Die Liebenden bei den Dünen. Lu Bonauer
in weniger als einer halben Stunde leerten – ihre Stimmen waren leise.
Zuerst ist es vielleicht noch lustig, zischte Romy zu Silas hinüber. Aber dann werde ich immer deprimierter sein, gereizt. Ich kann nicht mehr selbstständig handeln. Ich verstehe nichts mehr, bin pflegebedürftig. Am Ende erkenne ich dich nicht mehr, frage nach Leuten, die schon seit Ewigkeiten tot sind, werde so, dass auch du mich bald nicht mehr kennst. Ich werde gemein. Werfe dir Gegenstände an den Kopf. Fluche wie der Papst, wenn er allein im Weinkeller ist. Sie lachte kurz auf, aber es war mehr ein Schlucken; er sah die Tränen in ihren Augen. Ich habe Panik beim Gedanken, mein Gedächtnis zu verlieren, fuhr sie fort. Es macht mir Angst, dass ich nichts mehr erkennen und benennen kann. Ich möchte gehen, Silas, das Leben ist nur ein Geschenk, wenn es als ganzer Mensch erlebt werden kann. Aber ohne Gedächtnis bist du kein Mensch mehr. Ich will, dass du mich so in Erinnerung behältst, wie ich bin, und nicht, wie ich sein werde.
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Aber ich werde dich begleiten – du weißt schon –, ich lasse dich nicht allein, niemals! Es war das Erste, was Silas nach geraumer Zeit sagte. Was guckst du jetzt so? Ich muss darüber nicht nachdenken. Ich kann und will ohne dich nicht leben.
Ich weiß nicht, sagte sie erbost, ob das umgekehrt auch so wäre.
Für mich ist das aber so!
Ach, Silas – du und deine Sturheit!
Die Gäste schauten jetzt her; ein sich anschweigendes altes Paar hatte nichts Außergewöhnliches, ein sich ankeifendes altes Paar aber offenbar schon.
Was glotzt ihr denn so?, rief Silas aus – dann starrten sie auf die unbenutzten Teller.
Ich bin kein Kind mehr, nahm Silas den Faden wieder auf, ich weiß, was ich tue, du musst mir nur gut zuhören. Ich will dich begleiten. Ich will mit dir den Schritt machen. Es ist meine Entscheidung. Es ist mein Leben.
Also gut, sagte Romy nach einem kurzen Moment der Stille. Vielleicht würde ich es auch so machen.
Denk an unser Versprechen.
Ja, klar, hatte sie leise gesagt, daran erinnerte sich Silas jetzt, als er vom Backofen zurücktrat und wusste, dass er etwas Konkretes tun musste, um dieser Situation Herr zu werden. Aber noch immer war er wie gelähmt.
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Er war bei seiner Entscheidung geblieben – und sie hatte es nach mehreren Versuchen aufgegeben, ihn umzustimmen. Sie kannte seine Unverrückbarkeit, wenn er sich entschieden hatte. Uneinig waren sie sich noch, wann es so weit sein sollte.
Sobald ich dich mit meinem Vergessen zu ärgern beginne. Denn besser wird es nicht, keine Chance, sagte Romy.
Silas gab sich in der folgenden Zeit Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, wenn Romy Gesichter und Gegenstände manchmal nicht mehr erkannte, wenn ihr Namen und Bezeichnungen nicht mehr einfielen. Altvertrautes, Plätze und Straßen wollte sie nur noch ab und zu kennen. Für Silas war das alles in Ordnung, bis er eines Morgens seine Brille im Backofen fand, den sie für ihre Frühstücksbrötchen eingeschaltet hatte.
Verflucht, Romy!, polterte er los – brach dann aber sofort ab. Sie blickte ihn stumm an. Es war alles gesagt.
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