Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
Zwei Stunden vergingen.
Dorit Grenelle hatte unverdrossen weiter ihre Rufe über die Sender geschickt, aber ohne jede Resonanz. Inzwischen hatte sie auf Taffs Anweisung hin aufgegeben. Jetzt schlürfte sie durstig ihren Kaffee, zusammen mit dem Astrogator, der seine Arbeit ebenfalls beendet hatte. Luca Ladora und Rhegos Kytall saßen dafür vor dem Computer, betätigten die Eingabeelemente und lasen die ausgedruckten Folien ab.
Ein großer Teil der von Orvid ermittelten und nun ausgewerteten Daten wurde direkt in den Autopiloten überspielt. Auf diese Weise erhielt er all jene Angaben, die zu seiner Vorprogrammierung auf spätere Flugmanöver dienten.
Schließlich erhob sich der Nimboide und kam auf die Gruppe um Taff Caine zu.
»Wir haben getan, was wir konnten«, erklärte er. »Orvid hat gute Vorarbeit geleistet, alle Gestirne im Bereich der Ortungssysteme sind erfasst und ihre Daten ausgewertet. Einem Weiterflug der PROKYON, natürlich mit aller gebotenen Vorsicht, steht nichts mehr im Wege.«
Taff nickte ihm zu und überlegte bereits, um den seiner Ansicht nach erfolgversprechenden Kurs zu ermitteln. Plötzlich hob jedoch Luca die Hand.
»Einspruch, Taff!«, sagte er entschieden. »Tut mir Leid, dass ich Ihnen widersprechen muss, Rhegos, aber noch ist es nicht soweit. Wir müssen noch abwarten, bis Giacomo Inaudi bei uns eingetroffen ist.«
»Wie kommst du auf die Idee, er könnte uns folgen?«, erkundigte sich Caine verwundert. Der Kybernetiker, grinste.
»Reine Logik, Taff, weiter nichts. Du weißt, dass ich niemals übertreibe ...«
»Haha!«, warf Dorit Grenelle spöttisch ein.
»Niemals übertreibe«, wiederholte Luca ungerührt. »Ich habe eben einen sechsten Sinn in Bezug auf Computer. Deshalb habe ich eben meinem Schützling noch eine Zusatzfrage gestellt, und er hat sie positiv beantwortet. Hier ist die Folie, auf der er erklärt, unser Giacomo würde uns auf jeden Fall nachkommen, vorausgesetzt, dass es für ihn eine Möglichkeit dazu gibt. Er selbst hätte im Rahmen seiner Kompetenzen dieselbe Entscheidung getroffen, und was für einen Computer gelte, träfe auch für jeden anderen mit der gleichen Grundsatzprogrammierung zu.«
Rhegos Kytall verzog sein grobporiges Gesicht und warf ihm einen erstaunten Blick zu. Er schien eine gewisse Skepsis gegenüber den Argumenten Lucas zu hegen, enthielt sich jedoch eines Kommentars.
Caine jedoch, ebenso wie die übrigen Mitglieder seiner Crew, ahnte ungefähr, worum es hier ging.
Seit dem Abenteuer mit den letzten Atlantern, die der Erde eine totale Amnesie aller Menschen gebracht hatten, bestand zwischen der Crew und dem Terra Administration Counselor ein besonderes Verhältnis. TAC hatte nicht nur die Fähigkeit der Initial-Intuitiven Prognostik entwickelt, sondern sozusagen sein »Herz« für die Besatzung der PROKYON entdeckt. Er hatte sich selbst als Bruder der Crew bezeichnet, die Raumfahrer jedoch gebeten, gegenüber Außenstehenden nichts darüber verlauten zu lassen.
Giacomo Inaudi, der Space-Computer in einem eigenen Raumschiff, war wiederum praktisch ein Ableger TACs. Luca hatte aus diesem Grund gefolgert, dass der Großrechner den Begriff der Freundschaft zur Crew auf sein Grundsatzprogramm übertragen haben könnte. Traf das zu, dann war mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass »Giacomo« der PROKYON nun überallhin folgen würde, um sie zu unterstützen.
Gewiss, das war vorerst nur eine Annahme, aber es bestand ein hoher Wahrscheinlichkeitswert dafür. Ladora hatte seine Frage an den Bordcomputer nun so formuliert, dass dieser zwangsläufig eine ihm genehme Auskunft geben musste. Dass Rhegos Kytall daraufhin misstrauisch werden würde, hatte er einkalkuliert, denn der Nimboide war ebenfalls ein ausgezeichneter Computerfachmann. Er hatte aber auch ins Kalkül gezogen, dass dieser schweigen würde, weil er seiner Sache nicht sicher sein konnte. Er kannte schließlich den Wortlaut der Frage an den Bordcomputer nicht.
Der Commander durchschaute diese Zusammenhänge und schmunzelte innerlich. Du bist und bleibst ein altes Schlitzohr, Luca! Dachte er amüsiert, verzog jedoch keine Miene. Statt dessen sagte er laut:
»Das ist eine Auskunft, die wir beherzigen sollten, Min. Hier in diesem Sternendschungel mag mehr als nur ein Tiger verborgen sein, Orvid hat bereits eine ganze Anzahl von Anomalien festgestellt. Die Lage gebietet also, dass wir uns jeder Hilfe versichern müssen, die wir nur erlangen können.«
Min Jian-Ksu nickte und bemerkte: »Damit haben Sie zweifellos recht, Taff. Vorsicht allein vermag das Lamm nicht vor den Nachstellungen seiner Feinde zu bewahren, ein Freund und Beschützer leistet weit bessere Dienste. Warten wir also hier eine gewisse Zeit auf das vermutete Eintreffen dieses Helfers, sie dürfte auf dem Umweg über ihn wieder hereinzuholen sein.«
Einige Stunden vergingen jedoch, ohne dass etwas geschah.
Taff begann unruhig zu werden, denn Min Jian-Ksus Blicke suchten immer öfter die Anzeigen der großen Digitaluhr der Zentrale. Seine asiatische Geduld schien sich allmählich zu erschöpfen, darauf wiesen auch andere kleine Anzeichen hin. Falls er den Befehl gab, nicht mehr länger zu warten, musste die Crew ihm gehorchen, denn er war die höchste Autorität an Bord.
Dorit und Mitani verstanden das verstohlene Blinzeln des Commanders. Sie verschwanden unauffällig und kehrten mit zwei großen Tabletts zurück, von denen ein verlockender Essensduft aufstieg. Min bekam einige Spezialitäten seiner Heimat serviert und vergaß darüber den Blick zur unerbittlich weiter rückenden Uhr. Auch die anderen aßen mit gutem Appetit.
Dann erlöste sie alle der laute Ausruf des Astrogators: »Taff, es ist soweit! Da vorn, der helle Fleck – dort entsteht soeben wieder das Tor, durch das wir hierher gekommen sind!«
2
Augenblicklich war alles andere vergessen. Die Crew drängte sich hinter Orvids Sitz, die Beleuchtung wurde auf ein Minimum reduziert, um eine bessere Beobachtung der Bildschirme zu ermöglichen.
Vielfach vergrößert stand im Mittelpunkt der Schirme ein immer greller aufleuchtendes Phänomen. Es unterschied sich von dem ruhigen Licht der Hintergrundsterne durch seine stechend bläuliche Färbung, und auch seine Ausmaße nahmen rasch zu. Schließlich wurde eine umfangreiche Spirale aus ultrahellem Licht daraus, die in atemberaubender Geschwindigkeit um eine imaginäre Achse zu rotieren schien.
»Einen Moment, Taff!«, sagte Min Jian-Ksu scharf.
Caine löste seinen Blick nur widerwillig von dem faszinierenden Bild dieser Erscheinung. »Ich höre«, knurrte er missmutig.
»Sollten wir diese Gelegenheit nicht ausnutzen, um das Tor in umgekehrter Richtung zu durchmessen?«, fragte er drängend. »Dies ist eine für uns vielleicht einmalige Chance, Taff! Später können wir immer noch hierher zurückkehren, mit allen dreißig Schiffen, um die Rätsel des Sternhaufens zu lösen und Alexandros Demosthenes zu helfen.«
Der Oberst lächelte humorlos.
»Wie stellen Sie sich die praktische Ausführung dieses Vorhabens vor? Dieses Gebilde ist nicht nur mindestens ein paar Lichtstunden entfernt, sondern vermutlich auch sehr kurzlebig, wie wir bereits erfahren haben. Wir können es beim besten Willen nicht mehr rechtzeitig erreichen.«
Min Jian-Ksu winkte resigniert ab und bemerkte: »Gut, dann vergessen Sie es wieder.«
Caine wandte sich wieder den Bildschirmen zu. Die Lichtspirale darauf hatte ihren scheinbaren, visuellen Umfang inzwischen um ein Mehrfaches vergrößert. Ihre Strahlen blendeten das Auge trotz der regulierend einspringenden Dunkelfilter fast bis zur Unerträglichkeit.
»Alexandros’ Kristall!«, sagte Mitani plötzlich und krallte ihre Hand in den Oberarm des Commanders. »Er hat gleichfalls zu leuchten begonnen und pulsiert im gleichen Rhythmus, Taff! Vielleicht geschieht da vorn doch mehr, als wir erwarten?«
»Das wäre schön, Mädchen«, entgegnete Taff, ohne jedoch seinen Blick vom Bildschirm zu lösen. »Zu schön, um wahr zu sein, vermute ich, wahrscheinlich nur eine Sekundärerscheinung, die uns nichts