Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
zurück sind, werde ich das vor der Admiralität rechtfertigen. Und Ihr Protest wird natürlich im Logbuch vermerkt.«
In den vergangenen Tagen hatte Jayden festgestellt, dass er seine I.O. durchaus mochte. Sie sagte frei heraus, was sie dachte, und brachte in die meisten Diskussionen einen klaren, fokussierten Blickwinkel ein. Auf der anderen Seite hielt sie sich oftmals peinlich genau an die Vorschriften.
»Aye, Sir.«
Als ob die Sache damit vergessen ist. Er schmunzelte kurz. Die Diskussion würde weitergehen, das erkannte er an Ishidas entschlossenem Blick.
»Gibt es etwas Neues zu Lieutenant Larik?«
Seine I.O. schüttelte den Kopf. »Auch dort treten wir – noch – auf der Stelle. Doktor Petrova glaubt, sie kann ihn in einigen Tagen aufwecken.«
Ein weicher Dreiklang – Jayden hatte die persönlichen Einstellungen seines Bereitschaftsraums mittlerweile angepasst – kündigte eine eingehende Kommunikation an. »Maschinenraum an Captain Cross.«
»Cross hier.«
»Sir, es ist uns gelungen, die Datenbank der PROTECTOR zu entschlüsseln.«
Jayden atmete erleichtert auf. Endlich ging es vorwärts. »Ausgezeichnet, Commander. Ich erwarte Sie und Lieutenant McCall im Konferenzraum.«
»Aye, Sir.«
Er unterbrach die Verbindung.
»Also gut, sehen wir uns an, was Captain Bowman so umfassend gesichert hat.«
Ishida nickte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
*
Jayden hatte an der Stirnseite des ovalen Konferenztisches Platz genommen. Commander Ishida saß zu seiner Rechten, Lieutenant Commander Lorencia zu seiner Linken. Sie gab gerade Daten in das in den Tisch eingelassene Panel ein, um den Holoprojektor zu starten. Sarah McCall saß, mit leicht geröteten Wangen, zu ihrer Linken. Ihr war anzusehen, dass sie sich in seiner Gegenwart nicht entspannen konnte. Sie saß verkrampft im Sessel und wirkte, als ob sie sich am liebsten mit einem Shuttle davongemacht hätte.
Mit einem Summen manifestierte sich ein Konglomerat aus Daten zwischen den Platten des Holotanks. »Es ist uns zwar gelungen, Zugriff auf die Datenbank zu erhalten, wir mussten jedoch feststellen, dass ein Großteil der Daten gelöscht wurde.«
»Von Captain Bowman?«, hakte Jayden nach.
Lieutenant Commander Lorencia nickte. »Laut Protokoll nahm sie kurz vor ihrem Tod Zugriff auf die Datenbank. Wir«, dabei deutete sie auf McCall und sich, »konnten den Ablauf etwa wie folgt festlegen: Die PROTECTOR flog auf der vorgeschriebenen Route ihre Patrouille und kehrte an den festgelegten Punkten in den Einsteinraum zurück. Dort überprüften sie die Sensorplattformen und überspielten die Aufzeichnungen der vergangenen Wochen. Während des Aufenthalts im Einsteinraum entdeckte der Ortungsoffizier eine seltsame Streustrahlung, die sich kaskadenartig auf dem unteren Phasenband verbreitete. Sie führten nach und nach eine Dreieckspeilung durch und schafften es – im Verlauf einiger Tage -, die Quelle der Strahlung zu orten.«
»Worauf sie natürlich direkt dorthin flogen, ohne eine Nachricht abzusetzen«, warf Commander Ishida ein und bedachte Jayden dabei mit einem durchdringenden Blick. »Was den Regeln völlig zuwiderläuft.«
Lorencia nickte. »Captain Bowman wollte zuerst sehen, was ihr Ortungsoffizier da entdeckt hatte, und es dann der Admiralität mitteilen. Wie wir wissen, kam es nicht mehr dazu.«
Jayden nickte. Er ignorierte den durchdringenden Blick Ishidas und bedeutete seiner Chefingenieurin mit einem Nicken fortzufahren.
»Viel mehr gibt die Datenbank nicht her. Die PROTECTOR erreichte das besagte System und setzte Sensorplattformen aus. Die Strahlung stammte von einem kleinen Mond, in einem Sonnensystem nur zwanzig Lichtjahre entfernt.«
»Was entdeckten die dort?«
Lorencia zuckte die Schultern. »Wir wissen es nicht. Die Datenbank weist große Lücken auf. Datensätze und ganze Tabellen wurden gelöscht. Sie kamen dort an und haben etwas untersucht. Aber wie der Parlide an Bord kam und was mit der Besatzung schlussendlich geschah, bleibt im Dunkeln.«
»Ich hatte mir mehr erhofft«, sagte Jayden. »Nach allem was wir wissen, könnte im dortigen System eine ganze Flotte Parlidenraumer auf uns warten.«
»Möglich Sir, aber unwahrscheinlich.« Seine L.I. betätigte ein Icon auf ihrer Touch-Konsole, worauf das Abbild eines Planetensystems inmitten der Holoprojektion erschien. »Das Zielsystem ist zwanzig Lichtjahre entfernt. Unsere Tiefraumsensoren würden uns etwas so Deutliches wie Phasendurchbrüche anzeigen. Und diese hätten stattgefunden, wenn dort Schiffe ein- oder ausfliegen würden. Zudem können wir am Rande des Systems aus dem Interlink-Flug gehen und eigene Sensorplattformen entsenden, um das System vor einem Einflug aufzuklären. Zudem fehlen im Bestand der PROTECTOR einige Sensorplattformen. Vermutlich haben sie dort ebenfalls welche ausgeschleust und bei ihrem Abflug nicht zurück an Bord geholt.«
»Womöglich wurden sie zerstört«, überlegte Ishida.
Lorencia schüttelte den Kopf. »In der Datenbank finden sich keine Feedback-Signale, die auf eine Zerstörung hindeuten, aber sicher sein könen wir uns natürlich nicht.«
»Danke, Commander, Lieutenant.« Er nickte Lorencia und Sarah McCall zu, die daraufhin beide den Raum verließen. »Was denken Sie, I.O.?«
»Wenn wir herausfinden wollen, was mit der PROTECTOR geschehen ist, haben wir keine Wahl«, sagte sie nach kurzem Nachdenken. »Aber es ist wichtig, dass wir zuvor ein Kurierboot zur Admiralität entsenden.«
»Falls mit uns das Gleiche geschieht wie mit der PROTECTOR.«
Ishida nickte.
»Also gut, ich stimme zu. Wir senden den Boten mit allen aktuellen Fakten zurück zur Erde. Ich will keine Übertragung durch die Phasenraum-Relaiskette. So wird es zwar länger dauern, aber wir gehen auf Nummer sicher. Veranlassen Sie alles Notwendige. Und während der Kurier unterwegs ist, finden wir verdammt noch mal heraus, was mit der PROTECTOR geschehen ist.«
*
IL HYPERION, Beim Einflug ins Elnath-System (Beta Tauri), 12. November 2265
»Ich schleuse die Aufklärer aus«, meldete Lieutenant Tess Kensington von der Ortungskonsole. »Kurzphasensprünge werden ausgeführt.«
Jayden vertiefte sich in die Anzeige im Holotank. Die winzigen – und billigen – Phasensonden schossen aus dem Bug der HYPERION und verteilten sich über das System. Da das Schiff gerade auf Unterlichtgeschwindigkeit gefallen war, konnten die Sonden die Restgeschwindigkeit ausnutzen und sprangen direkt in das untere Band des Phasenraums. Hier führten sie auf divergierenden Vektoren einen Überlichtflug durch und erreichten lange vor der HYPERION das Innere des Systems. Mit stark gebündelten Phasenstrahlen wurden die Sensorergebnisse überlichtschnell zum Schiff transferiert. Da es sich um ein unbewohntes System handelte, in dem keine Phasenstörer zum Einsatz kamen, wurden die Sonden nicht behindert. Erst wenn die Kiesel – wie die meisten Offiziere die Sonden nannten – die Sensorplattformen der PROTECTOR gefunden hatten, konnte die HYPERION dank gerichteter Laser zur Datenübertragung auf diese zugreifen.
»Ich habe erste Ergebnisse«, sagte Kensington Minuten später. »Wie uns durch die Tiefraumsensoren bekannt war, ist die Sonne des Systems vom Spektraltyp B7: ein blauweißer Stern. Ausgehend von diesem existieren vier Planeten im System. Planet eins und zwei sind Glutöfen, Nummer drei ein Gasriese; 35 AE von der Ekliptik entfernt gibt es einen Kuipergürtel. Planet vier befindet sich in der habitablen Zone.«
Im Holotank wurden immer mehr Areale des Systems sichtbar, während Jayden auf seiner Kommandokonsole magnetische und exotische Teilchenspektren der Auswertung angezeigt bekam. Er berührte verschiedene Icons auf der Konsole und filterte so die unwichtigen Ergebnisse aus. Die Stellarkartografie würde sich freuen, er war jedoch eher an brauchbaren