Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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sie heißhungrig die Kekse hinunter.

      Dany war bedeutend langsamer, doch auch er aß die kleine Portion, ohne auch nur einen Krümel übrigzulassen. »Vati holt uns«, murmelte er plötzlich voll Zuversicht.

      Florence nickte zustimmend, obwohl sie durchaus nicht davon überzeugt war. Sicher tat Dr. Amberg, was er konnte. Doch wo sollte er suchen? Es gab zu viele Möglichkeiten.

      Ob er überhaupt wusste, was der Verbrecher beabsichtigte? Verlangte dieser Geld? Würde Dr. Amberg zahlen können? Würde er auf die Forderung des Entführers eingehen?

      »Hoffentlich tut er es«, murmelte Florence in Gedanken.

      »Was soll er tun?« Aus großen ernsten Augen sah Sanny zu ihrer neuen Mutti auf.

      »Uns hier herausholen«, wich Florence aus.

      Sanny schwieg bedrückt. Schließlich konnte sie ihre bange Frage nicht mehr für sich behalten. »Bleibst du dann immer noch unsere Mutti?«

      Florence wusste sehr genau, was diese Frage bedeutete, obwohl Sanny selbst die Zusammenhänge nicht überblicken konnte. Wenn sie die Mutti der Geschwister bleiben wollte, musste sie Dr. Amberg heiraten. Musste? So schrecklich war dieser Gedanke gar nicht. Ganz im Gegenteil. Er war sogar sehr angenehm. Fast sehnte sich Florence danach, wieder jemanden zu haben, der sich liebevoll um sie kümmerte, jemanden, dem sie voll vertrauen konnte. Mochte sie Helmut Amberg nicht sehr gern? Ja, sie konnte sich eine Zukunft mit ihm recht gut vorstellen. Doch würde es für sie und die Kinder überhaupt eine Zukunft geben?

      Ich darf den Kindern nicht die Hoffnung nehmen, überlegte Florence und flüsterte: »Ich bleibe eure Mutti für immer. Ich habe euch sehr, sehr gern, und möchte immer bei euch bleiben.«

      »Ich habe dich auch so lieb«, versicherte Dany und kletterte flink auf Florences Schoß.

      Sanny, die auf keinen Fall zurückstehen wollte, kam von der anderen Seite. »Ich bin so froh, dass wir dich haben«, beteuerte sie. »Und ich bin auch gar nicht traurig, dass wir hier sind in dem dunklen Haus, weil wir dich hier für uns ganz allein haben.«

      »Wir bleiben beisammen«, versprach Florence feierlich. Sie war sehr froh, dass wenigstens die Kinder die Gefangenschaft nicht gar so schlimm empfanden. Sie hatten keine Angst vor der nächsten Stunde. Bei ihr selbst war das jedoch anders. Sie fühlte, dass die Entscheidung bald fallen müsste. Entweder ließ man sie frei, oder …

      *

      Heidi kauerte neben dem Bett von Fabian, der seit Kurzem bei ihr im Zimmer lag. Sie selbst durfte jetzt schon ein paar Stunden täglich aufstehen. Da sie aber im Krankenzimmer bleiben musste, kümmerte sie sich rührend um Fabian, dessen Backen jetzt dick geschwollen waren. Er hatte auch Mumps bekommen. Ganz undeutlich redete er, und essen konnte er fast nichts. Schwester Regine fütterte ihn mit kräftigen Suppen und Fruchtsäften.

      Eben las Fabian mühevoll den Brief vor, den Nick ins Krankenzimmer geschickt hatte.

      »Dany und Sanny sind nicht mehr da?«, unterbrach Heidi ihn. Ihre Bäckchen wurden vor Aufregung puterrot. »Verstehst du das?«

      »Nick schreibt, dass niemand weiß, wohin sie gegangen sind.« Fabian richtete sich stöhnend auf. »Ich glaube, ich weiß es. Tante Florence wollte Wurzeln holen für neue Kasperleköpfe. Dany und Sanny hat sie dabei immer mitgenommen. Und wenn ich den blöden Mumps nicht gekriegt hätte, dann wäre ich auch mitgegangen.«

      »Aber wohin wollte Tante Florence denn?« Gespannt sah Heidi den älteren Kameraden an.

      »In den Wald am See. Sie hat gesagt, dass man dort die knorrigsten Wurzeln findet und die meisten Baumstümpfe.«

      »Bist du sicher?« Heidi hielt das Köpfchen schief.

      »Ganz sicher.« Fabian richtete sich stolz auf.

      »Dann musst du es sofort Nick schreiben. Er sagt es dann der Polizei und …« Heidi sprang auf, rannte hinüber zu dem Nachttisch, riss ein Blatt aus ihrem Malbuch und griff nach einem Farbstift. Beides drückte sie Fabian in die Hand. »Mach schnell!«

      Fabian glättete die Decke und versuchte zu schreiben. »Es geht nicht«, stöhnte er.

      »Kannst du’s nicht mehr?« Heidi zog die Kinderstirn in Falten.

      »Doch. Aber ich brauche eine Unterlage.«

      Heidi nickte. »Kannst du mein Malbuch als Unterlage nehmen?«

      »Gib schon her! Wie wollen wir den Zettel überhaupt Nick geben?«

      Heidi überlegte. »Ich werfe den Zettel aus dem Fenster, wenn Nick unten vorbeigeht«, schlug sie rasch vor. »Er schaut sowieso immer hoch und winkt.«

      »Aber wenn Schwester Regine sieht, dass du ständig am Fenster stehst, schimpft sie.«

      Ein schalkhaftes Lächeln huschte über Heidis hübsches Gesichtchen.

      »Sie ist aber nie lange böse«, meinte sie zuversichtlich.

      Fabian malte Buchstaben aufs Papier. Dann faltete er das Blatt sorgfältig zusammen. Richtig wichtig kam er sich dabei vor. Und wenn er daran dachte, dass er vielleicht dazu beitragen konnte, das Rätsel zu lösen, dann wurde ihm noch wärmer, als ihm ohnehin schon war.

      *

      Dr. Amberg ließ verzweifelt den Kopf hängen. »Ich habe mir vorgenommen, so lange zu suchen, bis Florence und die Kinder gefunden sind. Aber wohin soll ich mich wenden? Ich kann endlos weiterfahren, kann aussteigen und kreuz und quer durch die Stadt laufen, ich kann alle Leute fragen, die ich treffe, oder ich kann im Wald jeden Strauch umdrehen. Aber was ist richtig? Was bringt Erfolg? Noch vor Stunden habe ich auf den Zufall vertraut. Jetzt habe ich diesbezüglich wirklich keine Hoffnung mehr.«

      »Mir ergeht es ähnlich«, seufzte der alte Justus. »Ich war so überzeugt, dass ich Florence finden würde. Ich ging alle Wege ab, die sie normalerweise benutzte. Aber nichts, gar nichts!« Der alte Mann fuhr sich sorgenvoll über das runzlige Gesicht.

      »War es nicht ein wenig leichtsinnig, eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern so einsame Spazierwege gehen zu lassen?« Der Ton des Arztes war vorwurfsvoll. Die Nerven gingen mit ihm durch. Er war am Ende seiner Kraft.

      »Außenstehenden mag es so erscheinen. In Sophienlust denkt man anders. Hier fühlt man sich frei und sicher. Ich lebe seit vielen Jahrzehnten hier und weiß, dass einer dem anderen vertraut. Florence selbst war sehr glücklich darüber, mit den Kindern durch die Wiesen wandern zu können.«

      »Leichtsinn, nichts als Leichtsinn«, knurrte Helmut böse.

      »So etwas dürfen Sie nicht sagen!«, wehrte sich der alte Justus. »Ich habe Florence, ich meine natürlich Frau Theger, sehr gern. Und wenn ich der Ansicht gewesen wäre, dass ihre Spaziergänge gefährlich sind, hätte ich sie selbstverständlich begleitet.«

      »Sie haben Florence gern?«, wiederholte Helmut erbost. Eifersüchtig sah er auf den Alten. Eigentlich bereute er jetzt, ihn mitgenommen zu haben.

      »Sie ist die Frau, von der ich mein ganzes Leben lang geträumt habe«, erzählte Justus und schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.

      »Aber ich bitte Sie, Florence könnte Ihre Enkelin sein!« Helmut Amberg musterte den Rivalen aus den Augenwinkeln. Nein, er passte wirklich nicht zu der zarten jungen Florence. Aber er war ein Original, dieser Justus. Hatte Florence eine Schwäche für solche Menschen? Helmut ärgerte sich, dass er die junge Frau so wenig kannte. Warum war er nicht früher nach Sophienlust gekommen, warum nicht jeden Tag? Dann hätte er Florence vielleicht längst den Vorschlag gemacht, ihn zu heiraten, in sein Haus am Stadtrand zu kommen. Vielleicht hätte damit auch das schreckliche Unglück vermieden werden können.

      Justus war so sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass er den Einwand des Arztes überhörte. »Als junger Mann war ich Soldat in Frankreich«, erzählte er mit starrem Blick. »Damals habe ich ein Mädchen kennengelernt, dass Florence sehr ähnlich war. Es hatte dieselbe Art, sich zu bewegen, es sprach im gleichen Tonfall wie Florence. Der Krieg hat uns damals auseinandergebracht.


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