Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
Feldsauger hatte endlich seinen Energiehunger gestillt.
Er hatte die Wandung der Wachboje so stark beansprucht, dass sie an dieser Stelle fast zusammengebrochen wäre. Das hätte ihn jedoch auch dann nicht bekümmert, wenn er im vollen Besitz seiner alten Erinnerungen gewesen wäre. Wie überall im Weltall musste es auch hier bald wieder zu einem Ausgleich der Kräfte kommen. Nach und nach würde Energie von allen Seiten nachfließen, bis die frühere Stärke der Wand wieder erreicht war. Was er ihr entnommen hatte, war nur ein mikroskopisch winziger Bruchteil des Gesamtvolumens der Boje.
Langsam erwachte sein künstliches Bewusstsein aus der Stagnation. Er zog den Saugstachel ein und entfernte sich mit einem kurzen Abstoßimpuls einige hundert Meter von der energetischen Wand. Sein Energietransformator hatte, auch ohne sein bewusstes Zutun, folgerichtig auf den Schlüsselreiz der einströmenden Energie reagiert. Er hatte sie umgeformt, das winzige Rudiment war angewachsen, bis die »Arbeitsblase« des Kosmischen Instrukteurs gebildet war.
Wie ein riesiger silberner Sack hing sie nun hinter dem Handlungskopf. Ihre Wandung bestand aus purer Energie, die in einen Aggregatzustand übergegangen war, der dem der Hülle der Wachboje ähnelte. Außerdem hatte der Transformator ein Luftgemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium produziert, das für fast alle bekannten Lebewesen geeignet war. Auch der atmosphärische Druck innerhalb der Blase entsprach weitgehend ihren Ansprüchen.
Befriedigung erfüllte diese seltsame Intelligenzform. Alles war wieder so, wie es sein sollte, nachdem der Energiemangel sie vorübergehend handlungsunfähig gemacht hatte. Nun konnte sie wieder daran gehen, ihre Speicher zu aktivieren und sich den Aufgaben zuzuwenden, für die sie geschaffen worden war.
Plötzlich fuhr jedoch so etwas wie ein mentaler Schock durch das Bewusstsein des Instrukteurs. Es spürte das Vorhandensein einer Information, die ihn erreicht hatte, als er sich im Rauschzustand der Energieaufnahme befand. Etwas war geschehen, das den Aufbau der Arbeitsblase kurzfristig gestört hatte! Die Beeinträchtigung war nicht ernster Natur gewesen, denn zu dieser Zeit war der Vorgang schon fast abgeschlossen gewesen. Doch was war geschehen?
Ein Fremdkörper ist in den Energietransformator eingedrungen!, besagte die Information.
War sie es wert, dass er darauf einging und sie überprüfte? Gab es nicht genügend alte, unerledigte Probleme, die Priorität hatten und zunächst aufgearbeitet werden mussten?
Eine alte Erinnerung brach sich Bahn und stieß in das Bewusstsein vor. Doch, es war wichtig, sich um den Fremdkörper zu kümmern – aber warum? Der Kosmische Instrukteur aktivierte einen der alten Speicher, in dem die Antwort zu finden sein musste. Er fand sie, und ein zweiter Schock durchlief sein Bewusstsein. Erst jetzt merkte er, wie weit er sich in seinem Schwächezustand von allem entfernt hatte, was einst bestimmend für sein Dasein gewesen war.
Fast überstürzt reaktivierte er nun die Sensoren vielfacher Art, um den Fremdkörper zu erforschen. Eine Fülle von Informationen drang augenblicklich auf ihn ein, wurde sortiert, registriert und ausgewertet. Seit langem brachliegende Schaltfelder regenerierten sich automatisch, Speicher nahmen die neuen Informationen auf und gaben alte preis. Ein lange unterbrochen gewesener Kreislauf kam wieder in Gang. Aus einem Gebilde, das seit Jahrtausenden nur ein Parasit gewesen war, der nach Bedarf bei Wachbojen schmarotzte, wurde allmählich ein seiner Funktion bewusster Kosmischer Instrukteur.
Dann lag die umfassende Analyse des Fremdkörpers vor, dessen Erscheinen diesen Prozess in Gang gebracht hatte.
Das Gebilde hat sich im Innern der Wachboje befunden, von der es vor kurzem eingefangen wurde. Es durchstieß ihre instabil gewordene Wandung und gelangte so in den Energietransformator. Es besteht aus Metallen und anderen künstlich produzierten Stoffen, in seinem Innern gibt es energetische und biologische Aktivitäten.
Zusammenfassende Auswertung: Es handelt sich um ein Transportmittel Instruktionsbedürftiger, mit denen nach den Richtlinien der Föderation zu verfahren ist, um sie vor Schäden zu bewahren!
Diese Stichworte bestimmten die weiteren Aktionen des Kosmischen Instrukteurs. Er aktivierte sämtliche Speicher, fragte sie ab und erhielt blitzschnell die richtigen Informationen. Es war so, als hätte er nie etwas vergessen gehabt.
Die Art und Weise, wie er nun weiter vorzugehen hatte, lag seit undenklichen Zeiten fest. Alle Wesen, die sich mit Fahrzeugen dieser primitiven Kategorie durch den Raum bewegten, benutzten elektromagnetische Wellen als Kommunikationsmedium. Es war relativ einfach, die dazu verwendeten Geräte zum Arbeiten zu bringen und durch sie die Instruktionen zu übermitteln, die ihnen zugedacht waren.
Die eine Ewigkeit lang nicht mehr benutzten Apparaturen des Handlungskopfs liefen an. Ein Richtstrahler wurde ausgefahren und erfasste das im Mittelpunkt der »Arbeitsblase« schwebende Objekt. Der Kontakt kam zustande, alles verlief plangemäß. Die fremden Wesen versanken in eine hypnotische Starre und waren somit bereit für die Aufnahme der Instruktionen.
Diese lauteten sinngemäß: »Ihr habt einen Fehler begangen und seid in der Nähe von Transit-Verteilern mit Überlichtgeschwindigkeit geflogen. Dies birgt große Gefahren in sich, die euch noch unbekannt sind. Ihr wurdet zu eurem eigenen Schutz von der Wachboje eingefangen und werdet nun von einem Kosmischen Instrukteur unterrichtet.
– Sekundärinformation, Wachbojen betreffend –
Euch als Angehörigen einer Entwicklungszivilisation wird dringend angeraten, zukünftig die Nähe der Transitpunkte überhaupt zu meiden. So entgeht ihr der Gefahr, unkontrolliert von Gezeitenkräften erfasst zu werden, die für den Transport anderer, technisch erheblich weiter fortgeschrittener Fahrzeuge gedacht sind.
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass ihr für alle Zeit isoliert bleiben sollt. Ihr seid noch lernfähig, und die Föderation ist daran interessiert, euch an ihren technischen Errungenschaften teilhaben zu lassen, soweit ihr sie begreifen könnt. Falls ihr darauf Wert legt, wird euch geraten, das Hyperfunk-Bildleuchtfeuer als Orientierungshilfe zu benutzen. Geht in den Überlichtflug und beschleunigt mit den höchsten Werten eurer Triebwerke. Ihr werdet automatisch nach Latyl geleitet werden, wo man euch freundlich aufnehmen und entsprechend eurer Intelligenz weiterbilden wird.
Damit endet die Mitteilung des Kosmischen Instrukteurs, in dessen Inneren ihr euch zur Zeit befindet. Nach Ablauf einer angemessenen Frist werdet ihr freigegeben und könnt dann so handeln, wie es euch für richtig erscheint.«
Die Impulse brachen ab, der Richtstrahler wurde eingezogen. Das künstliche Bewusstsein des Instrukteurs überprüfte nochmals alles und kam dann zu dem Schluss, ganz im Sinne seiner Schöpfer gehandelt zu haben. Ein Äquivalent zur menschlichen Befriedigung kam in ihm auf. Alles hatte sich geklärt, sein Dasein hatte wieder seinen ursprünglichen Sinn. Er würde weiter wachen und wieder zur Stelle sein, falls es nötig wurde!
*
Reglos standen die neun Menschen in der Zentrale der PROKYON und starrten den Hyperbildschirm an. Die Feldmembran blieb stumm, nur bunte Muster mit wechselnden Farben und unterschiedlicher Intensität huschten über den Schirm. Sie brannten sich jedoch unauslöschlich in ihre Hirne ein und erzeugten darin die gewünschte Wirkung.
Dann erloschen die Farbmuster, die Bildfläche wurde dunkel. Nach wenigen Sekunden erwachten alle aus der hypnotischen Starre und sahen sich gegenseitig betroffen an. Luca Ladora fand als erster die Sprache wieder.
»Ist das nicht heiter?«, knurrte er aufgebracht. »Jetzt wissen wir endlich genau, was wir eigentlich sind: Unterentwickelte, aber immerhin noch lernfähige Wesen! Man musste uns einfangen, weil wir zu dumm waren, um die Vorfahrtsregeln in diesem Sternenhaufen zu begreifen. Und das ausgerechnet uns, der besten Raumfahrercrew, die Terra überhaupt besitzt! Was sagst du dazu, Taff?«
Caine sah abwesend vor sich hin, aber sein Gehirn arbeitete auf vollen Touren. Im Gegensatz zu dem Kybernetiker nahm er die Warnungen des Kosmischen Instrukteurs sachlich auf, ohne sich an den abwertenden Formulierungen zu stoßen.
»Alles im Leben ist bekanntlich relativ«, sagte er schließlich gedehnt, »kaum einer sieht sich selbst so, wie ihn Außenstehende sehen. Selbst dieser Kosmische Instrukteur mit zeitweiligem