Non lupus sit homo homini sed deus (Teilband 2). Richard A. Huthmacher
„Was so ein Mann nicht alles,
alles denken kann!“
Oder: Weil der Mensch nicht
männlich oder weiblich ist
Du lieber Gott! „Was so ein Mann
nicht alles, alles denken kann!“
Du lieber Gott, wie eine Frau,
wie sehr, wie lang, so eine Frau
gar lieben kann.
Einen Mann.
(Notabene: Oder eine Frau.
Auch das weiß ich genau.)
Deshalb:
Was man männlich heißt
und was man weiblich nennt,
gleich, ob´s in Hosen oder Röcken rennt,
zusammen eine Einheit ist.
Und wenn das eine fehlt,
auch das andre man vermisst.
Weil der Mensch nicht
männlich oder weiblich ist.
Nein, beide Seiten braucht es –
ist doch klar, dass es so ist, so war,
früher und heute, immerdar.
Erst dann, wenn das, was männlich,
und das, was weiblich man genannt,
in der Tat zusammenfand,
kann entstehen, wird nicht vergehen,
was einen Menschen man genannt.
Mithin:
Für meine Frau
Lass mich, Tod, noch etwas leben,
lass mich den Menschen etwas geben
von dem, was mich berührt, bewegt.
Lass mich den Maden,
die in Schlössern sitzen,
auch wenn sie niemand etwas nützen, noch lang so viel wie möglich schaden.
Lass mich ein paar Kranke heilen,
die daran kranken, dass sie
auf der Welt verweilen,
die nicht die ihre ist,
auch wenn der Herrgott
alle gleich geschaffen
und alles nicht allein
für diese Affen.
Verzeiht, ihr Affen, natürlich mein ich
all die Laffen, die herrschen,
dumm und dreist und unverschämt
und gleichermaßen unverbrämt.
Dann geh ich gern und geh zu meiner Frau.
Weil, du, Tod, sie mir genommen,
sei dann du, Tod, auch mir willkommen.
Die Verse von „NON LUPUS SIT HOMO HOMINI SED DEUS“ dienen dem Autor letztlich als „Trojanisches Pferd“: Sie sollen sich einschleichen in das Innerste der Leser, in ihre Herzen und Seelen; sie sollen diese berühren und bewegen.
Und sie mögen Carmina Burana sein, die Gedichte Suchender, nicht Wissender, die Reime derer, die durch das Leben streifen, die Chronisten sind – ebenso der Erbärmlichkeit der Herrschenden wie der Wunder der Schöpfung, insbesondere aber der Wertschätzung des Menschen, so wie er ist, wie er sollt sein: Der Mensch – ein Traum, was könnte sein, was möglich wär. Nur ein Vielleicht, nicht weniger, nicht mehr – siehe vorher (Lemmata: Plautus und dessen Asinaria)
Warum indes Gedichte, warum Poesie statt Prosa? Weil Lyrik ein hohes Maß an sprachlicher Verknappung und inhaltlicher Pointierung, an semantischer Prägnanz und thematischer Fokussierung ermöglicht.
Auf Inhalte, die sich wie Perlen einer Kette durch das lyrische Werk des Autors ziehen: Mensch und Leben, Sterben und Tod, Gut und Böse, Recht und Gerechtigkeit, Staat und Gesellschaft, Macht und Ohnmacht; nicht zuletzt Liebe, Sehnsucht, Leidenschaft.
Allesamt Sujets ebenso individueller menschlicher Existenz wie kollektiven Seins, gleichermaßen Ausdruck einer ontogenetischen Beziehung von „Sein und Zeit“ wie der sozio-kulturellen Prägung des je Einzelnen.
Gleichwohl, nochmals, die Frage: Warum Gedichte? Weil deren sprachliche Minimierung ein hohes Maß an emotionaler Verdichtung möglich macht; dadurch werden Inhalte nachvollziehbar, die auf bloßer Verstandes-Ebene oft kaum zu erschließen sind. Vulgo: Was nützen Erkenntnisse, wenn sie nicht unser Herz berühren? Wie könnten wir etwas verändern, wenn wir nicht die Seele der Menschen erreichen?
Der
Menschen
Herz, so kalt wie
Stein: Wer zahlt hat
Recht, das sei der Welten Lauf.
Der Menschen Herz, so kalt –
wie einst das Herz aus
Stein bei Wilhelm
Hauff
So also sollten Gedichte berühren und bewegen, sollen mit der Kettensäge die Verzweiflung des Geistes, mit dem Strich des Pinsels die Narben der Seele zum Ausdruck bringen.
Dies ist die Aufgabe von Gedichten. Denn: „Die echten ... [Dichter] sind Gewissensbisse der Menschheit.“ Meist aufgrund von eignem Leid. Bisweilen auch von eigner Freud:
Am Grab
Als
ich dann
kam zu deinem
Grab, fiel der Himmel,
bleiern schwer, auf mich herab.
Es glühte der Mond rot wie Blut, in ihren
Strahlen gleißte der Sonnen Glut, wie Sturm brüllte
die Sommerluft, wie Pech und Schwefel wähnte
mich der Blumen Duft. Im Chaos tanzten die
Gedanken, und mein Entsetzen ließ mich
wanken und taumeln wie ein Blatt im
Wind, das, im Herbst, ge-
schwind, vom Baum he-
rab gen Boden
sinkt.
Ein
stummer
Schrei entrang
sich meiner Brust, ver-
siegte Tränen flossen über mei-
ne Wangen – umsonst all mein zagend
Bangen, mein Kampf, mein Hoffen.
Und all meine Fragen – nach
Recht und Gerechtigkeit,
nach Gott und Gottes
Wille – offen.
So unend-
lich offen.
Ohne
Antwort,
ohne Hoffen.
Hoff-
nung. Trotz
Hoffnungs-
losig-
keit
Der
Trauer
Tränen längst