Bist du ein Löwe?. Paul Trein
das Aussehen des Vogelschnabels, überhaupt der Kopf offenbart etwas Bedeutendes und Erhabenes. Wenn sie sprechen, dann ist der Kopf aktiv, er bleibt nicht zurück hinter dem Körper und leblos. Und wenn sie sprechen, dann hört man auch zu, die Aufmerksamkeit, die ein Adlermensch verlangt, wird ihm automatisch geschenkt, denn er ist interessant und spricht Wahres und Wichtiges.
Adlermenschen sind selten klein. Wenn sie sitzen, dann verstecken sie sich nicht in dieser Haltung, sondern zeigen eine offene Präsenz, in einer Gesellschaft nehmen sie einen irgendwie bedeutenden Platz ein. Sie bleiben nicht im Hintergrund. Allgemein sind sie auch freundlich und höflich und können recht gesprächig und unterhaltsam sein, ohne freilich jemals die Würde ihrer erhabenen Seele zu verlieren. Im Allgemeinen sind Adler Männer, wenn auch nicht ausschließlich.
Affen (Anthropoidea)
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Das sind zweifellos Freunde des Menschen und, wer weiß, vielleicht noch mehr als das. Die Menschen betrachten diese bewegten Tiere mit echter Sympathie, welche aber niemals das Gefühl eines Unbehagens verursachen will, weil es bekannte Theorien gibt, die besagen, dass der Ursprung sowohl der einen als auch der anderen Gruppe im gleichen Sektor der Evolution zu suchen ist. So weit denken und fühlen die Menschen nicht. Wie die Affen es denken oder empfinden, lässt sich schwer ermitteln. Es ist dennoch erstaunlich, dass solche unbewiesene Gedanken eines vermutlichen gemeinsamen Ursprungs mitunter für bare Tatsachen gehalten und sogar in Schulen gelehrt werden. Für die einen könnte das Schrecken, für die anderen Genugtuung bewirken.
Der Mensch sieht die Affen mit einem wohlwollenden Humor, der aus seiner Überheblichkeit herrührt. Es wurde den Menschen nämlich eingeredet, dass zwischen Affen und Menschen eine Verwandtschaft besteht, bei der dieser aber freilich das große fertige Produkt sei, das herrliche Endstadium einer jahrtausendelangen Entwicklung. Die anderen seien auf der Strecke geblieben.
Wiewohl es auch viele unterschiedliche Sorten unter den Affen gibt, befasst sich der Mensch eher mit den mittleren Sorten, mit den Affen mittelgroßer Dimension. Die ganz kleinen sind ihm zu unruhig, nervös und unbedeutend, die ganz großen sind ihm schon aus den erwähnten Gründen unheimlich und gefährlich. In den mittleren Tieren sucht er eher seinesgleichen.
Das wichtigste auffallende Element bei den Affen ist ihre Beweglichkeit. Zwar sind sie immer wieder ruhig und nachdenklich, aber richtig in ihrem Element zeigen sich diese Tiere erst, wenn sie sich von Baum zu Baum schwingen. Auch ihre Fortbewegung ist rasch, als würden sie die Beine nur als Federung zum Zwecke des Impulsgebens benutzen. Sie sind gesellig, immer in großen Gruppen auftretend und durchaus kommunikativ.
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In den Menschen entwickelt sich der Affe mit solchen Eigenschaften der ständigen Bewegung, die offenbar grundlos ist oder zumindest nicht im direkten Verhältnis zum Zweck dieser Unruhe steht. Das Springen von einem Thema zum anderen beim Gespräch, das Wechseln von einer Aufgabe zur anderen, schließlich die Bewegung von einer Stelle zur anderen ist dabei charakteristisch. Das Unruhige ist das „Affige“ im Menschen, aber nicht die gefährliche Unruhe, sondern die sympathische, die freundliche und amüsante, weil sie im Grunde nichts Tiefes bewirkt, sondern nur amüsiert.
Ameisen (Formicidae)
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Die Ameisen genießen in der Betrachtung durch den Menschen ein durchaus positives Ansehen. In einigen Aspekten ihres Verhaltens erreichen sie sogar die Kategorie von beispielhaften Wesen. In der Regel hängt das aber lediglich mit der Disziplin der Ameisen zusammen, besonders aber in der Art ihres Zusammenwirkens und im Erfolg in der Durchsetzung ihrer Ziele. Die Ameisen arbeiten viel und nur, sind stets fleißig und erfüllen ohne Widerrede ihre Pflicht. Da der Mensch diese Eigenschaften für sein eigenes Leben allenfalls mit Widerwillen annimmt, bewundert er die Ameisen.
Für den Menschen sind die Ameisen winzige Wesen. Aber sie schaffen es, in Gruppen und großen Kontingenten aufzutreten. Durch ihr geschlossenes und entschlossenes Auftreten sind sie dann sehr stark und können sich selbst größeren Tieren gegenüber durchsetzen. In den Wäldern schaffen sie sich deshalb großen Respekt bei anderen Mitbewohnern. Wenn der Zug der Ameisen sich nähert, machen sich Tiere ähnlichen Formats aus dem Staube. Wenn ihr Marschzug vorbei ist, kann sich jedes Wesen ohne Gefahr auf ihren hinter sich gelassenen Pfad begeben: Da ist nichts Lebendiges mehr anzutreffen. Eine Ameise allein ist machtlos, aber sie ist auch nur allein, wenn sie etwas tut, was für die Masse von Bedeutung ist und einen Auftrag in diesem Sinne erfüllt.
Die Ameisen pflegen offenbar nur so zu sein, wie wir sie kennen, weil sie es inzwischen nicht anders können. Sie gehorchen nämlich einigen Führern – oder Führerinnen –, die wohl wissen, was sie tun. Vielleicht haben sie sich in früheren Zeiten gegen solche Ausnutzung ihrer Kräfte und Freiheit gewehrt. Diese Zeiten liegen jedoch sehr weit zurück. Sie haben den Kampf um die Macht verloren, sind jetzt total manipulierte Wesen und denken nicht mehr darüber nach.
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Im Menschen ist gerade dieser Zug, der den Ameisen eigen ist, also zum Akzeptieren der bestehenden Verhältnisse, besorgniserregend. Er merkt nicht, dass er auf dem Wege ist, willenlos den Führern im Hintergrunde zu gehorchen, die er praktisch nie zu Gesicht bekommt. Für sie wird er eines Tages vielleicht arbeiten und schuften müssen, seine geringe Freiheit opfern und aufgeben und für ewig und alle Zeiten in dieser Abhängigkeit verharren.
Das ameisenartige Verhalten der Menschen ist aber nicht nur ein kollektives, sondern es lassen sich oft fleißige und zielbewusste Individuen erkennen, die in ihrer erbärmlichen Unruhe nichts anderes tun, als für eine sie ausbeutende höhere Macht zu arbeiten.
Bären (Ursidae)
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Bären trifft der gewöhnliche Bürger in Städten oder in der Natur selten oder nie, sodass unsere Kenntnis dieser Tiere von zoologischen Gärten, Büchern, Filmen, TV usw. stammt. Es gibt Menschen, die sich Löwen und Tiger zumindest eine gewisse Zeit zu Hause halten, bis sie groß werden und Eigenschaften entwickeln, die ein Zusammenleben im gemütlichen Heim nicht mehr gefahrlos erlauben. Aber niemand kommt wohl auf die Idee sich Bären zu Hause zu halten. Sie sind vielleicht doch nicht so leicht zu handhaben, wohl auch schnell zu groß und sperrig für moderne Wohnungen, abgesehen von gewissen Gewohnheiten in ihrem Verhalten, die uns doch sehr fremd und ungewohnt vorkommen.
Aber wir schauen gerne Filme über Bären, und in Zoos bewundern wir ganz besonders die kleineren und niedlichen Arten wie die Pandabären. Die Bewegung dieser Tiere ist trotz ihrer Größe irgendwie zierlich. Selbst riesengroße Exemplare zeigen eine gewisse Anmut und Grazie. Auch zu bewundern ist die Geschicklichkeit und Feinheit, wie Bären mit ihren Tatzen umgehen. Jeder hat es schon gesehen, wie Bären Fische aus dem Wasser ziehen, locker und geübt wie bei Profis. Aber sie holen sich auch Jakobsmuscheln aus dem flachen Meeresboden und verzehren sie in feinster und vornehmster Form, wie man sie nicht einmal bei Menschen so ohne Weiteres findet.
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Die bärenartigen Menschen sind in der Regel groß, wenn auch nicht unbedingt dick. Bei ihnen ist oft ein Bart vorhanden, und in ihrem Verhalten zeigen sie manchmal die typischen groß angelegten Bewegungen, manchmal auch in seitlicher Richtung. Doch auch schmale bärenartige Menschen gibt es, dann ist aber jedenfalls ihr Kopf bedeutend. Sie sprechen deutlich, sehr klar und ausdrucksvoll, eine tiefe Stimme versteht sich von selbst, also machen sie sich bemerkbar durch ein auffallendes Auftreten. Dabei ist ein Element immer vorhanden, nämlich die Freundlichkeit, denn Bären gelten nun mal als freundliche Kreaturen. Kinder spielen gerne mit Bären, wenn auch ihre Stofftiere dann recht klein ausfallen. Teddybären sind nun mal beliebt unter den Kleinen.
Wenn Bärenmenschen sich äußern, dann können sie auch gestikulieren, meist in groß angelegter Weise. Fast immer stellen wir uns männliche Gestalten als Bären vor, dann