Auch ich hatte einen Augenblick lang den Wunsch, die Flucht zu ergreifen. Was muss dann erst so ein kleines Kind fühlen?«

      »Lucie hat diese Frau Harlan kein einziges Mal angesehen«, gab die Huber-Mutter zu bedenken. »Trotzdem hatte auch ich den Eindruck, dass sie sie kennt und sich vor ihr fürchtet.«

      Nick zuckte mit den Schultern. »Wollt ihr dieser unsympathischen Person das arme Kind aufzwingen?«, fragte er.

      »Man soll sich durch ein ewig einnehmendes Äußeres nicht zu einem Vorurteil verleiten lassen.«

      »Aber, Mutti, willst du etwa andeuten, dass das Benehmen Frau Harlans entgegenkommend war? Sie sieht nicht nur aus wie eine He…«

      »Sei still, Nick«, unterbrach Denise ihren Sohn. »Es bleibt uns jetzt nichts anderes übrig, als mit Lucie zum nächsten Polizeirevier zu fahren. Möglicherweise liegt dort bereits eine Vermisstenanzeige vor, die alles erklärt.«

      Je weiter sie sich von dem Haus im Wald entfernten, desto leiser wurde Lucies Schluchzen. Als sie wieder bei Schwester Regine und den anderen angelangt waren, hatte sich das Kind halbwegs beruhigt, aber es blieb nach wie vor stumm.

      In Hechingen suchten Denise und die Kinder von Sophienlust die Polizeistation auf.

      Der diensthabende Beamte blickte irritiert auf die eindringende Kinderschar. Als Denise ihm ihr Anliegen vortrug und schilderte, wie die Huber-Mutter Lucie gefunden hatte, schüttelte er den Kopf.

      »Nein, bei uns ist keine Vermisstenmeldung eingegangen«, sagte er. Dann fragte er Lucie nach ihrem Namen und ihrer Adresse, hatte damit aber keinen Erfolg.

      Schulterzuckend meinte er: »Ich werde die Fürsorge verständigen, damit das Kind abgeholt und in ein Heim gebracht wird. Dann werden wir ein Foto von ihm in den Zeitungen und im Fernsehen veröffentlichen …«

      »Nein!«, riefen die Kinder wie aus einem Mund.

      »Aber das wird immer so gemacht, damit sich die Angehörigen melden«, erklärte der Polizist geduldig.

      »Wir sind nicht gegen das Foto«, ergriff Nick das Wort, »sondern dagegen, dass Lucie von der Fürsorge übernommen wird. Könnten nicht wir, Mutti?«

      Denise nickte lächelnd und setzte dem Polizisten den Wunsch der Kinder, Lucie nach Sophienlust mitzunehmen, auseinander.

      »Sophienlust ist ein Heim für verlassene und elternlose Kinder«, erläuterte sie dem Polizeibeamten. »Nick, mein Sohn und ich, wir haben uns die Lebensaufgabe gestellt, solchen Kindern zu helfen.«

      So kam es, dass die Sophienluster schließlich, nachdem die notwendigen Formalitäten erledigt worden waren, Lucie mitnehmen durften.

      »Lucie braucht unbedingt ein ordentliches Kleid«, meinte die zehnjährige Vicky


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