Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
löste sich Grit Möllendiek aus den Armen ihres Verlobten. »Ich muss gehen«, meinte sie lächelnd.
»Schon?«, fragte David Danner langgezogen und machte ein leicht beleidigtes Gesicht.
»Es ist spät, und du wirst müde sein. Morgen hast du sicher wieder einen anstrengenden Tag vor dir.« Grit strich liebkosend über Davids schwarzes lockiges Haar. Sie war unsagbar verliebt in ihn. Sein gepflegter dunkler Bart gefiel ihr ebenso wie die moderne, ein wenig ausgefallene Kleidung, die er bevorzugte.
»Ich möchte mich am liebsten nie mehr von dir trennen, süße, bezaubernde Grit.« David sah bittend in die tiefblauen Augen seiner Braut.
»Es sind ja nur noch wenige Tage bis zu unserer Hochzeit«, tröstete Grit mit verschmitztem Lächeln. Mit ihrer sehr hellen Haut und den silberblonden Haaren war sie genau das Gegenteil von David.
»Für mich ist das viel zu lange. Hier im Haus ist so viel Platz, aber du wohnst im Hotel. Das ist doch einfach lächerlich.« Er legte die Arme um Grits schlanke Taille und zog sie erneut an sich.
»Was würde mein Bruder denken, der morgen mit seiner Familie kommt?« Grit lachte leise, weil es wirklich komisch aussah, wenn David ein trauriges Gesicht machte. Es passte nicht zu ihm.
»Ich weiß von deinem Bruder nur, dass er in Schweden lebt und ziemlich reich ist.« Verliebt rieb David seine Nasenspitze an Grits leicht gewölbter Stirn. Die duftigen blonden Locken kitzelten ihn ein wenig, doch er mochte das gern. Grit war ein Mädchen zum Schmusen und Liebhaben. Aber sie hatte auch noch andere Vorteile, die wichtig für ihn waren. Das Vermögen beispielsweise, das der Bruder ihr ausbezahlt hatte und das Grit ihm, David, großzügig zur Verfügung gestellt hatte.
»Er hat die Fabrik meiner Eltern übernommen und sie weiter ausgebaut«, berichtete Grit. »Mark ist tüchtig und ein prima Kamerad. Übrigens ist seine Frau Maria Deutsche. Die Liebe hat uns also beide nach Deutschland verschlagen.« Grit lächelte verträumt. »Wenn wir beide so glücklich werden wie mein Bruder mit seiner Frau, dann bin ich mehr als zufrieden.«
»Wir werden sicher noch viel glücklicher«, prophezeite David im Brustton der Überzeugung. »Ich liebe dich, Grit. Für mich bist du die einzige Frau auf der ganzen Welt, mit der ich mein Leben verbringen möchte.« Er legte seine Hände an die zarten Wangen des Mädchens und bog Grits Kopf ein wenig zurück. Heiß und voll Verlangen küsste er Grits weiche volle Lippen.
Grit schlang glücklich beide Arme um seinen Hals und schmiegte sich innig an ihn. Liebevoll erwiderte sie den Kuss. »Ich freue mich ja schon so sehr auf das Leben mit dir«, wisperte sie mit selig leuchtenden Augen. »Wir werden unsere Flitterwochen endlos ausdehnen. Jeder soll wissen, wie glücklich wir sind.«
Grit liebkoste das bärtige Gesicht ihres Verlobten. Sie wusste, Mark, ihr Bruder, hatte sie vor dieser Verbindung gewarnt. Er hatte dem reichen David Danner misstraut. Doch Grit war überzeugt, dass sich Mark, der sonst ein gutes Gefühl für Menschen hatte, diesmal gründlich geirrt hatte.
»Ich will dich verwöhnen. Du sollst leben wie eine Prinzessin. Meine Liebe zu dir, Grit, ist so übermächtig, so groß, dass Worte nicht ausreichen, sie zu beschreiben. Ich kann sie nur beweisen. Tag für Tag, ein ganzes Leben lang.« David streichelte das ebenmäßige, klassisch-schöne Gesicht der blonden Grit. Er küsste verliebt ihre Nasenspitze, küsste sie auf beide Augen, auf die reizvollen kleinen Ohren.
Lächelnd ließ das Mädchen es geschehen. Gar nicht genug konnte es von Davids Zärtlichkeiten bekommen. Er war ein Mann, der es verstand, eine Frau glücklich zu machen, ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen.
»Ich gehöre nur dir, David«, flüsterte Grit. »Dir ganz allein. Und das wird sich niemals ändern.«
»Das klingt wie wunderschöne Musik«, gab der junge Mann zufrieden lächelnd zurück. »Ich könnte es auch nicht ertragen, dich mit jemandem teilen zu müssen. Ich wäre rasend eifersüchtig.«
»Warum sollte ich?«, fragte Grit unbesorgt. »Ich bekomme den besten Mann der Welt. Hübsch, charmant, klug und vermögend. Na, bin ich nicht ein Glückspilz?«
Grit fühlte sich in Davids Armen sicher und beschützt. Da er mit seinen zweiunddreißig Jahren zehn Jahre älter war als sie, ersetzte er ihr ein wenig den Vater, den sie schon so früh verloren hatte.
»Alles, was ich besitze, gehört dir! Das Haus, die Autos, die Kunstgegenstände, einfach alles.« David hob den schmalen Mädchenkörper ein wenig an und drehte sich übermütig mit Grit im Kreis. »Erst seit ich dich kenne, bedeutet es mir etwas, reich zu sein. Es ist der Rahmen, der zu dir passt.«
»Du bist so lieb zu mir!« Grit küsste David laut und schallend auf die Wange. »Trotzdem muss ich jetzt gehen. Wir sehen uns ja morgen wieder.«
»Morgen suchen wir das schönste Kleid für dich aus, das aufzutreiben ist. Und natürlich das nötige modische Zubehör und den Schmuck dazu. Wie eine verwöhnte Diva sollst du aussehen, wenn dein Bruder kommt.« David ließ das Mädchen frei und machte Anstalten, es zur Tür zu bringen. »Ich fahre dich natürlich zum Hotel. Oh, Moment, drüben klingelt das Telefon.« Mit langen Schritten ging er durch den riesengroßen Wohnraum in sein Arbeitszimmer. Etwas ungeduldig nahm er den Hörer ab und meldete sich.
Grit kam langsam nach.
»Es ist für dich«, sagte David und hielt Grit den Hörer entgegen. »Man hat schon im Hotel bei dir angerufen.«
»Wer denn?«, fragte das Mädchen verwundert.
David zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht dein Bruder?«
Grit ergriff rasch den Telefonhörer und presste ihn ans Ohr. »Mark?«, fragte sie erwartungsvoll. Eigentlich war sie ganz sicher, dass David mit seiner Vermutung Recht haben musste. Denn sie war erst seit einigen Wochen in Deutschland, kannte hier noch keinen. Wer außer ihrem Bruder konnte sie anrufen?
Angestrengt lauschte sie dann in die Muschel. Aber es war nicht Marks Stimme, die da sprach. Es waren die sachlichen Ausführungen eines Beamten, die sie hörte. Das, was er sagte, war so furchtbar, dass sich ihr Verstand weigerte, das alles zu begreifen. Immer fester umspannte ihre Hand den Telefonhörer. Alle Farbe war aus ihrem hübschen Gesicht gewichen.
David Danner beobachtete seine Braut mit gerunzelter Stirn und unmutig zusammengezogenen Augenbrauen. »Was will man denn von dir so spät noch? Es ist eine Unverschämtheit, um diese Zeit anzurufen. Wenn ich gewusst hätte, dass da irgendein Verrückter dran ist, hätte ich überhaupt nicht abgenommen.«
Grit reagierte nicht auf seine ärgerlichen Äußerungen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie auf die Stimme, die aus dem Hörer drang. Ihr hübscher Mund verzog sich schmerzlich.
»Was ist denn?«, drängte David und machte den Versuch, Grit den Hörer abzunehmen. Er konnte sich nicht erklären, was und wer seine Braut so beunruhigte. Ungeduld und Angst stiegen in ihm auf und ließen ihn immer nervöser werden. Hetzte man Grit gegen ihn auf? Waren es vielleicht sogar böse Verleumdungen? Kurzerhand drückte er die Raste des Apparats nieder, sodass die Verbindung unterbrochen war.
Grit sah ihn entgeistert an. So, als käme sie aus einer ganz anderen Welt zurück. Dabei waren sie doch eben noch so vertraut miteinander gewesen.
»Warum tust du das?«, fragte sie verwirrt.
»Weil ich endlich wissen möchte, wer dir Märchen erzählt«, fauchte David aufgebracht.
»Mein Gott, David, es ist etwas Furchtbares geschehen.« Grit ließ verzweifelt den Kopf hängen.
»Was denn, zum Donnerwetter?« David dachte gar nicht daran, seine Braut tröstend in die Arme zu nehmen oder wenigstens beruhigend ihre Hand zu halten. Er war überzeugt, dass man Grit eben einige recht unerfreuliche Dinge über ihn gesagt hatte. Und dagegen würde er sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen.
Grit zog die Arme an ihren Körper. Ihr war plötzlich kalt, trotz der Wärme, die in Davids luxuriösem Haus herrschte.
»Mark und seine Familie sind auf dem Weg hierher mit dem Wagen verunglückt.