Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola Maybach
anvertraut. Sie wussten, dass sie bei Eberhard Hagedorn gut aufgehoben waren. Darüber hinaus hatte er sie auch schon bei einigen ihrer Abenteuer unterstützt, ohne das jemals wieder erwähnt zu haben. Er war, in jeder Hinsicht, ein ganz besonderer Mensch.
»Ist gut, Tante Sofia.«
Eberhard Hagedorn erledigte also den Anruf und teilte wenig später mit: »Sie werden am Samstagnachmittag zum Tee erwartet, Frau Baronin, zusammen mit Prinz Christian.«
»Danke, Herr Hagedorn.« Sofia schob den Scheck sorgfältig in einen Umschlag, beschriftete ihn und legte ihn mitten auf ihren Schreibtisch, damit sie ihn am Samstag nicht etwa vergaß.
*
»Willst du zum Essen bleiben?«, fragte Maren. Corinna war wieder einmal vorbeigekommen, wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, wenn ihre Zeit es eben zuließ.
»Nein, ich …, ich muss noch arbeiten«, log Corinna. Sie fühlte sich elend. Sie hatte ihre Schwägerin noch nie angelogen, warum tat sie es dann jetzt? Aber es schien undenkbar zu sein, die Wahrheit zu sagen, denn die lautete: Sie ging mit einem Mann aus, der ihr sehr gefiel. Mit einem Mann, an den sie ständig denken musste, obwohl er einen schlechten Ruf hatte. Interessierte er sie vielleicht gerade deshalb? Sie wusste die Antwort nicht. Jedenfalls konnte sie Maren die Wahrheit nicht sagen, denn damit hätte sie ja auch zugegeben, dass ihre Trauer um Oliver nicht länger das beherrschende Thema für sie war, sondern dass sie allmählich anfing, sich dem Leben wieder zuzuwenden.
»Schade«, sagte Maren arglos. »Die Kinder hätten sich gefreut. Ich glaube, sie sind froh, wenn sie nicht mit ihrer traurigen Mutter allein sein müssen. Ich weiß, dass ich mich anders verhalten sollte, Corinna, aber ich schaffe es einfach nicht.« Sie deutete Corinnas Gesichtsausdruck falsch und entschuldigte sich erschrocken. »Ich wollte damit nicht sagen, dass du nicht traurig bist, wirklich nicht. Aber zumindest weinst du nicht so oft wie ich und kannst besser verbergen, wie es in dir aussieht.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Siehst du?«, setzte sie flüsternd hinzu. »Es geht schon wieder los.«
Corinna nahm sie in die Arme. »Du machst doch alles richtig, Maren. Du bist immer für Lili und Paul da, das ist das Wichtigste. Und sie wissen doch, warum du weinst. Hör mal, ich bleibe morgen Abend zum Essen, in Ordnung?«
Maren nickte, wischte sich die Tränen ab und lächelte schon wieder. »Entschuldige bitte, ich gehe mir manchmal selbst auf die Nerven.«
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, versicherte Corinna. »Gibt es etwas Neues?«
Maren zögerte mit der Antwort. Dann setzte sie zum Reden an, bemerkte aber, dass Corinna verstohlen auf die Uhr sah, und so entschied sie anders. Was sie zu erzählen hatte, konnte warten. »Geh schon, wenn du noch arbeiten musst. Wir sehen uns dann ja morgen. Und danke, dass du trotzdem noch vorbeigekommen bist.«
Mit einer innigen Umarmung verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander.
*
Moritz saß allein im Büro und wartete auf eine Praktikantin, die sich vorstellen wollte. Felix war im Studio, wo gerade Kulissen für eine neue Serie aufgebaut wurden, die ab der nächsten Woche gedreht werden sollte. Hoffentlich kam das Mädchen bald, er wäre nämlich auch sehr gern ins Studio gegangen. Das war immer eine willkommene Abwechslung für Schreibtischtäter.
Als es klopfte und gleich darauf eine Frau hereinkam, traute er seinen Augen nicht. Die Praktikantin konnte es kaum sein, denn die war achtzehn Jahre alt und hatte gerade Abitur gemacht. Diese Frau hier war mindestens dreißig, hatte hellwache Augen in einem Gesicht, von dem er nicht genau wusste, ob er es hübsch nennen würde. Es war auf jeden Fall ein interessantes Gesicht: der Mund ein bisschen zu groß, die Nase leicht aufwärtsgerichtet, die Augen schräg gestellt. Dazu krause dunkle Haare und eine Figur, die sich sehen lassen konnte. Vielleicht war sie nicht im klassischen Sinne hübsch, aber er hätte wetten können, dass ihr auf der Straße jeder Mann hinterhersah.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er. »Ich nehme an, Sie haben sich verlaufen.«
»Nein, bestimmt nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie Moritz von Ohldorf oder Felix von Bernau sind.«
»Ersterer. Und Sie?«
»Ich bin Annika Boldts Tante.«
Moritz erinnerte sich dunkel, dass der Name des Mädchens, das sich hatte vorstellen wollen, Annika Boldt war.
»Ah ja«, sagte er. Mittlerweile war er aufgestanden, der Höflichkeit halber. »Und was ist mit ihr? Ich warte auf sie.«
»Krank geworden«, erklärte die jugendliche Tante. Dann streckte sie mit einem umwerfenden Lächeln die rechte Hand aus. »Ich bin Miriam Boldt. Und ich dachte, es ist besser, wenn ich Ihnen das persönlich sage, damit Sie es auch glauben. Annika liegt nämlich todunglücklich mit Grippe im Bett, und wir konnten sie nur mit Gewalt davon abhalten, diesen Termin wahrzunehmen. Sie hat Angst, dass Sie sie nicht nehmen, wenn sie nicht sofort zur Verfügung steht.«
Was für ein glücklicher Umstand, dachte Moritz, dass Annika gerade jetzt Grippe bekommen hat, sonst wäre ich dieser Frau vermutlich nie begegnet. »Und Sie sind jetzt nur gekommen, um ihr diesen Praktikumsplatz zu sichern?«
»Nicht nur«, gab sie freimütig zu. »Ich war auch neugierig, wie es hier zugeht.«
Er war enttäuscht. »Sie wollten also schon immer mal zum Fernsehen, und deshalb haben Sie jetzt diese Gelegenheit genutzt?« Das sagten im Grunde alle Leute, die es irgendwie schafften, ins Innere des Gebäudes zu gelangen. Sie war wohl doch nicht so besonders, wie er zunächst angenommen hatte.
Doch Miriam Boldt winkte lachend ab. »Überhaupt nicht!«, erklärte sie. »Ich bin mit meiner Arbeit überglücklich, aber ich möchte schon wissen, wohin ich mein Patenkind schicke. Ich habe mich nämlich dafür stark gemacht, dass sie dieses Praktikum antreten darf, während ihre Eltern strikt dagegen waren. Sie haben Angst um Annika, und vom Fernsehen heißt es ja immer, dass es da manchmal ziemlich wild zugeht.«
Sie warf einen Blick auf die überfüllten Schreibtische und die Wände, an denen jede Menge Skizzen für zukünftige Serien hingen, aufgehängt an Pinnleisten. »Hier sieht es allerdings ziemlich normal aus«, fuhr sie fort. »Nach Arbeit eben, wie in den meisten Büros.«
»Setzen Sie sich doch«, bat Moritz. Dass er eigentlich ins Studio wollte, hatte er vergessen.
Sie zierte sich nicht lange, sondern kam seiner Aufforderung nach, und bevor er wusste, wie es passiert war, steckte er auch schon in einem regelrechten Verhör über das, was ihre Nichte im Sender zu erwarten hatte: Würde sie etwas lernen? Würde Moritz oder sein Kollege ein Auge auf sie haben und darauf achten, dass ihr niemand zu nahe trat? Welche Aufgaben genau würde man ihr übertragen?
Moritz fing schon bald an zu schwitzen. Sie hatten immer Praktikantinnen, Felix und er, und die liefen dann eben mit. Wenn sie klug waren, lernten sie eine Menge, waren sie zu schüchtern oder ungeschickt, bekamen sie kein Bein an die Erde. Es war hier wie überall, aber ganz so deutlich wollte er es Miriam Boldt gegenüber nicht ausdrücken.
Ganz plötzlich hörte sie auf, ihm Fragen zu stellen und sagte mit breitem Lächeln: »Sie haben keine Ahnung, oder? Entweder schafft Annika es hier allein, sich durchzusetzen oder eben nicht.«
»So ungefähr«, gab er zu. »Eine Praktikumsstelle ist ja keine Ausbildung. Die Praktikanten werden da eingesetzt, wo sie gebraucht werden, und dann kommt es allein darauf an, wie gut sie mit der Situation zurechtkommen.« Er machte eine kurze Pause, bevor er hinzusetzte: »Aber wenn sie ihrer Patentante auch nur ein bisschen ähnlich ist, hat sie gute Chancen, würde ich sagen.«
»Sie sind ganz schön raffiniert, Herr von Ohldorf, das muss ich sagen.«
»Eigentlich bin ich das nicht, vermutlich liegt es an Ihnen. Sie wirken anregend. Eben ist mir sogar ein guter Einfall für unsere Serie gekommen.«
Ihre Augen glänzten. »Erzählen Sie ihn mir?«
»Nur, wenn ich Sie zum Essen einladen darf«, hörte Moritz sich sagen. Er kam aus dem Staunen nicht heraus. Er benahm sich ja beinahe