Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens

Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman - Laura Martens


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Haushälterin nahm die junge Frau in die Arme. »Ich wußte, daß Sie zurückkommen würden«, sagte sie herzlich. »Da wird sich der Herr Doktor freuen. Und eines können Sie uns glauben, wir werden nicht eher ruhen, als bis Sie gut untergebracht sind.«

      »Danke.« Andrea blickte auf ihre Koffer, die der Taxifahrer neben die Haustür gestellt hatte und die von Franzl bewacht wurden. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich geborgen. Es war ein Abenteuer, sich einfach so ins Leben zu stürzen, aber sie hatte sich fest vorgenommen, es zu bestehen.

      *

      Melanie wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Sie nahm sich ein Zimmer in einer kleinen Pension, die in der Nähe der Klinik lag, um in Jörgs Nähe zu sein. Der junge Hotelier lag noch immer im Koma, obwohl die wenigen Verletzungen, die er bei seinem Unfall davongetragen hatte, längst verheilt waren. Melanie hatte täglich mehrere Stunden an seinem Bett verbracht. Sie hatte ihm vorgelesen, hatte ihm von ihren Untersuchungen erzählt und ihn an gemeinsame Unternehmungen erinnert.

      Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben, dachte sie, als sie zu Dr. Baumann fuhr, um mit ihm über ihre weitere Behandlung zu sprechen. Aber es war schwer, nicht den Mut zu verlieren. Unablässig sah sie das wachsbleiche Gesicht ihres Freundes vor sich, hörte das Summen der Instrumente, die ihn überwachten.

      Melanie hatte die Versicherung, bei der sie arbeitete, angerufen und ihrer Vorgesetzten gesagt, daß sie zur Zeit krankgeschrieben war und noch nicht wußte, wann sie nach Stuttgart zurückkehren würde. Für sie stand fest, daß sie Jörg nicht im Stich lassen durfte. Sie mußte bei ihm bleiben, bis er aus dem Koma erwachte und sie nicht mehr so dringend brauchte wie jetzt. Notfalls wollte sie unbezahlten Urlaub nehmen.

      Die junge Frau bog zum Haus von Dr. Baumann ab und parkte am Straßenrand. Als sie zur Praxis ging, kam ihr Franzl entgegen. Sie blieb stehen. »Na, paßt du auch schön auf, daß kein Unbefugter das Grundstück betritt?« fragte sie und kraulte ihn hinter den Ohren. »Weißt du was, wenn ich nicht allzu lange warten muß, werde ich dein Herrchen fragen, ob ich noch ein Stückchen mit dir spazierengehen darf.«

      Das Wort »spazierengehen« wirkte auf Franzl geradezu elektrisierend. Winselnd umkreiste er sie und wedelte dabei so heftig mit der Rute, daß die junge Frau sogar den Luftzug spürte.

      »Ein bißchen mußt du dich schon noch gedulden«, meinte sie, tätschelte seinen Kopf und wandte sich eilig der Praxis zu. Bevor sie die Tür öffnete, drehte sie sich noch einmal um. Franzl saß wenige Meter von ihr entfernt im Gras und starrte erwartungsvoll zu ihr hinüber. »Bis gleich!« Sie winkte ihm zu. Der Hund hob hoffnungsvoll die Ohren. Als sie die Praxis betrat, vergrub er den Kopf enttäuscht zwischen den Vorderpfoten.

      Tina Martens lächelte der jungen Frau entgegen. »Wie geht es Ihnen, Frau Berger?« fragte sie freundlich.

      »Danke, soweit ganz gut«, antwortete Melanie, »wenn ich mich auch erst daran gewöhnen muß, zuckerkrank zu sein. Es ist komisch. Bevor ich davon erfahren habe, hatte ich nicht den Wunsch, ständig etwas Süßes zu essen. Jetzt könnte ich mich durch Berge von Schokolade graben.«

      »Solange Sie sich durch die Schokolade nur graben, kann

      es nichts schaden«, entgegnete

      die Sprechstundenhilfe amüsiert. »Davon abgesehen, habe ich Ähnliches schon öfters von unseren Patienten gehört. Doch das vergeht zum Glück.«

      »Wollen wir es hoffen«, bemerkte Melanie skeptisch und nahm im Wartezimmer Platz.

      Dr. Baumann brachte Lina Becker, die ihn erneut wegen Gallenschmerzen aufgesucht hatte, nach draußen. Sie wußten beide, daß sie um eine Operation nicht herumkommen würde, aber noch hoffte Frau Becker, daß ein Wunder geschehen würde. Sie hatte Angst vor der Operation. Weniger, weil sie befürchtete, nicht wieder aufzuwachen, als vor dem Gefühl, für einige Zeit nicht mehr Herr ihrer Selbst zu sein und sich völlig anderen Menschen ausliefern zu müssen.

      »Warten Sie nicht zu lange, Frau Becker«, warnte Dr. Baumann, als er ihr die Hand reichte.

      »Ich werde darüber nachdenken«, versprach Lina Becker. »Auf Wiedersehen, Herr Doktor.«

      »Auf Wiedersehen«, antwortete Eric und bat Tina, den nächsten Patienten aufzurufen. Er wollte schon in sein Sprechzimmer zurückkehren, als Heinz Seitter die Praxis betrat. Dr. Baumann blieb noch einen Moment stehen, um mit dem Steuerinspektor a. D. einen kurzen Gruß zu wechseln. Erneut fragte er sich, ob es sich bei dem Finanzbeamten, von dem sein Studienkollege gesprochen hatte, um denselben Heinz Seitter handelte, der, seit er in Tegernsee lebte, zu seinen Patienten gehörte.

      Melanie wurde aufgerufen. Sie legte ihre Zeitschrift beiseite und trat ins Sprechzimmer. Dr. Baumann reichte ihr die Hand. »Na, wie fühlt man sich in Freiheit?« erkundigte er sich.

      »Wie neugeboren«, erwiderte die junge Frau. »Soweit man von Freiheit sprechen kann, wenn man sich jeden Tag zweimal mit Insulin spritzen muß.« Sie winkte ab. »Doch es gibt Schlimmeres.« Um ihre Lippen huschte ein flüchtiges Lächeln. »Das ist wenigstens Jörgs Meinung gewesen, als er mich ins Krankenhaus gebracht hat.«

      »Und womit er zweifelsohne recht hat.« Der Arzt bat sie Platz zu nehmen.

      Während der nächsten zehn Minuten sprachen sie über ihre weitere Behandlung. Dr. Baumann schrieb ein Rezept für Spritzen und Humaninsulin aus.

      Melanie nannte ihm den Namen der Pension, in der sie sich ein Zimmer genommen hatte. »Es mag lächerlich klingen, doch ich halte es für sehr wichtig, so nahe wie möglich bei meinem Freund zu sein«, meinte sie.

      »Ich habe heute morgen mit dem Vater Ihres Freundes gesprochen«, sagte Eric. »Herr Thomson ist sehr froh, daß es Sie gibt.«

      »Dabei hat er früher alles versucht, um Jörg und mich zu trennen«, bemerkte die junge Frau. »Davon abgesehen, kann ich es ihm nicht einmal verdenken. Er muß von Anfang an gespürt haben, daß ich nicht zu den Gästen gehöre, die gewöhnlich in seinem Hotel absteigen, und später hat er mich sogar für eine Hochstaplerin gehalten.«

      »Was ihm inzwischen leid tut.«

      »Mag sein, gesagt hat es mir Herr Thomson jedenfalls noch nicht. Wenn wir uns an Jörgs Bett treffen, ist er höflich und sehr freundlich zu mir, aber wir sprechen kaum miteinander. Seine Frau ist da anders. Ich habe sie sehr gern.«

      »Herr Thomson gehört zu den Leuten, denen es schwerfällt, einen Fehler zuzugeben«, meinte der Arzt. »Glauben Sie mir, wenn Sie ihn erst einmal näher kennengelernt haben, werden Sie ihn mögen.« Er zwinkerte ihr zu. »Spätestens, wenn Sie und Ihr Freund heiraten…«

      »Und wenn Jörg nicht mehr aus dem Koma erwacht?« fragte Melanie. »Wenn…« Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Aufschluchzend vergrub sie das Gesicht in den Händen.

      Dr. Baumann stand auf und trat hinter die junge Frau. »Ich weiß, daß es sehr schwer ist, Frau Berger, trotzdem müssen Sie ganz fest daran glauben, daß Ihr Freund wieder zu sich kommt.« Er legte die Hände auf ihre Schultern. »Ich bin überzeugt, daß er nicht nur verstehen kann, was Sie sagen, wenn Sie an seinem Bett sitzen und mit ihm sprechen, sondern daß er auch Ihre Stimmung spürt.«

      Melanie atmete tief durch. »Sie haben natürlich recht, Doktor Baumann«, meinte sie. »Nur jeder Tag, der vergeht, erhöht das Risiko, daß Jörg, wenn er aus dem Koma erwacht, behindert sein könnte.«

      »Das will ich nicht abstreiten«, antwortete Eric, »andererseits gibt es sehr viele Fälle, in denen auch nach einem langanhaltenden Koma keine Spätfolgen eingetreten sind. Und ihr Freund hat sehr viel Glück im Unglück. Er hat keine schwerwiegenden Verletzungen bei dem Unfall davongetragen. Sein Koma ist einzig und allein auf den Schock zurückzuführen.«

      »Ja, das ist wahr.« Melanie stand auf. »Wer weiß, vielleicht wird Jörg bereits morgen erwachen.« Sie strich sich mit einer müden Bewegung die Haare zurück. »Ach so, haben Sie etwas dagegen, wenn ich mit Franzl ein Stückchen spazierengehe? Ich habe es ihm versprochen.«

      »Vermutlich wird er vor der Praxis auf Sie warten.« Dr.


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