Der exzellente Butler Parker Staffel 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
unter die Pneus. Die Insassen des Rover glaubten sich in die Steilkurve einer Rennbahn versetzt, als ihr Wagen in bedenklicher Schräglage durch tiefes Gras und struppiges Buschwerk schoß.
Dicht unter der Oberkante der Böschung brach der Rover seinen etwas holprigen Geländeritt ab. Ächzend legte sich das Fahrzeug auf die Seite und kollerte mit einer dreifachen Rolle seitwärts an den Straßenrand.
Die beiden Unbekannten schienen noch Glück im Unglück gehabt zu haben.
Parker, der die Kurvenfahrt im Vertrauen auf das Hochleistungsfahrwerk seines schwarzen Monstrums ohne Probleme gemeistert hatte, stoppte hundert Schritte weiter und sah in den Rückspiegel. In wilder Hast kletterten die Männer durch die zerborstene Frontscheibe ins Freie. Anschließend überquerten sie die Straße und tauchten in einem Wäldchen unter. Ehe der Butler eingreifen konnte, war die Roverbesatzung verschwunden.
»Sie sind schuld, Mister Parker!« ereiferte sich Mylady umgehend. »Hätte ich mich nicht auf Sie verlassen, wären die Lümmel nicht entwischt. Sie werden alt, Mister Parker, und von Tag zu Tag hinfälliger.«
»Alt zu werden, ist das Los eines jeden Menschen, sofern der Hinweis erlaubt ist, Mylady«, wandte der Butler höflich ein.
»An mir können Sie sehen, wie man sich jugendliche Frische bis in die reiferen Jahre bewahrt, Mister Parker«, konterte Lady Agatha, die die Sechzig sichtbar überschritten hatte. »Man muß sich ständig Höchstleistungen abverlangen. Das ist das ganze Geheimnis.«
»Mylady werden für meine Wenigkeit stets ein leuchtendes Vorbild darstellen«, versicherte Parker. »Darf man übrigens in diesem Zusammenhang die Frage anschließen, wie Mylady weiter vorzugehen gedenken?«
»Die Kerle sind weg und werden sich so schnell nicht wieder blicken lassen«, meinte Agatha Simpson. »Also verschiebe ich die geplante Maßregelung auf später und fahre erst mal nach Hause. Mein Kreislauf könnte ohnehin eine kleine Stärkung vertragen, Mister Parker.«
»Zweifellos haben Mylady sich Gedanken darüber gemacht, warum die Herren aus dem Rover in so beispielloser Hast die Flucht ergriffen«, spielte der Butler seiner Herrin einen Ball zu, den sie mit der ihr eigenen Geschicklichkeit auffing.
»Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht, Mister Parker«, nickte sie eifrig. »Welche?«
»Falls man nicht irrt, haben Mylady die Möglichkeit erwogen, daß es sich um Kriminelle handeln könnte.«
»Papperlapapp, Mister Parker! Sie sehen Gespenster. Die Lümmel hatten nur Angst vor meiner Rache, weil sie mich beim Überholen so dreist geschnitten haben.«
»Die Herren haben Mylady an einer Kreuzung in unverantwortlicher Weise die Vorfahrt genommen, falls der Hinweis erlaubt ist.«
»Wie auch immer. Kriminelle sind es in jedem Fall. Die Fahrweise der Kerle kann man nur als kriminell bezeichnen.«
»Gegebenenfalls dürfte das Fehl verhalten der Herren im Straßenverkehr nicht der einzige Grund für die Flucht sein, Mylady.«
»Daran habe ich selbstverständlich schon längst gedacht, Mister Parker. Welche weiteren Gründe fasse ich näher ins Auge?«
»Mylady dürften damit rechnen, daß die fraglichen Herren sich den Mühen eines Dauerlaufes unterzogen, um nicht wegen einer kriminellen Handlung belangt werden zu können.«
»Das sind Hirngespinste, Mister Parker! Wenn es wirklich Gangster gewesen wären, hätte mein unfehlbarer Instinkt sofort Alarm geschlagen. Vermutlich waren die Burschen betrunken und wollten ihren Führerschein nicht loswerden.«
»Zweifellos sollte man auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen, Mylady«, räumte der Butler ein. »Gegen eine solche Annahme dürfte allerdings die fahrerische Leistung sprechen, die der Roverlenker bis zu seinem bedauerlichen Unfall zeigte.«
»Wenn Sie ganz genau wissen wollen, daß Sie auf dem Holzweg sind, Mister Parker, gehen Sie doch hinüber und sehen Sie sich den Wagen an«, gestand Lady Agatha ihrem Butler zu. »Ich werde hier warten, bis Sie mir melden, daß Sie nichts Verdächtiges gefunden haben.«
»Man dankt in alle Form für Myladys großzügiges Entgegenkommen«, sagte Parker und verließ den Wagen.
*
In würdevoller Haltung lenkte Josuah Parker seine Schritte zu dem verlassenen Rover hinüber. Der Butler war ein Mann mittleren Alters und durchschnittlicher Statur. Der konventionelle Bowler, der schwarze Zweireiher und der altväterlich gebundene Regenschirm am angewinkelten Unterarm wiesen ihn als Angehörigen eines traditionsreichen Berufsstandes aus. Aber nicht nur Parkers äußere Erscheinung ließ sofort an einen hochherrschaftlichen Butler vergangener Zeiten denken – seine untadeligen Umgangsformen entsprachen diesem Bild in vollkommener Weise.
Der schwarze Rover war zwar wieder auf die Räder gefallen, doch die Spuren der unfreiwilligen Geländefahrt waren nicht zu übersehen. Das elegante Design der Karosserie war nur noch andeutungsweise zu erkennen, die Scheiben zertrümmert. Lehmklumpen, Grassoden und abgerissene Zweige förderten den Eindruck, der Fahrer habe sein Fahrzeug vor neugierigen Blicken tarnen wollen.
Mit kräftigem Ruck öffnete Parker die verklemmte Tür und unterzog das Innere der schwarzen Limousine einer gründlichen Inspektion. Papiere, die Aufschluß über die Insassen gegeben hätten, fanden sich ebensowenig wie Waffen oder verdächtiges Werkzeug.
Schon wollte der Butler die Durchsuchung abbrechen und zu seiner Herrin zurückkehren, als er auf ein Geräusch aufmerksam wurde. Es klang wie menschliches Stöhnen. Dann war ein kraftloses Klopfen zu hören.
Die rätselhaften Laute schienen aus dem Kofferraum des Wagens zu kommen.
Gelassen zog Parker sein kleines Universalbesteck aus der Tasche und ließ den passenden Fühler in das Kofferraumschloß gleiten. Der simple Schließmechanismus gab den Überredungskünsten des Butlers umgehend nach, doch die Haube war verklemmt und ließ sich nicht ohne weiteres öffnen. Erst als Parker einen kräftigen Schraubenzieher ansetzte, gab der Deckel plötzlich nach und sprang auf.
»Was sehe ich denn da, Mister Parker?« Lady Agatha hatte sich im Fond des hochbeinigen Monstrums gelangweilt und war näher getreten. Neugierig schob sie sich in den Vordergrund und beugte sich selbst über den Kofferraum.
»Falls man sich nicht täuscht, Mylady, dürfte es sich um eine junge Dame handeln, die soeben aus tiefer Bewußtlosigkeit erwacht«, gab Parker die gwünschte Auskunft.
»Das sehe ich auch, Mister Parker«, entgegnete die Detektivin unwirsch. »Und wie ist das arme Kind in den Kofferraum dieses Wagens geraten?«
»Dieser Frage sollte man in der Tat mit aller Gründlichkeit nachgehen, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen. »Die Antwort dürfte zugleich Aufschluß darüber geben, warum Fahrer und Beifahrer so überstürzt das Weite suchten.«
»Auf diesen Zusammenhang wollte ich Sie auch gerade aufmerksam machen, Mister Parker«, behauptete die ältere Dame postwendend. »Also hatte ich recht mit meiner Vermutung, daß es sich bei den Burschen um hochkarätige Kriminelle handelt.«
»Diese Möglichkeit sollte man zweifellos ins Auge fassen, falls der Hinweis erlaubt ist«, pflichtete Parker seiner Herrin bei. Vorsichtig hob er die junge Dame, die nur schwache Lebenszeichen von sich gab, aus dem Kofferraum und trug sie zum hochbeinigen Monstrum hinüber.
»Natürlich werde ich umgehend die Spur der Gangster aufnehmen, die dieses bedauernswerte Geschöpf entführen wollten«, verkündete Agatha Simpson, während der Butler seine blonde Last behutsam auf die Polster im Fond des Wagens bettete.
Das Mädchen aus dem Kofferraum stöhnte immer noch leise, ohne die Augen zu öffnen.
»Bezaubernd sieht die Kleine aus«, stellte Agatha Simpson anerkennend fest und musterte das hübsche Gesicht, das von blonden Locken umrahmt wurde.
»Eine Feststellung, die man nur mit allem Nachdruck unterstreichen kann, Mylady«, meinte auch Parker. Er schätzte das Mädchen auf höchstens siebzehn Jahre.
Modische