Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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wagte kaum zu atmen, so sehr wurde sie von der Angst beherrscht. Dabei ging es ihr nicht um sich selbst, sondern nur um die Kinder, für die sie bedenkenlos ihr eigenes Leben geopfert hätte. »Aber sie haben Hunger«, wisperte sie und spürte, wie sich Sanny noch ängstlicher an sie klammerte. Dany drehte im Schlaf unruhig das Köpfchen und wimmerte kläglich.

      »Wenn das meine größten Sorgen wären!« Der Mann fluchte laut. Mit dem Fuß schleuderte er einen Hocker weg, sodass er krachend gegen die Holzwände des Strandhauses polterte.

      Dany fuhr aus dem Schlaf hoch und begann zu weinen. Sanny hielt ihm ängstlich das Mündchen zu.

      »Verdammte Schweinerei ist das. Ein Vater, der nichts für seine Kinder übrig hat.« Der Mann bohrte beide Hände in die Taschen seiner engen Jeans.

      »Weil es gar nicht seine Kinder sind!« Florence bemühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben, doch es gelang ihr nicht.

      »Hören Sie auf mit Ihren albernen Märchen«, schrie der Fremde verärgert. Hasserfüllt sah er Florence an und dachte, ohne sie würde alles viel leichter sein. Solange sie hier war, kam er überhaupt nicht an die Kinder heran. Sie würde die Kleinen verteidigen bis zum letzten Atemzug.

      »Ich habe Ihnen schon zehnmal gesagt, dass das meine Kinder sind. Warum sollte sich Dr. Amberg dann für ihr Schicksal interessieren? Jeder kann sich einmal irren. Aber wenn man es bemerkt, muss man die Sache in Ordnung bringen. Lassen Sie uns laufen.« Es waren immer wieder die gleichen Sätze, mit denen Florence den Fremden zu überlisten versuchte.

      »Seien Sie still!«, befahl der Mann in der Lederjacke. »Sie haben mir schon genug Schwierigkeiten gemacht.« Heimlich war er furchtbar ärgerlich auf sich selbst, weil er sich hatte zwingen lassen, nicht nur die Kinder, sondern auch deren Betreuerin mitzunehmen. »Ich war ein Idiot, als ich Sie mitnahm. Vielleicht habe ich es nur Ihren schönen Augen zuliebe getan. Aber es wird mir nicht noch einmal passieren!«

      »Nein, Sie haben es getan, weil Sie die Kinder allein gar nicht hätten mitnehmen können. Sie hätten sich gewehrt, wären vielleicht während der Fahrt aus dem Wagen gesprungen.« Florence zitterte noch jetzt, wenn sie sich an jene schrecklichen Minuten erinnerte. Da war dieser Mann gekommen, den sie nie zuvor gesehen hatte. Er hatte sie angesprochen und sich nach dem Weg erkundigt. Plötzlich hatte er Dany gepackt, ihn aus dem Sportwagen gerissen und sich gleichzeitig Sanny unter den Arm geklemmt, um beide Kinder zu seinem Auto zu bringen.

      Florence hatte sich sofort heftig zur Wehr gesetzt. Doch sie war zu schwach gewesen, um gegen den bulligen Fremden etwas ausrichten zu können. Laut hatte sie um Hilfe geschrien. Doch es war niemand dagewesen, der sie hätte hören können. Niemand, der ihr hätte helfen können.

      Mit einer Kraft, die der Verzweiflung entsprungen war, hatte sie sich an ihre kleinen Schutzbefohlenen geklammert. Weder durch Schläge, noch durch Drohungen hatte der Mann sie dazu bringen können, zurückzubleiben. Schließlich hatte er nachgegeben. Vermutlich deshalb, weil er Angst gehabt hatte, dass doch noch jemand kommen und die Szene beobachten würde. Angst schien der Mann überhaupt viel zu haben. Florence wusste das seit dem Moment, da er im dunklen Strandhaus über eine Stufe gestolpert war und dabei vor Schreck hysterisch aufgeschrien hatte.

      »Haben Sie eine Ahnung«, brummte der Kerl jetzt. »Es gibt sehr wirksame Mittel, so kleine Quälgeister zur Ruhe zu bringen. Ein kräftiger Schlag genügt, und sie rühren sich für Stunden nicht mehr.«

      »Alles nur Theorie.« Florence schüttelte den Kopf mit den schweren kastanienbraunen Locken. »Sie bringen es ja nicht fertig, jemanden so wehzutun. Sie sind nicht der Mensch dafür.«

      »Wenn Sie nicht sofort still sind, dürfen Sie sich davon überzeugen, wozu ich fähig bin.« Der Mann ballte die Fäuste und kam drohend näher.

      »Aber …, aber ich wollte Ihnen doch nur noch einmal erklären, weshalb das gar nicht die Kinder sein können, die Sie suchen. Schauen Sie doch einmal, hier habe ich Fotos von meine Kinder, als sie noch klein waren.« Florence griff nach der Handtasche, die neben ihr auf der Bank lag.

      »Dummes Zeug«, winkte der Mann ab. »Sie wollen mich nur durcheinanderbringen, das ist alles. Beinahe haben Sie’s schon geschafft. Beinahe, sage ich.« Der Mann schluckte. Ihm waren tatsächlich schon Zweifel gekommen, ob er die richtigen Kinder erwischt hatte. Immerhin sagten sie ›Mami‹ zu der jungen Frau, und außerdem war es undenkbar, dass sich eine Pflegerin so uneigennützig um fremde Kinder kümmerte.

      »Hier!« Florence zog mit zitternden Fingern ein Foto aus der Tasche. Über die Köpfe der Kinder hinweg reichte sie es dem Fremden. »Das war meine kleine Sanny, zwei Jahre alt. Sehen Sie nur, dieses Foto hätte ich doch nicht, wenn ich nicht die Mutter wäre.« Florence zitterte und bebte so sehr, dass die Kleinen in ihren Armen sanft auf und ab wippten. Was würde sein, wenn der Mann in der Lederjacke den Schwindel durchschaute? Das kleine Mädchen auf dem Foto war natürlich nicht Sanny, sondern ihr Töchterchen Claudine. Doch das konnte ein Außenstehender niemals feststellen.

      »Ich habe auch Bilder von Dany«, schwindelte die junge Frau mutig weiter. »Wollen Sie sehen?«

      »Nichts will ich sehen! Gar nichts!« Der Mann schlug auf das Foto, dass es zu Boden segelte. »Es sind Dr. Ambergs Kinder, und damit basta. Sie waren in Sophienlust, und sie sind verschwunden. Das hat er mir am Telefon selbst gesagt. Hoffentlich wird Ihnen nun endlich klar, dass Ihre Lügerei nichts nützt! Gar nichts!«

      Der Kerl hatte geschrien, doch Florence hatte längst erkannt, dass er es nur getan hatte, um seine eigene Furcht zu überbrücken. »Was wollen Sie von Dr. Amberg? Was hat er Ihnen getan?« Mit heimlicher Sehnsucht dachte Florence an den Mann, den sie vor einigen Tagen kennengelernt hatte. Der Vater von Sanny und Dany. Er war jung, sportlich und sah fabelhaft aus. Doch noch mehr hatte sie seine verständnisvolle, gütige Art, die einen liebevollen Menschen verriet, beeindruckt.

      Eigentlich hatten sie ein ähnliches Schicksal, Dr. Amberg und sie. Auch er hatte den geliebten Partner verloren, auch er war darüber untröstlich. Und nun bescherte ihnen der Zufall weitere Gemeinsamkeiten. Beide hatten sie im Moment Angst um die Kinder. Beide fürchteten sie sich vor dem Mann in der dunklen Lederjacke, der unberechenbar war. Nie wusste man, was er im nächsten Augenblick tun würde.

      »Ihre alberne Fragerei geht mir auf die Nerven!«, keuchte der Fremde. »Sie sind schuld daran, dass alles schiefläuft. Sie bewachen die Kinder wie eine Glucke ihre Küken. Ich kann es schon nicht mehr mit ansehen!« Er ging mit schweren Schritten in den Nebenraum und schlug krachend die Tür hinter sich zu.

      Florence war mit den Kindern allein.

      »Ist er jetzt fort, Mami?«, wisperte die kleine Sanny.

      Als er das erste Mal in der angrenzenden Kammer verschwunden war, hatte Florence ihre Schützlinge leise gebeten, sie künftig Mami zu nennen. Mit leuchtenden Augen hatten sie zugestimmt. Inzwischen war es schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Besonders Sanny konnte das Wort ›Mami‹ gar nicht oft genug aussprechen. Viel zu lange hatte sie das nicht mehr tun können.

      »Er kommt wieder«, gab Florence leise zur Antwort.

      »Das soll er aber nicht!« Dany richtete sich stocksteif auf. »Ich mag ihn nicht! Ich hau ihn!« Er hob drohend seine Patschhand.

      »Er ist größer und stärker als wir«, flüsterte Florence.

      »Dany hat keine Angst«, behauptete der Kleine. »Und wenn ich groß bin …« Die blauen Kinderaugen blitzten kampfesmutig.

      »Ja, wenn du groß bist …« In diesem Moment huschte sogar ein winziges Lächeln über Florences Gesicht. Nie würde sie bereuen, dass sie den Entführer gezwungen hatte, auch sie mitzunehmen. In diesen Stunden war sie den Kindern so nahegekommen, wie es sonst vielleicht niemals möglich gewesen wäre.

      »Das dauert doch viel zu lange«, meldete sich Sanny mit vorwurfsvoll klingendem Stimmchen.

      *

      Keine Sekunde mehr hielt es Dr. Amberg in seiner Praxis aus. Jetzt war ihm endgültig klar, dass Florence Theger nichts mit der Entführung seiner Kinder zu


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