Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
eifersüchtig. Denn der Altersunterschied zwischen Nick und Florence garantierte ihr, dass aus der flüchtigen Schwärmerei nichts Ernstes wurde.
»Dann freue ich mich, wenn ihr mitkommt. Ihr kennt euch hier so gut aus und könnt so viel erzählen.« Florence lächelte sogar ein bisschen.
*
Andrea von Lehn, die junge Frau des Tierarztes Dr. Hans-Joachim von Lehn, vergewisserte sich, dass ihr Sohn Peterle ruhig schlief. Dann zog sie leise die Tür des Kinderzimmers zu. Im Flur begegnete sie Hans-Joachim.
»Tag, Schatz!« Der junge Tierarzt wollte seine Frau mit einem Kuss begrüßen, doch sie wich geschickt aus.
»Du bist schon lange hier, ohne es für nötig gehalten zu haben, hereinzuschauen.« Andrea’s tiefblaue Augen blitzten lebhaft.
»Stimmt. Ich hatte diese junge Französin, die vorübergehend in Sophienlust ist, eingeladen, unser Tierheim zu besichtigen. Und da sie gerade kam, als ich den Wagen in der Garage abstellte, hatte ich keine Gelegenheit, zuvor hereinzukommen. Aber deshalb wirst du doch nicht böse sein?« Hans-Joachim ging Andrea nach, die in den großen, geschmackvoll eingerichteten Wohnraum getreten war. Erneut versuchte er, den Arm um ihre schmalen mädchenhaften Schultern zu legen.
Andrea trat jedoch rasch zur Seite. Mit zornig zusammengezogenen Augenbrauen sah sie in den frühlingshaft blühenden Garten hinaus. »Normalerweise führst du unsere Gäste nie selbst durch das Tierheim, sondern beauftragst Herrn Koster damit.«
»Hm. Aber in diesem Fall war es tatsächlich richtiger, dass ich selbst …« Hans-Joachim bohrte die Hände in die Taschen seiner modisch geschnittenen Hosen. Natürlich wusste er, dass seine junge Frau eifersüchtig war. Er ahnte, dass dies auch jetzt der Grund ihres merkwürdigen Verhaltens war.
»War es das?«, sagte Andrea bitter. »Ich habe zufällig gehört, dass ihr euch gut amüsiert habt. Ist ja auch eine besonders charmante Person, diese Französin.« Andrea’s Ärger war aus diesen Worten klar herauszuhören. »Sogar die Füchse hast du herausgelassen. Dabei hast du selbst gesagt, dass sie von den Kindern nicht gestreichelt werden sollen.« Deutlich schwang ein Vorwurf in Andrea’s Stimme mit.
»Du hast also gelauscht«, stellte Hans-Joachim sachlich fest.
»Nein, das habe ich nicht!«, wehrte sich die junge Frau. »Ihr seid so laut gewesen, dass man euch ohne Mühe im Kinderzimmer verstehen konnte.«
»Schade, dass du einer jungen Frau, die so viel Leid erfahren hat, ein so harmloses Vergnügen nicht gönnst.« Hans-Joachim machte ein enttäuschtes Gesicht. Ihm hatte es viel Freude gemacht, zu sehen, wie viel Spaß die Kinder an den Tieren hatten. Sogar über Florences trauriges Gesicht war ein Lächeln gehuscht, als die Schimpansen Ludja und Batu ihre lustigen Kunststückchen gezeigt hatten.
»Du weißt sehr gut, dass du zu weit gegangen bist. Du hast richtig mit ihr geflirtet.« Trotzig wie ein Kind schob Andrea die Unterlippe vor.
»Aber Schatz, davon kann doch keine Rede sein.« Belustigt trat Hans-Joachim neben seine Frau. Er wollte sie zu sich herumdrehen, doch sie fuhr ihn wütend an:
»Lass mich! Ich weiß, dass du dich in sie verliebt hast. Sie ist sehr hübsch, und sie hat jenes gewisse Etwas, das die Männer fesselt.« Andrea’s Stimme klang ein bisschen weinerlich, aber sie hielt tapfer die Tränen zurück.
»Andrea, das ist doch Unsinn!«
Andrea beachtete den Einwand ihres Mannes überhaupt nicht. »Alles an ihr ist aufregend und fremdartig. Das ist doch die Abwechslung, die ihr Männer sucht.«
»Du liest zu viele Romane.« Hans-Joachim schüttelte befremdet den Kopf. Er liebte seine Andrea. Ihm gefiel ihr Wesen, ihre schlanke Figur, das glatte dunkle Haar, die Art, wie sie sich kleidete und bewegte, ihre Stimme. Doch immer wieder machte sich bemerkbar, dass sie noch sehr jung und unerfahren, manchmal geradezu unreif war. Jene Toleranz, von der ihre charmante Stiefmutter Denise so viel verstand, war ihr völlig fremd. Andrea war impulsiv, manchmal sogar unberechenbar. So glücklich die junge Ehe auch war, oft war das Leben im Hause des Tierarztes trotzdem nicht einfach.
»Du hast dich aufgeführt wie ein verliebter Primaner. Du warst so galant und zuvorkommend wie schon lange nicht mehr. Hast du eigentlich vergessen, dass du verheiratet bist und ein Kind hast? Oder hat dich diese Florence so sehr beeindruckt, dass du deiner Sinne nicht mehr mächtig warst? ›Florence‹, was für ein hübscher Name. Er passt zu ihr. Er ist genauso zauberhaft wie sie selbst, nicht wahr? Gib doch zu, dass du ein Abenteuer suchst. Unsere Ehe ist dir zu langweilig geworden. Trotzdem finde ich es äußerst geschmacklos, dass du diese Französin ausgerechnet hierher einlädst.«
Scham brannte auf Andrea’s Wangen. Sie wusste genau, dass sie in ihrer Erregung einen Schritt zu weit gegangen war. Doch das würde sie niemals zugeben.
Die Lippen des Tierarztes wurden schmal wie ein Strich. Er fasste nach Andrea’s Oberarmen und umspannte sie fest. »So, jetzt wirst du mir zuhören und mich dabei ansehen«, bestimmte er, ohne sich darum zu kümmern, dass Andrea sich dem Griff zu entwinden versuchte. »Ich habe noch nie vergessen, dass wir verheiratet sind, und noch nie ist es nötig gewesen, mich an Peterles Existenz zu erinnern. Unsere Ehe ist mir absolut nicht langweilig, und ich suche auch keine Abenteuer. Wenn ich gewusst hätte, dass dich der Besuch der jungen Französin so aufregt, hätte ich sie selbstverständlich nicht eingeladen. Eigentlich habe ich dich immer für mitleidig gehalten. Doch das erstreckt sich wohl nur auf Tiere, nicht auf Menschen.« Den letzten Satz sprach Hans-Joachim voll Verbitterung aus. Er dachte daran, wie unermüdlich Andrea oft Tiere pflegte, die man krank oder verletzt ins Tierheim brachte. Hier kannte ihre Großzügigkeit keine Grenzen, hier war sie unermüdlich in ihren Bemühungen. Hatte die junge Florence nicht Ähnlichkeit mit einem verängstigten, schutzlosen Tier?
Endlich gelang es Andrea, sich zu befreien. Doch damit war es endgültig um ihre Beherrschung geschehen. Tränen perlten aus ihren blauen Augen. »Du liebst mich nicht mehr«, schluchzte sie und schlug die Hände vors Gesicht.
Sofort war Hans-Joachim voll Zärtlichkeit. Liebevoll nahm er seine junge Frau in die Arme, streichelte ihr weiches duftendes Haar. »So etwas darfst du nicht sagen. Du weißt doch, dass du in meinem Herzen die erste Stelle einnimmst. Ich habe doch nur dich lieb.« Seine Stimme war dunkel und schmeichelnd.
Sekundenlang lehnte sich Andrea entspannt an ihren Mann, dann aber versteifte sich ihre Haltung wieder. Die Tränen rannen rascher. »Du lügst. Ich glaube dir nicht! Du sagst das alles nur, um mich zu beruhigen. In Wirklichkeit triffst du dich vielleicht noch heute wieder mit Florence. Du erzählst mir dann, dass du zu einem Bauernhof fährst, und in Wirklichkeit …«
»Jetzt ist aber genug!«, polterte der junge Mann verärgert. »Für wen hältst du mich eigentlich? Ich halte es für ausgesprochen schlecht, wenn in einer Ehe das Vertrauen fehlt. Vielleicht denkst du einmal darüber nach. Im Übrigen muss ich tatsächlich noch zum Einödhof hinauf. Dort kalbt eine Kuh.« Hans-Joachim drehte sich auf dem Absatz herum und verließ das gemütliche Wohnzimmer.
Einen Augenblick lang war Andrea verblüfft. Dann rief sie ihrem Mann nach: »Viel Spaß mit Florence!«
*
Nick war mit einem Satz auf den Beinen. Vergessen waren die lateinischen Vokabeln, die er gerade hatte lernen wollen. Das Fahrzeug, das eben vor dem Portal von Gut Schoeneich hielt, konnte nur Andrea gehören. Nur sie fuhr mit derart schrill kreischenden Bremsen.
Da kam Nicks Stiefschwester auch schon die Stufen empor. Hautenge
Jeans und eine modische Bluse brachten ihre tadellose Figur voll zur Geltung. Eigentlich hatte man auf Gut Schoeneich längst vergessen, das Sascha, Andrea, Nick und Henrik keine richtigen Geschwister waren. Alle vier vertrugen sich prächtig und liebten einander sehr. Da Sascha in Heidelberg studierte und Andrea verheiratet war, sahen sie einander allerdings selten.
»Sportlich, sportlich«, begrüßte Nick die ältere Schwester. »Um deinen Fahrstil wird dich jeder Rennfahrer beneiden. Dein Tempo wird immer tolldreister. Ein Wunder, dass noch nichts passiert ist.« Er grinste.
»Ist