Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton

Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton


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verfügen. Wir konnten uns aus ihrem Bann lösen, dieser Mann vermag es offenbar nicht. Dabei braucht in Wirklichkeit gar nichts Schlimmes geschehen zu sein. Man hat nur seinen Geist in einen so desolaten Zustand versetzt, dass er Dinge zu sehen glaubte, die es überhaupt nicht gab.

      Inzwischen handelte Luca Ladora bereits. »Halt, Freundchen!«, sagte er und breitete die Arme aus. »Komm wieder zu dir, bei uns bist du in guten Händen. Wir werden dich ...«

      Weiter kam er nicht, denn der Fremde reagierte in keiner Weise auf seine beruhigenden Worte. Er lief einfach weiter und rannte den nicht eben schmächtigen Kybernetiker glatt um. Luca stürzte und stieß einen erbitterten Fluch aus, Taff wollte zugreifen, wurde aber einfach zur Seite gestoßen. Der Flüchtende entwickelte Kräfte, die geradezu übermenschlich wirkten, offenbar von seiner irrealen Todesfurcht ausgelöst.

      Wenige Schritte weiter war sein Weg jedoch zu Ende. Er taumelte an dem Busch vorbei, hinter dem Alexandros Demosthenes stand, und der Minister streckte rasch sein rechtes Bein vor. Ein harter Fall, dann griffen die Mitglieder der PROKYON-Crew zu und überwältigten den Mann. Er wehrte sich zuerst verzweifelt, doch dann sackte sein Körper plötzlich zusammen und lag regungslos da.

      »Ein Terraner!«, sagte Taff überrascht und starrte in die unkontrolliert zuckenden Züge des Fremden. »Verdammt, wie kommt dieser Mann hierher, in eine ferne Vergangenheit? Gehen die Herren dieses Mondes vielleicht systematisch auf Menschenfang aus, um ihre Opfer für ihre eigenen Zwecke einspannen zu können? Dorit und Mitani – habt ihr noch etwas in den Medoboxen, das wir ihm zur Beruhigung verabreichen können?«

      »Nichts mehr, Taff«, sagte Mitani N’Kasaa. »Einiges davon hast du in den Gewölben von Vulcanus bekommen, den Rest haben wir Alexandros gegeben. Wir werden notgedrungen abwarten müssen, bis sich sein Zustand von selbst normalisiert.«

      Caine zuckte mit den Schultern, holte dann sein vorletztes Erfrischungstuch hervor und wischte damit über das schweißüberströmte Gesicht des Mannes. Dieser zuckte unter der Berührung zusammen und bäumte sich erneut auf, ein irrer Schrei kam über seine Lippen. Die Finger des Commanders glitten ab, der Kopf des Fremden fuhr in einer Reflexbewegung herum, und plötzlich hatte Taff einen großen Hautlappen in der Hand.

      »Was ist denn das?«, murmelte er verblüfft und nahm seine Hand rasch weg. Der Hautlappen schnellte elastisch zurück, und in diesem Moment hatte Taff begriffen. Er wurde jedoch abgelenkt, denn nun meldete sich Alexandros Demosthenes zu Wort.

      »Das ist einer jener Männer, die mich aus dem Palast der Kriegsgötter entführt haben, Taff!«, sagte er erregt. »Ich habe sein Gesicht genau sehen können, es war gerade vor mir, als der Schein einer Handlampe voll darauf fiel. Bei Curona – pardon, den gibt es ja nicht mehr –, ich verstehe das alles nicht.«

      Taff Caine grinste sardonisch.

      »Ich schon, Alexandros, denn ich habe eben ungewollt im wahrsten Sinne des Wortes einen Zipfel des Geheimnisses gelüftet. Passen Sie gut auf, was jetzt gleich geschehen wird.«

      Erneut griff er nach dem Gesicht des Fremden, fasste zu und zog kräftig daran. Als seine Hand wieder hochkam, hielt sie eine Bioplastfolie, die sich mit einem schmatzenden Geräusch von den Zügen des Mannes löste.

      »Mira und Polaris – das ist ja ein Nimboiden!«, brachte Lars Gunnarsson verblüfft hervor.

      Bioplastfolien waren bei den Menschen der 900-Parsec-Raumkugel schon seit Jahrhunderten bekannt. Es handelte sich dabei um Zellkulturen aus lebendem, menschlichem Hautgewebe, die künstlich gezüchtet und als Transplantate, besonders bei Verbrennungen, benutzt wurden. Sie übernahmen innerhalb kurzer Zeit alle natürlichen Funktionen, so dass keinerlei Entstellungen zurückblieben. Doch auch die diversen Geheimdienste hatten sich ihrer oft bedient, wenn es galt, das Gesicht eines Menschen zu verändern, um ihn bei einem Gegner einschleusen zu können.

      Das war nun auch hier geschehen. Der Mann, den sie alle seinem Aussehen nach unzweifelhaft für einen Terraner gehalten hatten, wies nach der Entfernung der Folie die typische graubraune, grobporige und schwartige Gesichtshaut eines Bewohners des Vulkanplaneten auf. Das brachte einen gänzlich neuen Aspekt ins Spiel!

      Nach allem, was sie bisher erlebt hatten, hatten die Mitglieder der Crew längst nicht mehr daran geglaubt, dass die Entführung des irdischen Außenministers von den Gegnern Toburu-Chans ausgeführt worden war. Alle daran Beteiligten hatten das Aussehen von Terranern gehabt, die Männer, wie auch die Frauen. Jetzt war jedoch so gut wie erwiesen, dass sie alle nur Nimboiden gewesen waren, durch die Bioplastfolien ausgezeichnet getarnt.

      Damit änderte sich einiges. Es galt nun, die gesamte Lage neu zu überdenken und aus dem Ergebnis die Schlussfolgerungen zu ziehen.

      Ungeklärt war vor allem die Frage der Verbindung zwischen den Entführern und den Bewohnern dieses Mondes, irgendwo in der tiefen Vergangenheit.

      »Wie mag sie zustande gekommen sein?«, überlegte Mitani halblaut. »Und wie könnte ein Bündnis über die Jahrtausende hinweg einer der beiden Parteien einen zählbaren Nutzen bringen? Ich vermag es mir nicht vorzustellen, zumal die Zeittransmitter offenbar nicht sehr leistungsfähig sind.«

      Luca nickte. »Dazu kommen jetzt noch die verwirrenden Ereignisse der letzten Stunden. Weshalb wollte man uns unbedingt um die Ecke bringen, obwohl wir hier abgeschnitten und so gut wie waffenlos waren? Noch viel rätselhafter ist es, dass die Amazonen jetzt die Nimboiden angreifen und diese wiederum so rigoros gegen sie vorgegangen sind.«

      »Vielleicht ein Streit zwischen diesen ungleichen Verbündeten«, mutmaßte Lars. »Die Zauberer suchten wohl Hilfe, um ihre Heimat gegen Angreifer schützen zu können, vermutlich gegen Hilfskräfte des Drajur. Den Nimboiden dagegen konnte es ziemlich gleich sein, was mit den Bewohnern eines Mondes geschah, den sie nur noch als eine verlassene und unwirtliche Welt kannten.«

      »Richtig«, warf Orvid Bashkiri ein. »Wie es um ihre Mentalität bestellt ist, wissen wir ja aus eigener Erfahrung. Kriegerisch und kompromisslos waren sie schon immer, zumindest die herrschenden Chans, und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Darunter musste die Zusammenarbeit leiden, und nun scheint es zum offenen Bruch gekommen zu sein.«

      Taff Caine hob die Hand.

      »Das alles sind bis jetzt nur bloße Spekulationen, Vermutungen ohne jeden Beweis, Freunde. Ich denke aber, dass wir von diesem Mann einiges werden erfahren können, wenn wir es richtig anfangen. Er ist leider inzwischen ohnmächtig geworden, wir werden also notgedrungen warten müssen, bis er wieder zu sich kommt. Vielleicht erhalten wir dann die Antworten auf all die Fragen, die wichtig für uns sind.«

      Er spähte zu dem seltsamen Bauwerk hinüber, das nach wie vor in bläulichem Leuchten pulsierte. Zwei Nimboiden rannten kopflos über die freie Fläche, wurden von vier Amazonen verfolgt und bald eingeholt, da ihre Verfassung ähnlich schlecht wie die des Gefangenen der Crew zu sein schien. Es gab ein kurzes Handgemenge, dem zwei schrille Todesschreie folgten. Dann entfernten sich die Amazonen, liefen auf das Gebäude zu und verschwanden im Eingang.

      Inzwischen bemühten sich Dorit und Mitani, den Nimboiden ins Bewusstsein zurückzubringen. Er erwachte schließlich, lag zwar still, aber seine Augen zeigten den gleichen irren Ausdruck wie zuvor.

      Taff redete beruhigend auf ihn ein und stellte ihm einige kurze Fragen, erhielt jedoch keine Antwort. Statt dessen begann der Mann erneut zu toben und musste festgehalten werden. Unartikulierte Laute kamen über seine Lippen, dann ein langer, tierisch anmutender Entsetzensschrei. Noch einmal bäumte sich sein Körper steil auf, fiel dann zurück und blieb schlaff liegen.

      »Er ist tot«, stellte Mitani resigniert fest. »Unter dem Einfluss des blauen Nebels muss er einen schweren psychischen Schock erlitten haben, dem sein Geist einfach nicht gewachsen war.«

      8

      Caine fluchte leise vor sich hin, beruhigte sich aber bald wieder. Er war Pragmatiker und wusste, dass es sinnlos war, entgangenen Gelegenheiten nachzutrauern.

      »Wir sind jetzt also nicht klüger als zuvor«, resümierte er. »Es scheint fast, als


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