Verfluchtes Drachenherz. Inka Loreen Minden

Verfluchtes Drachenherz - Inka Loreen Minden


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Duft wahrnehmen konnte, aber auch seine fast schon übermächtige Präsenz.

      »Bitte nehmen Sie die Reporterin nicht mit. Ich liebe meinen privaten Rückzugsort über alles und möchte, dass es auch so bleibt.«

      »Natürlich!«, stieß sie hervor und widerstand dem Drang, ihren Rücken gegen die staubige Fahrertür zu drücken. »Das kann ich sehr gut verstehen.«

      Himmel, dieser Mann haute sie fast aus den Schuhen, allein wenn er mit ihr sprach. Seine leicht dominante Art faszinierte und erregte sie gleichermaßen.

      Er nickte ernst und ging zu seinem Wagen, während es Fay irgendwie schaffte, ihr Auto zu öffnen und gerade noch rechtzeitig darin Platz zu nehmen, bevor ihre Knie einknickten. Erneut fragte sie sich, worauf sie sich hier bloß einließ.

      Ihre Hände zitterten noch mehr, als sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte und sich anschnallte. Dann behielt sie den Rückspiegel im Auge, bis Loan mit seinem teuren Wagen hinter ihr vorbeirollte. Erst dann startete sie den Mini Cooper und parkte rückwärts aus, um ihm zu folgen.

      Sie verließen die Einfahrt zum Gasthaus und bogen nach rechts auf die Hauptstraße.

      Loan gab ordentlich Gas, sodass sie erst Angst hatte, er wolle sich ein Rennen mit ihr liefern. Aber er hielt sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, und so konnte sie schnell zu ihm aufschließen.

      Schade, dass sie ihn wegen der verdunkelten Scheiben nicht in seinem Wagen erkennen konnte. Behielt er sie über den Rückspiegel im Blick?

      Ständig stahl sich ihre heiße Zukunftserinnerung in ihre Gedanken, wie sich Loan auf sie geschoben und sie geküsst hatte, während sie die Hände in seine breiten Schultern …

      Aufhören!, ermahnte sie sich. Schließlich musste sie sich auf die Straße konzentrieren. Zwar herrschte hier kaum Verkehr, aber sie wollte nicht in einen Graben oder gegen einen Baum fahren. Loan führte sie direkt in den Wald, und ihnen kam nur hin und wieder ein anderes Fahrzeug entgegen. Je weiter sie fuhren, desto verlassener schien die Gegend zu werden, und bei jeder neuen Abzweigung entfernten sie sich weiter von der Zivilisation. Immer tiefer ging es in den Wald hinein. Wenigstens gab es eine geteerte Straße und die Sonne schien. Der tiefblaue Himmel schwebte wie ein Band zwischen den Baumwipfeln. Das Wetter war wirklich traumhaft und Fays Stimmung hob sich. Sie befand sich auf dem Weg zum Haus eines sexy Kerls, mit dem sie sich anscheinend in naher Zukunft in den Laken wälzen würde. Ihr Leben war manchmal wirklich verrückt! Aber auch langweilig, zumindest auf sexueller Ebene hatte sich nie etwas Aufregendes ereignet.

      Hatte sie sich deshalb ein Techtelmechtel mit Caleb erhofft, weil er so groß und stark war und dominant wirkte? Weil sie insgeheim solche Männer bevorzugte?

      Fay wusste es nicht wirklich, weil sie nie mit einem dominanten Mann zusammen gewesen war und diese Art von Sex noch nicht ausprobiert hatte. In ihren früheren und immer nur kurzen Partnerschaften hatte ihr kein Mann jemals gezeigt, wo es im Bett langging. Hatte sie deshalb immer das Gefühl gehabt, es würde in ihrer Beziehung etwas fehlen?

      Hm, am Sex allein konnte es doch nicht liegen, oder? Wahrscheinlich war Mr Right einfach nie dabei gewesen.

      Erhoffte sie sich von Loan mehr? Dass er ihr Mr Right wäre?

      Mensch, Fay, du fährst ihm doch nicht nur hinterher, um Spaß zu haben oder den Mann fürs Leben zu finden!, schalt sie sich. Schließlich hatte ihr eine andere Vision gezeigt, dass hier der richtige Ort sein musste, um mehr über das verschwundene Buch mit den verschlüsselten Aufzeichnungen der beiden Magier Thomas und David Elwood zu erfahren oder zumindest etwas über den Steinfluch der Gargoyles. Die Schuld, nicht gut genug auf dieses wertvolle Relikt aufgepasst zu haben, lastete schwer auf Fay. Sie musste es unbedingt wiederfinden, koste es, was es wolle! Ihretwegen fehlte der bisher beste Hinweis auf eine Lösung, und die Gargoyles, die tagsüber versteinerten, befanden sich weiterhin in Gefahr. Womöglich hätte sogar das Massaker von Notre Dame verhindert werden können, wenn sie das Buch nicht verloren hätte!

      Daran durfte sie gar nicht erst denken … Noir hatte ihr immer wieder zugesprochen, dass es noch Jahre dauern hätte können, bis das Rätsel des Steinfluches überhaupt gelöst worden wäre. Schließlich hatte es selbst David Elwood, der Sohn des Tagebuchschreibers, nie geschafft, alles zu entziffern, was sein Vater im 19. Jahrhundert herausgefunden und codiert hatte.

      Durch einen unglaublichen Glücksfall war das Buch vor drei Jahren in einem antiken Schreibtisch entdeckt und dem Magierrat zugespielt worden. Fay hatte als Historikerin alles gegeben, um die Notizen zu entschlüsseln, aber vielleicht auch zu viel auf einmal von sich selbst gefordert. Sie hatte ihre Eltern endlich stolz machen wollen, stattdessen hatten sie seit dem Diebstahl den Kontakt zu ihr abgebrochen. Sicher schämten sie sich für ihre nichtsnutzige Tochter, die in ihren dreißig Lebensjahren noch nie etwas Besonderes geleistet hatte. Lediglich als sie ihr Studium der Geschichte – das alle Epochen sowohl der magischen wie auch nicht magischen Menschheitsgeschichte umfasste – mit dem Master abgeschlossen hatte, war ihren Eltern so etwas wie ein zufriedenes Lächeln über die Lippen gehuscht.

      Ihre Eltern waren Fay mittlerweile egal, nicht aber die Gargoyles. In Vincents Klan hatte sie viele von ihnen kennen und lieben gelernt. Dort fühlte sie sich aufgehoben. Noir, Vincent, deren Freunde und alle anderen Goyles waren in den letzten Jahren ihre Familie geworden. Fay war unendlich dankbar, dass die berühmte Hexe Noir Hadfield ihr jede Hilfe zur Seite stellte, um das Buch wiederzufinden. Noir glaubte fest daran, dass es nur ein Dämon gestohlen haben konnte, denn schließlich wollten diese fiesen Wesen verhindern, dass das Rätsel des Steinfluches gelöst wurde. Denn sollte das je gelingen, wären ihnen die Gargoyles überlegen: Sie könnten auch tagsüber auf Dämonenjagd gehen und wären den Unterweltlern nie mehr hilflos ausgeliefert.

      Würde eine Aufhebung des Fluches das universelle Gleichgewicht aus dem Lot bringen?

      Die guten und bösen Mächte glichen sich auf die eine oder andere Art immer aus. Das hatte zumindest Quirin Yates behauptet – ein Großmeister eines alten Ritterordens –, der vor Jahren einen Vortrag an ihrer Universität über Dämonen gehalten hatte. Ein Ungleichgewicht der Kräfte könnte sogar die Vernichtung der Weltordnung bedeuten!

      War es eventuell unvermeidbar gewesen, dass das Buch gestohlen wurde?

      Fay fragte sich das immer und immer wieder und fand nie eine Antwort. Womöglich waren sie alle nur eine Zacke in einem riesengroßen Zahnrad. Wenn eine herausbrach, mochte das noch nichts ausmachen, aber sobald es mehr wurden … Vielleicht war Fays Zeit, oder die der Gargoyles, einfach noch nicht gekommen. Wie immer würde sie deshalb alles auf sich zukommen lassen. Etwas anderes blieb ihr ohnehin nicht übrig.

      Kapitel 4 – Balour Castle

      Bereits zwanzig Minuten fuhr Fay nun schon Loan durch den Wald hinterher. Mittlerweile kamen sie an gar keinem Haus mehr vorbei und bloß noch ein Auto war ihnen in den letzten Minuten entgegengekommen. Etwas mulmig war ihr schon zumute, denn wer garantierte ihr, dass sie nicht gerade auf die Einladung eines Mörders hereinfiel?

      Ich brauche keine Angst zu haben, sagte sie sich unentwegt. Sie war eine Hexe und kannte diverse Tricks, um sich auch solch einen großen, starken Mann wie Loan vom Leib zu halten. Wäre sie eine gewöhnliche Frau ohne magische Fähigkeiten, befände sie sich jetzt längst auf dem Rückweg nach London!

      Als sich der Wald plötzlich lichtete und ein riesiges Grundstück mit ausladenden Wiesen, auf denen Obstbäume standen, und eine Art Burgschloss auftauchten, hätte Fay beinahe Loans Wagen gerammt. Hier wohnte er doch nicht etwa?

      Das dreistöckige, aus hellgrauem Stein errichtete Gebäude besaß ein hohes Dach mit mehreren Türmchen, die mit anthrazitfarbenen Ziegeln gedeckt waren. Zu beiden Seiten erkannte Fay einen Erkeranbau und links gab es zusätzlich eine erhöhte Terrasse, auf der man draußen essen konnte. Sie war so groß, dass sie locker dreißig Personen Platz bot. Die Rahmen der hohen Rundbogenfenster waren in einem hellen Gelb gehalten, genau wie einige Elemente der Fassade.

      Loans Zuhause – falls es das wirklich sein sollte – war alles andere als ein Gruselschloss, sondern


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