Seewölfe - Piraten der Weltmeere 664. Fred McMason
wie ein sturer Büffel, der die Gefahr nicht sah oder nicht sehen wollte. Er wirkte hölzern und gleichzeitig lächerlich und so, als ginge ihn das alles gar nichts an.
Dieser Mensch hatte wahrhaftig einen Besen in der Hand und begann in stoischer Ruhe, das brennende Zeug vom Deck zu fegen. Dabei schien er Selbstgespräche zu führen, wie seine zuckenden Lippen bewiesen, und diese Selbstgespräche galten offenbar dem Irrsinn der Welt und der diktatorischen Freundlichkeit seines Capitáns. Vielleicht fluchte er aber auch nur vor sich hin.
„Nun seht euch das an“, sagte der Profos fast entrüstet. „Da steht doch wahrhaftig so ein Einfaltspinsel vor dem brennenden Mast und fegt in aller Seelenruhe das Deck sauber. Nicht zu fassen! Hat der Kerl jetzt nichts Besseres zu tun? Jetzt brennt auch noch sein Besen!“
Der Mann zuckte zurück, betrachtete ungläubig den brennenden Besen und warf ihn kopfschüttelnd über Bord. Inmitten der lodernden Fackel verschwand er über einen Niedergang nach unten und tauchte gleich darauf mit einem neuen Besen in der Hand wieder auf. So, als hätte er sie gar nicht unterbrochen, setzte er emsig seine Arbeit fort.
„So dämlich ist der gar nicht“, sagte Hasard. „Er fegt die brennenden Kugeln des Brandsatzes durch die Speigatten. Mir scheint, daß der Mann sehr überlegt handelt.“
„Immerhin versucht er es und rennt nicht blindlings davon.“
Dem Feger war inzwischen klargeworden, daß auch sein zweiter Besen bald Feuer fangen mußte. Er stellte ihn mit den Borsten nach oben und hievte eine Pütz Wasser hoch. In die tunkte er den Besen und fegte anschließend in aller Seelenruhe weiter. Es schien sich um einen stoischen Gemütsmenschen zu handeln, den nichts erschüttern konnte.
Immerhin gelang es ihm zum Erstaunen der Seewölfe, den größten Teil der Kuhl vom Feuer zu befreien, und als er den Erfolg sah, verdoppelte er seine Anstrengungen.
Nicht mal ein brennender Segelfetzen, der ihm ins Genick fiel, konnte seine Aktivitäten bremsen. Der Mann stellte den Besen hin, schlug sich mit der Hand ins Genick, als habe ihn dort eine Hornisse gestochen, und fegte weiter. Lediglich das Genick zog er etwas ein.
„So einen müßte man sich ausstopfen und unter Glas stellen“, meinte Carberry nachdenklich. „Was hat er denn jetzt vor?“
Der Mann im Brustpanzer steckte seinen Besen in die Pütz. Um das Gebrüll und Geschrei kümmerte er sich ebensowenig wie um sein lichterloh brennendes Umfeld. Er blickte genau in die Richtung der Bucht, wo die Schebecke lag, und starrte dann nachdenklich auf eine Kanone, deren Mündung in die Bresche zeigte. Zweifellos konnte er die Schebecke in der Bucht sehen.
„Der wird doch nicht …“, ächzte Carberry.
Der Kerl tat es. Er ging zu der Culverine, visierte einmal kurz und schnappte sich ein brennendes Stückchen Holz, an dem er sich fast die Finger versengte. Noch einmal blickte er zu der passageähnlichen Durchfahrt.
Was er sah, stimmte ihn offenbar zufrieden. Er hielt den brennenden Span an das Zündloch der Culverine und trat gemächlich zur Seite.
Aus dem Rohr zuckte ein mehr als yardlanger Blitz, der in dem brennenden Inferno kaum auffiel.
Das Rohr zuckte wild zurück und spie außerdem eine dunkle Rauchwolke aus.
Der erstaunliche Mensch kümmerte sich nicht weiter darum. Er schnappte sich seinen Besen und fegte weiter, als wollte er alles Übel aus der Welt demonstrativ entfernen.
Durch die Bresche zwischen den Mangroven raste ein Siebzehnpfünder heulend heran. Er nahm noch ein paar der Stelzwurzeln mit und schlug dann etwas seitlich von der Schebecke ins seichte Wasser.
Eine Säule aus Schlamm und Dreck spritzte hoch. Der Schlick explodierte buchstäblich. Schwarze Schlammspritzer flogen auf das Deck der Schebecke und bekleckerten ein paar Arwenacks, die verblüfft an sich hinunterstarrten.
„Eine völlig neue Art der Seekriegsführung“, sagte der Seewolf trocken. „Wenn Garcia noch mehr von den Kerlen hätte, wäre das Feuer längst unter Kontrolle. Dieser Mensch scheint an verkapptem Heldentum zu leiden. Er sieht, daß eine Kanone gerade im günstigen Winkel steht, und feuert sie sogleich ab, um die Chance auszunutzen, dem Gegner noch schnell eins zu verpassen.“
Der Mann sah nur einmal kurz herüber, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Über einen Zufallstreffer hätte er wahrscheinlich nicht mal gejubelt, sondern ihn nur gelassen zur Kenntnis genommen. Der Mißerfolg konnte ihm ebenfalls keine Regung entlocken. Für ihn war die Sache damit offenbar erledigt.
Der Kerl erregte die Gemüter der Arwenacks ganz beträchtlich, denn er schien aus einem Holz geschnitzt zu sein, das sie noch nicht kannten. Vielleicht wuchs es irgendwo auf einer geheimnisvollen Insel.
Am meisten ereiferte sich natürlich wieder mal der Profos, der eine ganz besondere Schwäche für solche Typen hatte, die selbst die persönliche Anwesenheit des Teufels nicht erschüttert hätte.
„Jetzt weiß ich, was man unter Fegefeuer versteht“, sagte er. „Der Kerl ist das Sinnbild dafür. Man sollte ihn El purgatorio nennen.“
Für einen kurzen Augenblick grinste der Spanier Don Juan de Alcazar belustigt, der die Feinheiten der spanischen Sprache am besten von allen kannte.
„Das würde dir ein Bordgeistlicher nie verzeihen, Ed“, sagte er. „Purgatorio ist, versinnbildlicht, der religiöse Ausdruck für das Fegefeuer. Aber der Mann ist echt und kein Symbol.“
Carberry überlegte nicht lange.
„Dann ist er eben El terco búfalo, der sture Büffel.“
„Das hört sich schon besser an.“
Von da an hatte der merkwürdige Seemann seinen Namen weg, ohne daß er die geringste Ahnung davon hatte.
Es hätte ihn wohl auch nicht sonderlich berührt, denn er fegte inmitten des wüsten Infernos ungerührt weiter.
Für den Kommandanten der spanischen Kriegsgaleone „Aguila“, César Garcia, war der Überraschungsangriff ein kompliziertes Manöver, aber er traute sich durchaus zu, damit fertig zu werden. Gleich beim Einlaufen in die Bucht würde er seine Kanonen sprechen lassen und die Schebecke zusammenschießen.
Das Manöver klappte auch hervorragend. Seine Mannschaft war gut eingespielt und verläßlich. Außerdem verstand jeder das Kriegshandwerk. Er hatte seine Männer schließlich bis zur Ermattung immer wieder hart und unnachgiebig gedrillt.
Sie rundeten in einem weitauslaufenden Bogen den oberen Zipfel der Bucht und segelten hinein.
Das erste, was Garcia sah, war die Schebecke des verhaßten Seewolfs. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Das Schiff wurde von zwei Jollen in Schlepp genommen und bewegte sich auf eine Lücke des Urwalds zu, die anscheinend in einen Nebenarm des Tapti führte. Zusätzlich wurde die Schebecke noch mit Langriemen gerudert.
Es sah ganz so aus, als würde El Lobo del Mar im allerletzten Augenblick durch diese Lücke entwischen. Daß die schwere Galeone nicht die geringste Chance hatte, die enge Durchfahrt zu passieren, sah Garcia auf Anhieb.
Dieser englische Bastard durfte nicht mehr entkommen. Er war hilflos und angeschossen und konnte sich nur noch durch eine ziemlich lahme Flucht absetzen.
Für Garcia war es die Chance seines Lebens, den Seewolf zu erledigen.
Das würde ihm außer einer fetten Belohnung auch eine Beförderung und die Bewunderung aller einbringen.
„Feuer!“ rief er schrill.
Insgeheim wußte er, daß die Kugeln aus diesem Winkel nicht treffen würden. Sie mußten zu kurz liegen, doch er wollte wenigstens zum Zweck der Einschüchterung das Feuer eröffnen, um den englischen Bastard an der Flucht zu hindern.
Die verantwortlichen Stückmeister erkannten ebenfalls, daß der Winkel für einen gezielten Schuß ungünstig war. Aber der Feuerbefehl mußte befolgt werden, auch wenn er noch so unsinnig erschien.
Die Stücke brüllten auf. Eine Wolke aus beizendem Qualm legte sich