Der exzellente Butler Parker Staffel 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Wann ist mit dem Erscheinen Ihres Krimis zu rechnen?« wollte der Chief-Superintendent wissen. Ihm war bekannt, daß die ältere Dame schon seit Jahren an diesem geplanten Bestseller schrieb, der allerdings über die erste Seite hinaus noch nicht weiter gediehen war.
»Ich will mich da nicht festlegen, McWarden«, lautete Myladys Antwort. »Momentan befasse ich mich mit Astrologie.«
»Astrologie?« staunte McWarden und machte einen verdutzten Eindruck.
»Ich weiß inzwischen, daß die Sterne nicht lügen, mein lieber McWarden. Oder nur kaum. Ich habe da so meine Erfahrungen gemacht. Aber zurück zu Ihrem Problem. Wo drückt Sie der Schuh?«
»Nun ja, wir sind hinter einem Täter her, der sich Frauenjäger nennt. Sie haben bereits von ihm gehört, Mylady?«
»Habe ich das, Mister Parker?« Sie wandte sich wie selbstverständlich an ihren Butler.
»Mylady geruhen, erstaunt zu sein«, gab Parker gemessen zurück.
»Sie sprachen gerade von einem Frauenjäger, McWarden?« fragte die ältere Dame.
»Ein Kerl, der Frauen terrorisiert«, redete McWarden weiter. »Wir wollen ihm so schnell wie möglich das Handwerk legen, Mylady.«
»Ich brauche Einzelheiten, wenn ich diesen Fall lösen soll«, verlangte sie.
»Es geht da um Terror-Anrufe, um Nachstellungen, um Überfälle in Hoch- und Tiefgaragen«, zählte der Chief-Superintendent auf. »Die betroffenen Frauen sind völlig verängstigt und einem Nervenzusammenbruch nahe.«
»Könnten Mylady Einzelheiten erfahren, Sir?« fragte der Butler. »Handelt es sich um einen Einzeltäter?«
»Das eben wissen wir nicht genau«, bedauerte McWarden. »Deshalb ist die Sache erst mal bei mir im Dezernat gelandet. Sie möchten Einzelheiten hören? Sie sind leider mager genug.«
»Das hatte ich auch gar nicht anders erwartet«, meinte Agatha Simpson bissig. »Wann waren Sie schon je umfassend informiert, mein lieber McWarden? Aber machen Sie sich nichts daraus, schließlich gibt es ja mich. Natürlich werde ich Ihnen wieder aus der Patsche helfen.«
Gegen seinen Willen lief McWarden leicht dunkelrot an.
*
»Werde ich eigentlich verfolgt?« erkundigte sich Lady Agatha eine Stunde später. Es dunkelte bereits. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und war auf dem Weg zu den Docks, um Lem Stiller aus dem Brunnenschacht zu holen.
»Mister Falconer ist in der Tat bereits aktiv«, beantwortete Parker die Frage. »Er dürfte zwei von seinen Leuten auf Mylady angesetzt haben.«
»Wie schön«, freute sie sich. »Es sind natürlich die beiden Lederträger auf dem Motorrad, nicht wahr?«
»In etwa, Mylady«, gab der Butler in seiner höflichen Art zurück. »Es handelt sich um zwei Männer in einem flaschengrünen Ford.«
»Wie auch immer.« Sie räusperte sich explosiv. »Klammern Sie sich gefälligst nicht an unwichtige Kleinigkeiten, Mister Parker. Die beiden Lümmel auf dem Motorrad können ebenfalls zu diesem Gangster aus Soho gehören, oder?«
»Solch eine Möglichkeit sollte man nie ausschließen, Mylady.«
»Und was werde ich mit den Verfolgern machen, Mister Parker? Hoffentlich ist Ihnen bereits etwas eingefallen.«
»Man könnte sie im Brunnenschacht gegen Mister Lem Stiller austauschen.«
»Genau das wollte ich gerade vorschlagen«, lautete ihre obligate Standardantwort. »Nun gut, die Einzelheiten überlasse ich Ihnen. Was halten sie von diesem Frauenjäger? Ich habe mir natürlich längst so meine Gedanken gemacht, wie Sie sich vorstellen können.«
»Mister McWarden erwähnte fünf Frauen, die terrorisiert werden«, erinnerte der Butler. »Zwei von ihnen wurden zusätzlich noch in Hoch- und Tiefgaragen überfallen.«
»Und seit wann geschieht das, Mister Parker?«
»Seit knapp einem Monat, Mylady. In allen Fällen wurden die betreffenden Frauen zuerst per Telefon belästigt, dann eindeutig verfolgt und beschattet. Erstaunlicherweise wurden die beiden überfallenen Frauen nicht beraubt. Man begnügte sich damit, ihre Kleidung in Unordnung zu bringen, um es mal so auszudrücken.«
»Scheußlich«, entrüstete sich die ältere Dame.
»Der Chief-Superintendent geht davon aus, daß sicher mehr als nur die erwähnten fünf Frauen auf solche Art belästigt wurden und werden.«
»Und was vermute ich dahinter, Mister Parker? Habe ich es mit einem geistesgestörten Täter zu tun?«
»Dies ist auf keinen Fall auszuschließen, Mylady.«
»Oder werde ich eine Gang ausheben müssen?« Sie drückte sich sehr fachmännisch aus, denn sie hatte am Vortag erst einen Video-Krimi gesehen.
»Mylady rechnen stets mit allen Möglichkeiten«, stellte Parker fest.
»Das macht mich ja auch so erfolgreich«, lobte sie sich umgehend. »Ich traue diesem Lümmel aus Soho nicht über den Weg, Mister Parker. Er dürfte der Frauenjäger sein.«
»Mister James Falconer sagte immerhin aus, daß er von diesem Frauenjäger weiß und daß die Person seine Geschäfte mit den Betreibern von Hoch- und Tiefgaragen empfindlich stört.«
»Das hat er bestimmt nur gesagt, um von sich abzulenken, Mister Parker, Sie sind und bleiben zu leichtgläubig.«
»Falls Mister Falconer der Frauenjäger ist, Mylady, müßte er handfeste Gründe haben, das weibliche Geschlecht zu terrorisieren.«
»Ich werde sie herausfinden, Mister Parker«, wußte sie mit letzter Sicherheit. »Das ist nur noch eine Frage von wenigen Stunden. Sind die Verfolger auf dem Motorrad noch immer hinter mir her?«
»Nicht unbedingt, Mylady«, antwortete der Butler in gewohnter Höflichkeit. »Die Motorradfahrer sind inzwischen abgebogen, während der flaschengrüne Ford nach wie vor Mylady folgt.«
»Ein reines Ablenkungsmanöver«, behauptete die ältere Dame. »Man will mich nur in Sicherheit wiegen.«
»Wie Mylady zu meinen geruhen«, gab Parker zurück.
*
Es wären zwei ausgesuchte Schläger, die den flaschengrünen Ford verließen.
Man hatte sie zwar eingehend gewarnt und ihnen eingehämmert, die beiden Opfer seien trickreich und wehrhaft, doch das konnten sie sich einfach nicht vorstellen. Während der Fahrt zu den Docks hatten sie eingehend Gelegenheit gehabt, die beiden Insassen des hochbeinigen Wagens in Augenschein zu nehmen.
Sie waren zu dem Schluß gekommen, daß man wohl erheblich übertrieben hatte. Die ältere Dame mit dem skurrilen Hutgebilde und ihr Butler konnten doch keine ernsthaften Gegner sein ...
»Man geniert sich ja fast«, sagte Freddy, einer der beiden Schläger, der das Unternehmen anführte.
»Und denen sollen wir die Knochen brechen?« entrüstete sich Bill. »Mann, da hab’ ich ja direkt ’n flaues Gefühl in der Magengegend.«
»Job is’ Job«, erwiderte Freddy, »der Chef will’s schließlich so.«
Die beiden Spezialisten in Sachen Knochenbruch pirschten sich an den verlassenen Lagerschuppen heran und passierten dabei den hochbeinigen Wagen des Butlers. Sie schlüpften durch ein brandig aussehendes Loch in der Mauer, orientierten sich kurz und entdeckten die Lady, die neben dem Gestänge eines windschiefen, verrosteten Lastenaufzugs stand und sich gerade den Hut richtete.
»Und wo steckt der Butler?« fragte Bill.
»Hinter dem Bretterstapel«, antwortete Freddy. »Weiß der Himmel, was die beiden Typen hier wollen.«
»Okay, jetzt seh’ ich die Melone auch«, meinte Bill. Er ließ den Axtstiel, den er aus dem Ford