ARKADIA. Bernhard Kempen

ARKADIA - Bernhard  Kempen


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sich ein Adrian Ginjeet nicht von solchen Dingen erschüttern lassen sollte.

      Dann kommen unsere Getränke. July tätschelt ungeniert den Po des Kellners, während er uns den Mooslikör serviert. Dabei handelt es sich um eine der wenigen arkadischen Spezialitäten auf der hiesigen Speise- und Getränkekarte. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wirklich Alkohol drin ist, aber das Zeug schmeckt richtig gut.

      Im folgenden Gespräch erfahre ich, dass Fawn siebzehn Jahre alt und der Sohn von June ist. Insgesamt beläuft sich die Schar von Julys ausschließlich weiblichen Geschwistern auf ein glattes Dutzend. Die älteste der Damen wird January gerufen, und die jüngste hört auf den Namen December.

      Die Mutter der Schar ist übrigens die mittlerweile sechzigjährige Adventia Frypp, die kurz nach der Ankunft der ersten Siedler auf dem Planeten geboren wurde und sich rühmen darf, die älteste waschechte Arkadierin zu sein. Der Legende nach kam ihr erstes Töchterlein eher zufällig im Januar zur Welt, worauf die damals noch blutjunge Adventia den verwegenen Plan fasste, ihre weiteren Sprösslinge in den Folgemonaten der nächsten Jahre zu gebären. Ganz hat es nicht geklappt, da April und May versehentlich Ende März beziehungsweise Anfang Juni entbunden wurden, doch bei den folgenden Kindern konnte die Ordnung wiederhergestellt werden. Trotz dieser bemerkenswert konsequenten Familienplanung scheint Adventia nie einen Sinn für feste Beziehungen entwickelt zu haben, da sie sich für jeden Zeugungsprozess einen neuen Spender erwählte.

      Julys Vater dagegen hat es nicht lange auf Arkadia ausgehalten und ist kurz nach seiner Liaison mit Adventia zur Erde zurückgekehrt. July ist ihm nie persönlich begegnet und hat bisher nur ein paar Botschaften über Stringfunk mit ihm ausgetauscht, womit sie jedoch nicht die geringsten Probleme zu haben scheint. Die Arkadier finden ihren Rückhalt nicht so sehr in traditionellen, stabilen Familienbeziehungen, sondern in der Gemeinschaft, die wiederum eine einzige große Familie ist, da fast alle Arkadier irgendwie miteinander verwandt, versippt oder verschwägert sind, wie es scheint.

      July selbst ist Mitte dreißig und arbeitet als Planetografin an der Universität. Sie hält alle wichtigen Daten über Arkadia auf dem aktuellsten Stand und springt nebenbei als Reiseführerin ein, wenn sich tatsächlich einmal ein Besucher nach Arkadia verirrt.

      »Und diese … wie hieß sie noch gleich? … Greedy? Gehört sie auch zu deiner Verwandtschaft?«, frage ich.

      »Nein, Greedy ist ein Unikum, in jeder Hinsicht«, erwidert July kopfschüttelnd. »Sie scheint dir zu gefallen, wie?«

      Ich zucke lässig mit den Schultern. »Sie macht einen ganz netten Eindruck. Ich habe mir eigentlich nie Gedanken darüber gemacht, ob ich Frauen mit einer bestimmten Haarfarbe vorziehe, aber Haare sollten sie schon haben.«

      »Mit Haaren stelle ich es mir widerlich vor«, sagt Fawn. »Insbesondere beim Sex.«

      »Greedy hätte da bestimmt keine Bedenken«, entgegnet July.

      »Greedy!«, ruft Fawn mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Greedy vögelt doch alles, was ihr zwischen die Beine kommt!«

      Die beiden liegen praktisch am Boden vor Lachen.

      »Diese Dame scheint ja einen interessanten Ruf zu haben«, versuche ich meine erwachte Neugier vorsichtig zum Ausdruck zu bringen.

      »Ist dir eigentlich klar, was es bedeutet, wenn die Arkadier jemanden ›gierig‹ nennen?«, fragt July, nachdem ihr Lachanfall vorbei ist.

      »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht …«, sage ich.

      »Weil selbst die Arkadier über ihre ausgeprägte Libido staunen«, erklärt July. »Angeblich hat sie bereits die Beine breitgemacht, bevor sie richtig damit laufen konnte.«

      Fawn nickt und schmunzelt leise vor sich hin. »Man sagt, dass sie schon als Säugling lieber an den Pimmeln ihrer Spielkameraden als am eigenen Daumen gelutscht hat.«

      »Du musst es ja wissen!«, sagt July lachend.

      Nach diesen Anekdoten, deren Wahrheitsgehalt ich stark anzweifle, erfahre ich, dass weder Greedys Eltern noch ihr genaues Alter bekannt sind. Man vermutet, dass sie etwa sechs Monate alt war, als sie vor knapp neunzehn Jahren von einem alten Arkadier namens Suma als schreiender Säugling mitten in der Wildnis entdeckt wurde. Der alte Einsiedler hat das Kind aufgezogen und ist offenbar vor einigen Jahren gestorben, wie ich den Erzählungen der beiden entnehme.

      »Greedy ist ein Wunderkind mit zahlreichen Talenten«, sagt July. »Sie hat viel vom alten Suma gelernt. Zurzeit studiert sie Handelswirtschaft und Raumfahrttechnik. Ich fürchte, wenn sie damit fertig ist, wird sie es nicht mehr lange auf Arkadia aushalten.«

      »Das kann ich mir denken«, sage ich, »nachdem sie inzwischen sämtliche männlichen Bewohner von Arkadia verschlissen haben dürfte.«

      »Nicht nur die Männer …«, erwidert July grinsend.

      »Hallo, wie geht’s?«, werden wir von einer jungen Frauenstimme unterbrochen. Ein schlankes, fast mageres, hellhäutiges Wesen drängt sich zwischen July und Fawn, um beide fest an sich zu drücken. »Ich bin wieder da!«

      »Hallo, Sylphe!«, sagt July. »Ich dachte, du kommst erst morgen zurück.«

      »Wir konnten das Projekt schneller als geplant abschließen. Du wirst staunen, wie viele neue Daten wir gesammelt haben …«

      »Nicht jetzt, mein Kind! Wir haben einen Gast«, sagt July und deutet auf mich. »Das ist Adrian Ginjeet, ein Reporter von der Erde.«

      »Das sieht man«, sagt Sylphe und kommt um den Tisch herum. »Ich habe auf dem Rückflug in den Nachrichten von dir gehört.«

      Bevor July eingreifen kann, hat mir das junge Ding die überraschend kräftigen Arme um den Hals geschlungen und drückt meinen Kopf an ihren kleinen, festen Busen, als wäre es das Natürlichste des Universums.

      Sylphes Körper scheint fast nur aus Knochen und Sehnen zu bestehen und ist über und über mit Sommersprossen bedeckt. Ich kann bestätigen, dass kein Quadratzentimeter ihrer Haut frei davon ist. Hätte sie Haare gehabt, wären sie mit Sicherheit flammend rot gewesen.

      »Huch, das kitzelt!«, ruft sie kichernd und weicht ein wenig zurück, um neugierig mit einem Finger über meinen Schnurrbart zu streichen.

      Habe ich schon erwähnt, dass ich der stolze Besitzer eines gepflegten Oberlippenbärtchens bin?

      »Sylphe«, kommt mir endlich July zu Hilfe, »der gute Adrian ist mit unseren Gepflogenheiten noch nicht allzu vertraut.«

      »Oh, Entschuldigung!«, ruft sie und zieht sich schnell zurück, als hätte sie sich plötzlich an mir verbrannt. »Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass …«, fügt sie bedauernd hinzu.

      »Schon gut«, erwidere ich mit einem gequälten Lächeln. »Ich habe es überlebt.«

      »Ich habe im Augenblick ganz andere Sachen im Kopf«, sagt sie zerstreut, während sie um den Tisch herumgeht und sich auf Fawns Schoß setzt.

      »Sylphe ist Biologin und war auf einer Expedition, die die andere Seite des Planeten erkunden sollte«, erklärt July. Dann lächelt sie das Pärchen liebevoll an. »Sie ist Fawns ältere Schwester.«

      »Es tut gut, dich wieder zu spüren«, sagt sie zu ihm, während sie sich innig umarmen.

      Ein reizendes Bild! Ist es nicht schön, wenn Bruder und Schwester sich so gut verstehen?

      »Falls es dich interessiert, könnte ich dir morgen im Institut unsere Forschungsergebnisse zeigen«, schlägt Sylphe mir vor.

      »Das Angebot nehme ich gern an«, erwidere ich freundlich.

      »Du musst in deinem Bericht unbedingt die ungewöhnliche Biologie von Arkadia erwähnen«, sagt Sylphe. »Dieser Planet ist wirklich einzigartig im bekannten Universum.«

      »Das ist mir nicht entgangen«, erwidere ich mit einer gewissen Irritation, weil Sylphe soeben ihre Hand an Fawns Schwanz gelegt hat, der daraufhin sichtlich eine längere und schlankere


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