Fear Street 59 - Der Angeber. R.L. Stine
herein. „Oh, hi, Mrs Carlson.“ Er war so verdattert, dass er wieder rote Ohren bekam.
In beiden Armen eine braune Einkaufstüte, trat meine Mutter in die Küche. „Hallo, alle zusammen. Ich bin heute ausnahmsweise ein bisschen früher dran.“
Al nahm ihr die Tüten ab und stellte sie auf den Küchentresen.
Meine Mutter wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hat die gleichen dunkelbraunen Haare und die gleichen großen braunen Augen wie ich – das war’s dann aber auch schon mit unseren Gemeinsamkeiten.
Meine Mutter behauptet immer, ich hätte große Ähnlichkeit mit Demi Moore.
Ich finde, sie sollte sich besser mal eine Brille zulegen.
„Du bist in letzter Zeit aber ein ziemlich seltener Gast bei uns“, sagte meine Mutter zu Al.
„Ich war ziemlich im Stress“, antwortete Al, der immer noch feuerrote Ohren hatte. Dann verabschiedete er sich schnell und hastete zur Tür hinaus.
„Warum ist er denn ganz in Schwarz? Ist jemand gestorben?“, fragte meine Mutter erstaunt.
Wir kamen nicht mehr dazu zu antworten, denn plötzlich schrie sie entgeistert auf und zeigte wutschnaubend auf den Fußboden.
Mir war sofort klar, was los war: Sie hatte die Zigarette entdeckt, die Al einfach fallen gelassen hatte.
„Mom …“, begann ich.
Sie bückte sich und hob sie mit wutverzerrtem Gesicht auf. „Die brennt ja noch!“
„Das war Al!“, rief ich. „Wir haben nicht geraucht. Die Zigarette gehört Al!“
„Das stimmt, Mrs Carlson“, sagte Hillary. Taylor und Hillary standen mit betretenen Gesichtern herum. Am liebsten wären sie vom Erdboden verschluckt worden. Schließlich hatten sie schon öfter miterlebt, wie meine Mutter wegen einer Sache, die ihr nicht in den Kram passte, völlig ausrastete.
„Es ist mir völlig egal, wer von euch hier geraucht hat, Julie“, sagte meine Mutter mit steinernem Gesichtsausdruck und sprach jedes einzelne Wort betont langsam aus. „Die Verantwortung dafür liegt bei dir, wenn ich nicht zu Hause bin, und …“
Laut seufzend brachte sie die Zigarette zum Spülbecken.
„Eine Bierdose auch noch?“, schrie sie schrill.
„Die ist auch von Al!“, riefen Taylor und ich im Chor.
Hillary drückte sich gegen die Wand und sah aus, als wäre sie am liebsten mit der Blümchentapete verschmolzen.
„Du hast sie einfach ins Spülbecken geworfen?“, sagte meine Mutter bedrohlich leise.
Ich setzte zu einer Antwort an, aber was hatte es schon für einen Zweck? Mir war klar, dass ich dick in der Tinte saß.
Es spielte keine Rolle, dass die Bierdose und die Zigarettenkippe auf Als Konto gingen. Seit meine Mutter Hillary und mich in meinem Zimmer beim Rauchen erwischt hatte, traute sie mir sowieso nicht mehr über den Weg.
Ich bin mir sicher, dass sie glaubt, es ginge hier drunter und drüber, wenn sie nicht da ist. Und nun kommt sie nach Hause und findet offenbar ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
„Julie, das bedeutet Hausarrest für dich am Wochenende“, sagte meine Mutter mit gepresster Stimme. Ihr Kinn zuckte, und sie sprach betont ruhig, weil sie versuchte, ihre Wut in den Griff zu bekommen.
„Nein! Das kannst du mir nicht antun!“, rief ich. Ich merkte selbst, dass meine Stimme einen völlig verzweifelten Klang hatte, aber ich konnte mich nicht zusammenreißen.
„Die Party!“, protestierte ich. „Revas Party! Mom, wenn du mir Hausarrest gibst, verpasse ich die Party!“
Meine Mutter legte einen Finger auf ihren Mund. „Kein Wort mehr!“
„Das kannst du doch nicht machen!“, jammerte ich. „Ich bin siebzehn, und ich will Revas Party nicht –“
„Ich dulde es nicht, dass Freunde von dir herkommen und in meiner Abwesenheit Bier trinken und Zigaretten rauchen“, schrie meine Mutter mich an und explodierte nun doch. „Und wenn es eine Party im Buckingham-Palast wäre – es interessiert mich nicht! Du bleibst zu Hause! Dann verpasst du die Party eben. Noch ein Widerwort, und du gehst mir die ganzen nächsten zwei Wochen nirgends mehr hin!“
Ich fuchtelte mit den Fäusten in der Luft herum und ließ einen Wutschrei los. Hillary und Taylor sahen aus lauter Mitleid mit mir verlegen weg.
„Daran ist ganz allein Al schuld!“, dachte ich innerlich kochend. Dieser miese Kerl! Das habe ich ganz allein ihm zu verdanken!
Was für ein schrecklicher Nachmittag!
Ich glaube, an diesem Tag war uns dreien – Hillary, Taylor und mir – genau gleich zumute: Wir hätten Al umbringen können.
Natürlich konnten wir unmöglich ahnen, dass Al zwei Wochen später tatsächlich nicht mehr am Leben sein würde.
Kapitel 3
So kam es also, dass ich die Party verpasste.
Ob ich das meiner Mutter wohl je verzeihen kann? Allerfrühestens in zehn Jahren vielleicht.
Hillary verkündete, es sei die tollste Party unserer gesamten Schulzeit an der Shadyside High-School gewesen. Sie neigt eben manchmal zu kleinen Gehässigkeiten.
Sie hätte die Party ja auch aus Rücksicht auf mich als den langweiligsten Abend ihres ganzen Lebens hinstellen können. Stattdessen rieb sie mir unter die Nase, wie sensationell die zwei Bands gespielt hätten, dass sie bis zwei Uhr morgens nicht mehr von der Tanzfläche gekommen sei und dass sie danach im Mondschein im beheizten Swimmingpool der Dalbys geschwommen wäre. Noch nie hätte sie sich so gut amüsiert, und alle hätten sich ständig bei ihr erkundigt, wo ich denn eigentlich bliebe.
Ich flehte Hillary an, nie wieder auch nur ein Sterbenswörtchen über die Party zu verlieren. Das war jetzt eine Woche her, und sie hielt ihr Versprechen – bis wir am Freitag nach der Schule die Canyon Road entlang zu Sandy gingen.
Die tief hängenden Wolken verhießen Regen. Es war nasskaltes, ungemütliches Wetter. Der Winter schien noch einmal zurückgekommen zu sein.
„Ich verstehe Taylor und Sandy einfach nicht“, fing Hillary an.
Ich rückte meinen Rucksack, der geradezu überquoll vor Hausaufgaben, die ich am Wochenende erledigen wollte, auf den Schultern zurecht. „Was ist denn mit den beiden?“, fragte ich und war mit den Gedanken bei meiner Projektarbeit in Geschichte.
„Na ja, du hättest sie mal auf Revas Party erleben sollen“, fuhr Hillary fort.
Ich blieb stehen und packte sie am Ärmel ihres blauen Pullovers. „Du hast es versprochen – kein Wort mehr über die Party!“
Sie zog den Arm weg. „Ich rede doch gar nicht von der Party, Julie, sondern von Taylor und Sandy.“
„Mhm … was ist denn mit ihnen?“, fragte ich mürrisch.
„Ich hab sie auf der Party beobachtet“, sagte Hillary. „Es war wirklich ein Bild des Jammers. Sandy ist Taylor wie ein Hündchen auf Schritt und Tritt gefolgt. Und Taylor hat kaum ein Wort mit ihm gesprochen. Sie war ja auch schwer damit beschäftigt, sich um die anderen Jungen zu kümmern, die hinter ihr her waren.“
„Sie flirtet eben gern“, versuchte ich Taylor in Schutz zu nehmen. Im Laufschritt liefen wir über die Straße, bevor die Ampel wieder auf Rot sprang.
„Es war widerlich“, beharrte Hillary. „Du hättest sehen sollen, wie sie mit Bobby Newkirk getanzt hat. Und dann hab ich mitgekriegt, wie sie mit einem Jungen, den ich noch nie gesehen habe, hinter der Garage herumgeknutscht hat.“
„Oh, hm“, murmelte ich. „Und was hat Sandy gemacht?“
„Ist