Liebe verschenkt sich. Elisabeth Büchle

Liebe verschenkt sich - Elisabeth Büchle


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blickte er sich um. Hier gab es zwar Hunderte von Bäumen, aber die, die ans Haus grenzten, waren eindeutig zu groß. Alexander hängte sich die Säge über die Schulter und stapfte tiefer in den Wald. Irgendwo musste es doch eine Schonung mit kleineren Tannen geben. Nach einiger Zeit wurde er fündig und entschied sich für einen schön gewachsenen Baum.

      Während er ihn absägte, musste er immer wieder schmunzeln. Wenn ihn sein Vater jetzt sehen würde, wäre er bestimmt stolz auf ihn und gleichzeitig überrascht, dass diese zarten Autorenhände nicht nur zum Schreiben, sondern auch zu grober Arbeit fähig waren.

      Der Heimweg mit dem Baum, den er hinter sich herzog, war anstrengender als gedacht. Alexander kam heftig ins Schwitzen. An der Hütte angekommen, lehnte er den Baum an die Holzwand. Aufstellen und schmücken würde er ihn erst morgen.

      Am Spätnachmittag legte Alexander Holz im Kamin nach und wollte es sich gerade im Sessel mit einem Buch und einer Tasse Kaffee gemütlich machen, als er aus der Ferne ein Brummen vernahm. In der Stadt hätte er es nicht beachtet, aber in dieser stillen, verlassenen Gegend wirkte es fehl am Platz. Alexander überlegte, wer sich wohl hierher verirren konnte. Die Kinder des Försters auf dem Weg zum Forsthaus? Doch das immer lauter werdende Geräusch passte eher zu einem Motorrad als zu einem Auto. Er ging in die Küche. Von hier aus konnte man auf den Waldweg sehen. Aber draußen war es schon zu dunkel, um etwas erkennen zu können.

      Plötzlich tauchte ein schwacher Lichtschein zwischen den Bäumen auf. Und das brummende Geräusch wurde immer lauter. Wer konnte das sein? Der Postbote? Aber zu dieser Uhrzeit? Und auf einem Motorrad – bei diesem Wetter? Auf einmal war es still, nur das Licht bewegte sich weiter auf die Hütte zu, bis auch das verschwand. Ob die Person wohl umgedreht war? Doch da nahm Alexander ein neues Geräusch wahr. Es hörte sich an, als ob jemand schwerfällig im Schnee ging und etwas neben sich herschob. Und dann klopfte dieser Jemand auch schon kräftig an die Eingangstür und eine Männerstimme rief: „Hallo! Hallo?“

      Als Alexander öffnete, sah er sich einem jungen Mann mit einem vor Kälte geröteten Gesicht gegenüber.

      „Äh, entschuldige, mein Motorrad hat kein Benzin mehr. Und zur nächsten Tankstelle wäre ich vier Stunden zu Fuß unterwegs … Äh, dürfte ich mich vielleicht aufwärmen?“

      Etwas zwielichtige Gestalt, schoss es Alexander durch den Kopf. Er zögerte. Der junge Mann schien sein Zögern zu bemerken.

      „Bitte! Ich bin völlig durchgefroren.“

      „Ja klar, komm rein.“

      „Danke, ich bin Tim.“

      Alexander machte einen Schritt zur Seite, damit der Fremde eintreten konnte. „Am besten setzt du dich gleich vor den Kamin da drüben. Ich mache dir in der Zwischenzeit was Heißes zum Aufwärmen.“

      Dankbar nickte Tim und schälte sich etwas unbeholfen aus seiner nassen Jacke. Alexander ging in die Küche und beobachtete unauffällig, wie sich der unerwartete Gast auf den Teppich vor dem Kamin setzte und sich zitternd die Hände rieb.

      „Was willst du eigentlich hier im Wald“, fragte Alexander, nachdem er Tim eine Tasse mit dampfendem Tee gereicht hatte.

      Tim räusperte sich verlegen. „Äh, ich war auf dem Weg zum Forsthaus, um meine Bewerbung beim Förster abzugeben. Ich konnte mich bis jetzt nicht entscheiden, ob ich wirklich die Ausbildung zum … äh … Forstgehilfen machen soll. Bewerbungsschluss war eigentlich schon am 20. Dezember.“

      Alexander nickte langsam. „Ah, okay … und jetzt wolltest du keine Zeit mehr verlieren und bist deshalb noch so spät am Abend losgefahren.“

      „Ja genau!“, pflichtete Tim ihm eifrig bei und lachte leicht gequält. „Und dann ist mir dummerweise kurz vor deiner Hütte das Benzin ausgegangen.“

      Alexander sah Tim prüfend an. „Tja“, überlegte er laut, „im Dunkeln kommst du sowieso nicht mehr weiter. Du kannst in der Hütte übernachten. Und morgen läufst du entweder bis zum Forsthaus und fragst den Förster, ob er dir einen Kanister mit Benzin leihen kann, oder … oder du bleibst, bis der Förster nach Weihnachten hier vorbeikommt.“ Bevor Alexander begriff, was er Tim gerade ohne groß nachzudenken vorgeschlagen hatte, nahm der das Angebot mit einem überraschten Strahlen im Gesicht an.

      „Dann würde ich tatsächlich noch über Weihnachten bleiben. Wow, vielen Dank für das Angebot!“

      Alexander bereute sofort, was er gesagt hatte, ließ sich aber nichts anmerken. „Klar, kein Problem. Ist vielleicht auch ganz nett, an Weihnachten nicht allein zu sein.“ Auf jeden Fall würde es nicht langweilig werden. Und an seinem Roman wollte er sowieso erst nach den Feiertagen weiterschreiben.

      Am nächsten Abend stellten sie den Weihnachtsbaum neben dem Kamin auf. Als sie bei Kerzenschein Kartoffelsalat mit Würstchen und Brot aßen, fragte Alexander: „Machen sich deine Eltern eigentlich keine Sorgen? Die wissen doch gar nicht, wo du bist. An Heiligabend bist du sonst bestimmt zu Hause, oder?“

      Tim kaute auf seinem Brot herum. „Nee, die vermissen mich nicht. Ich wohne schon lange nicht mehr dort … und auch so … wir kommen nicht so gut miteinander klar.“

      Alexander wollte nicht weiter nachbohren, weil Tim das Thema sichtlich unangenehm war.

      „Hast du was dagegen, wenn ich jetzt die Weihnachtsgeschichte vorlese? Die gehört für mich an Weihnachten dazu.“

      „Okay, mach mal!“

      Alexander nahm seine Bibel zur Hand und begann: „Es begab sich aber zu der Zeit …“

      Während er las, rutschte Tim immer unruhiger auf dem Stuhl hin und her, bis er es nicht mehr aushielt und Alexander unterbrach.

      „Du, ich muss dir etwas sagen. Die Geschichte mit der Bewerbung stimmt nicht. Ich war zwar auf dem Weg zum Forsthaus, aber nicht, um dort eine Bewerbung abzugeben, sondern um ins Forsthaus einzubrechen.“ Tim schluckte. „Das war nicht meine Idee, sondern die meiner Freunde, die sagten, ich müsste erst beweisen, ob ich noch zu ihnen passen würde.“

      Alexander hörte erschrocken zu, sagte aber nichts. Tims Worte überschlugen sich fast, als er weitersprach. „Eigentlich wollte ich ja einen Neuanfang machen, nachdem ich letzte Woche endlich aus dem Gefängnis rausgekommen bin. Aber dann habe ich Frank auf der Straße getroffen. Als meine Eltern mitbekamen, dass ich wieder Kontakt mit meinen Leuten von früher habe, haben sie mich rausgeworfen. ‚Du änderst dich nie!‘, hat mein Vater mir nachgerufen. Ist wahrscheinlich auch so“, stieß Tim heftig hervor.

      Alexander musste erst einmal sacken lassen, was er gerade gehört hatte. Tim saß wie ein Häufchen Elend im Sessel.

      „Jetzt wirfst du mich bestimmt auch raus, oder?“, fragte Tim vorsichtig und wollte schon aufstehen, als Alexander sich räusperte.

      „Nein, ich werfe dich nicht raus.“ Und nach einer kleinen Pause fügte er an: „Ich denke, dass du eine zweite Chance verdient hast.“

      „Wirklich?“, fragte Tim überrascht.

      „Ja, letztendlich geht es an Weihnachten ja genau darum, dass wir Menschen noch eine Chance bekommen. Aus diesem Grund hat Gott seinen Sohn auf die Welt geschickt, denn alleine können wir unsere Schuld nicht loswerden und noch einmal neu anfangen. Gott wollte uns damit zeigen, wie sehr er uns liebt und dass jeder, der möchte, sein Leben mit ihm und anderen Menschen in Ordnung bringen kann.“

      Tim blickte Alexander skeptisch an. Doch nach einer Weile verschwand die Härte aus seinem Gesicht.

      Alexander lächelte. „Ich habe dieses Angebot von Gott schon vor einigen Jahren angenommen. Natürlich mache ich immer noch Fehler, aber es fällt mir viel leichter als früher, gute Entscheidungen zu treffen, weil Gott mir dabei hilft. Und ich weiß, dass er mich liebt, so wie ich bin.“

      Alexander legte ein Holzscheit ins Feuer, das schon fast heruntergebrannt war. Dann sah er Tim wieder an. „Gott liebt auch dich. Er kann dir helfen, dein Leben in Ordnung zu bringen, wenn du das willst.“

      Tim rang sichtlich mit sich und sagte dann mit rauer


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