Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf

Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf


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waren und Heu auf den Schober geworfen hatten, brannten jetzt vor Begierde, diesem Dieb Ingilbert einen tüchtigen Denkzettel zu geben.

      Sie waren aber gerade bis dahin gekommen, wo die großen Fichten, die seit Urzeiten hier aufragten, so dicht beieinanderstanden, dass sie ein ununterbrochenes grünes Dach über die Erde breiteten, unter dem das ganze Unterholz eingegangen und der Boden nur noch mit Moos bedeckt war, als sie drei Männer auf sich zukommen sahen, die eine aus Zweigen verfertigte Bahre trugen, auf der ein vierter Mann lag.

      Der Rittmeister und seine Schar liefen rasch auf sie zu, und die Träger machten halt, als sie eine solche Menge Menschen daherkommen sahen. Sie hatten einige große Farnkrautzweige über das Gesicht des auf der Bahre Liegenden gebreitet; es konnte niemand sehen, wer es war, die Leute von Hedeby aber glaubten es doch zu wissen, und ihnen allen lief ein kalter Schauder über den Rücken.

      Sie sahen zwar nicht den alten General neben der Bahre. O nein! Nicht einmal seinen Schatten! Trotzdem aber wussten sie: Er war gegenwärtig. Er war mit dem Toten aus dem Wald heruntergekommen. Er stand da und deutete mit dem Finger auf ihn.

      Die drei Männer, die die Bahre trugen, waren wohlbekannte, angesehene Leute. Es war Erik Ivarsson, der einen großen Hof in Olsby hatte, mit seinem Bruder Ivar Ivarsson, der unverheiratet geblieben war und noch immer bei seinem Bruder auf dem väterlichen Hof wohnte. Diese beiden waren schon bejahrte Leute; der dritte aber von ihnen war ein noch junger Mann. Auch er war dem Rittmeister und seiner Schar wohlbekannt. Er hieß Paul Eliasson und war ein Pflegesohn der Ivarssöhne.

      Der Rittmeister trat zu den Ivarssöhnen, und sie setzten ihre Bahre nieder, um ihn zu begrüßen und ihm die Hand zu geben. Aber es war, als sähe der Rittmeister die ausgestreckten Hände nicht. Er konnte kein Auge von den Farnkräutern abwenden, die das Gesicht des auf der Bahre Liegenden bedeckten.

      »Ist es Ingilbert Bårdsson, der hier liegt?«, fragte der Rittmeister mit sonderbar harter Stimme. Es klang fast, als spräche er gegen seinen Willen.

      »Ja, er ist es«, antwortete Erik Ivarsson. »Aber wie kann der Herr Rittmeister das wissen? Hat der Herr Rittmeister ihn an den Kleidern erkannt?«

      »Nein«, antwortete der Rittmeister, »ich habe ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen.«

      Sowohl seine eigene Gefolgschaft, als auch die drei anderen Männer warfen nun verwunderte Blicke auf den Rittmeister. Alle meinten, er habe an diesem Morgen etwas Sonderbares und Unheimliches an sich; er war gar nicht so leutselig und freundlich, wie er sonst zu sein pflegte.

      Und nun fing er an, die Ivarssöhne einer Art von Verhör zu unterwerfen. Was sie denn zu dieser frühen Morgenstunde im Wald zu schaffen gehabt hätten, und wo sie mit Ingilbert zusammengetroffen seien? Die Ivarssöhne aber waren Großbauern, und es passte ihnen nicht, sich in dieser Weise ausfragen zu lassen; das Hauptsächlichste aber bekam der Rittmeister doch aus ihnen heraus.

      Sie waren am vorhergehenden Tag mit Mehl und anderen Nahrungsmitteln zu ihren Leuten auf die mehrere Meilen tiefer im Wald liegende Alm hinaufgestiegen und hatten dort übernachtet. In aller Frühe hatten sie sich wieder auf den Heimweg gemacht, und da war Ivar Ivarsson den beiden anderen etwas vorausgegangen. Ivar war nämlich Soldat gewesen, und so verstand er die Kunst, tüchtig auszuschreiten; es fiel niemand leicht, mit ihm Schritt zu halten.

      Als Ivar Ivarsson den anderen nun ein gutes Stück voraus war, hatte er auf dem Pfad einen Mann auf sich zukommen sehen. Der Wald war da ziemlich gelichtet gewesen, ohne Unterholz, mit nur großen Stämmen, und so hatte Ivar Ivarsson den Mann schon von Weitem erblickt, ihn aber nicht sofort erkannt. Es zogen Nebelschwaden zwischen den Baumstämmen hin, und wenn die Sonne darauf schien, wurden sie zu einem gelblichen Rauch. Man konnte wohl durch sie hindurchsehen, aber nichts ganz deutlich erkennen.

      Ivar Ivarsson hatte aber gemerkt, dass der Daherkommende, als er ihn durch den Nebel hindurch sah, stehen blieb und wie im größten Schreck abwehrend die Hände ausstreckte. Ja, als Ivar noch ein paar Schritte gemacht hatte, war er auf die Knie gesunken und hatte ihm zugerufen, er solle ihm ja nicht näher kommen. Es hatte ja den Anschein gehabt, als sei er nicht ganz richtig im Kopf, und Ivar Ivarsson hatte eben auf ihn zueilen wollen, um ihn zu beruhigen; doch der andere war schon aufgesprungen und eiligst in den Wald hineingeflohen. Er hatte aber erst ein paar Schritte gemacht, als er fast jählings umsank und regungslos liegen blieb. Als Ivarsson ihn erreichte, war er schon tot.

      Ivar Ivarsson hatte nun in dem Mann Ingilbert Bårdsson erkannt, den Sohn jenes Bård Bårdsson, der früher in Olsby gewohnt hatte, dann aber auf eine Sommeralm gezogen war, nachdem sein Gehöft von einer Feuersbrunst eingeäschert worden war und seine Frau sich ertränkt hatte. Es war ihm ganz unbegreiflich, wie sich alles so rasch zugetragen hatte. Ingilbert war einfach tot niedergefallen, ohne dass ihn eine Hand berührt hätte; Ivar selbst hatte versucht, ihn durch Schütteln wieder ins Leben zurückzurufen, aber es war ganz ohne Erfolg geblieben. Als die anderen herangekommen waren, hatten sie sofort gesehen, dass der Mann tot war. Da aber die Bårdssöhne früher in Olsby ihre Nachbarn gewesen waren, hatten sie Ingilbert nicht im Wald liegen lassen wollen, sondern eine Bahre zurechtgemacht und ihn mitgenommen.

      Der Rittmeister hatte das alles mit finsterer Miene angehört.

      Er fand alles durchaus glaubwürdig. Ingilbert lag da vor ihm wie für eine längere Wanderschaft ausgerüstet mit einem Ränzel auf dem Rücken und Schuhen an den Füßen. Der Bärenspieß, der auf der Bahre lag, gehörte wohl auch ihm. Sicherlich hatte er in ein fremdes Land reisen wollen, um dort den Ring zu verkaufen; als er aber in der Dämmerung des Waldes Ivar Ivarsson herankommen sah, hatte er gemeint, den Geist des Generals zu erblicken. Ja, gewiss, so war es zugegangen. Ivar Ivarsson trug einen alten Soldatenrock, und seine Hutkrempe war nach der Art der Karlskrieger aufgebogen. Die Entfernung, der Nebel und das schlechte Gewissen erklärten den Irrtum.

      Der Missmut des Rittmeisters aber beherrschte diesen noch immer; er hatte sich in Zorn und Blutdurst hineingesteigert. Am liebsten hätte er jetzt Ingilbert Bårdsson zwischen seinen starken Armen zerdrücken wollen. Er brauchte einen Ableiter für seine Rachsucht, fand aber keinen.

      Er sah jedoch selbst ein, wie unbillig das war, und er bezwang sich so weit, dass er den Ivarssöhnen erzählte, warum er an diesem Morgen mit seinen Leuten in den Wald gezogen war. Und er fügte hinzu, er wolle jetzt gleich untersuchen, ob der Tote den Ring noch bei sich habe.

      Es war ihm wahrhaftig so zumut, dass er wünschte, die Olsbymänner würden sich dem widersetzen, sodass er dann um sein Recht kämpfen müsste. Sie aber fanden sein Verlangen recht und billig und traten auch etwas zur Seite, während zwei von des Rittmeisters eigenen Leuten die Taschen des Toten sowie seine Schuhe, sein Ränzel und jede Falte seiner Kleider genau untersuchten.

      Am Anfang folgte der Rittmeister der Untersuchung mit der größten Aufmerksamkeit; einmal aber wanderte sein Blick zufällig zu den Bauern hinüber, er meinte zu sehen, wie sie höhnische Blicke miteinander wechselten, als ob sie sicher wären, dass nichts gefunden würde.

      Und so war es auch. Man musste schließlich das Suchen aufgeben, ohne den Ring gefunden zu haben. Da aber wendete sich der Verdacht des Rittmeisters ganz natürlich gegen die Bauern. Und ebenso war es bei seinen Leuten. Wo war der Ring hingekommen? Ingilbert hatte ihn doch sicher bei sich gehabt, als er sich auf und davon machte. Wo mochte das Kleinod nun sein?

      Auch jetzt sah niemand den General; aber man spürte ihn. Er stand mitten in dem Kreis und deutete auf die drei Olsbymänner; sie hatten ihn. Jawohl, das war ja mehr als denkbar; sie hatten vorher die Taschen des Toten untersucht und da den Ring gefunden.

      Und noch etwas war auch denkbar: Die Geschichte, die sie eben vorgebracht hatten, war gar nicht wahr, sondern es war alles ganz anders verlaufen. Diese Männer, die aus demselben Dorf wie die Bårdssons waren, hatten vielleicht etwas davon gewusst, dass diese den Ring besaßen. Sie hatten möglicherweise erfahren, dass der alte Bård gestorben war, und als sie nun im Wald mit seinem Sohn zusammentrafen, hatten sie sich gleich gedacht, er werde mit dem Ring fliehen wollen. Da hatten sie ihn überfallen und umgebracht, um sich des Schatzes zu bemächtigen.

      Es war keine andere Verletzung an dem Toten zu sehen als eine kleine


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