Felix Neureuther. Stefan Illek
Kleineren, den Sechs- bis Achtjährigen, die schon ein Handy haben, gegeben. Gleichzeitig ist es aber eine sehr gut informierte, sehr schlaue und weltoffene Generation. Bessere Karten für eine weiblichere, gebildetere, weltoffenere Generation gibt’s doch nicht. Ich nenne sie die Generation C, die Generation Corona. Corona wird quasi ihr Ur-Trauma sein. Ich setze viel Hoffnung in sie. Da liegt ein Tonus Rebellion in der Luft, ein Zeitalter der Rebellion, wie sich bei Fridays For Future oder Black Lives Matter eindrucksvoll zeigt. Da werden seit 40, 50 Jahren eingefahrene soziale und politische Systeme in Frage gestellt. Weil es einfach nicht mehr geht, weil der gesellschaftliche Deal nicht mehr funktioniert. Und das Potenzial, jetzt etwas zu hinterfragen und auch zu verändern, ist definitiv da. Black Lives Matter war und ist zum Beispiel die größte Sozialbewegung der bisherigen Menschheitsgeschichte! Das wurde nur durchs Internet möglich.“
Okay, ein klarer Pluspunkt für das Internet und soziale Medien. Aber werden unsere Kinder nicht trotzdem vor allem durch die Digitalisierung vom Sportmachen abgehalten? Nehmen wir allein das Thema E-Sport her. Horx: „Ein genialer Marketingtrick, dass man das alles überhaupt Sport nennen darf. Sport ist meiner Meinung nach etwas ganz anderes. Das ist Antisport. Man sieht da Leute, die in dieser Szene nach oben kommen, die sich absolut nicht als Vorbilder für unsere Kinder eignen. Die Stars dort sind mehrheitlich keine Leute, die Menschenmassen inspirieren können. Das sind technikaffine, großteils verbitterte Leute, die mit dem Fame, ihrer Berühmtheit, nicht umgehen können. Ich kenn mich in dieser Szene einigermaßen aus und sehe dort aktuell eine Art Me-too-Bewegung. Denn da passieren zwischenmenschliche absolute No-Gos. Also auch sozial total fragwürdig.“
Viele Kinder scheinen es verlernt zu haben, sich auch einmal zu langweilen. Dabei ist Langeweile doch pädagogisch sehr wertvoll. Nach 20 Minuten Langeweile beginnt ein höchst interessanter kreativer Prozess. Irgendwie scheint es so, als würde man stattdessen den schnellen Kick auf dem Smartphone suchen und fördern anstelle des oft langen, harten Weges zum sportlichen Erfolg. Dabei ist es doch so, dass die Zufriedenheit viel, viel größer ist, wenn du lange auf etwas hinarbeitest. Im Sport bekommst du diesen Kick nicht so häufig. Aber wenn du dann da ganz oben stehst, dann ist der Kick einfach gewaltig! Horx: „Biochemisch und evolutionär sind wir Menschen einfach darauf programmiert, den kürzesten Weg zur Befriedigung zu wählen. Das Smartphone bringt diesen Minikick mit diesen ganzen Handyspielen sehr schnell. Social Media auch. Zum Beispiel durch diese leuchtenden, roten Zahlen, die dir auf Facebook sagen, dass jemand deinen Beitrag geliked hat. Die Aufgabe ist es, diesen Instinkt zu überwinden und lieber fürs Langziel, für den verspäteten, aber länger anhaltenden Kick zu arbeiten. Ein gutes Beispiel ist das im Langstreckenlauf und teilweise auch im Radsport bekannte Runner’s High, dieser Laufkick, den du aber nur dann bekommen kannst, wenn du davor zwei bis vier Wochen richtig leidest.“
Trotzdem täuscht der Eindruck nicht, dass gerade durch Instagram & Co. die sportliche Betätigung und die Gesundheit bei den Kids eine Schlüsselrolle spielt und weiter spielen wird. Schließlich will man ja gut ausschauen, wenn man Fotos von sich postet. Irgendwie seltsam, aber immerhin auch ein Anreiz für Bewegung. Wie sieht Horx die Rolle des Sports in der Zukunft? Ist Gesundheit wirklich nur die Abwesenheit von Krankheit? „Nein, es ist viel mehr. Und das ist mittlerweile allen klar. Würde ein Arzt quasi dein Gesundheitscoach sein und Geld dafür bekommen, wenn du als Patient einfach nur gesund bleibst, was würde er als erstes verschreiben? Ganz klar: Sport! Er ist die einfachste, zentralste Lösung in Gesundheitsfragen. Auch für die psychische Gesundheit. Social Media machen depressiv, das ist erwiesen. Du hast zwar virtuell 5.000 Freunde, aber das ist weder realistisch noch gesund. Ein wahres soziales Umfeld beschränkt sich im Durchschnitt auf maximal 200 Menschen. Teamsport bildet Gemeinschaften, bringt echte Kontakte. Es bleiben also zwei zentrale Erkenntnisse: Erstens, beim Sport vergisst du nach einer gewissen Zeit dein Smartphone. Und zweitens, Sport ist eine gemeinsame, kollektive Erfahrung.“
Und wie schaut’s mit „meinem“ geliebten Skisport aus? Hat der überhaupt noch eine Chance? Ist es ökologisch vertretbar, in Zukunft Ski fahren gehen zu wollen? „Der Skisport hat das Problem, als ökologisches Strafkind herangezogen zu werden. Ich sehe aber eine recht einfache Möglichkeit, das Ganze leicht umzudrehen, das Image ins Gegenteil zu wandeln. Was man von der Natur nimmt, soll man nicht eins zu eins, sondern deutlich mehr als eins zu eins zurückgeben! Dadurch würde der Imagewandel recht schnell und einfach gelingen. Die Stärke der Seilbahnindustrie ist verrückt. Da wäre es doch wohl kein Problem, 20 Prozent der Umsätze in die Erhaltung der Natur zu stecken. Man kann über den Skisport zeigen, wie schön die Berge sind. Und die Berge und die Natur dadurch gleichzeitig sogar stärken und fördern. So tut man quasi etwas Gutes, wenn man Ski fahren geht, und damit wäre das Ding gedreht. Tut man das hingegen nicht, wird das nicht mehr lange funktionieren, weil die jüngere Generation ganz einfach nicht mehr mitmacht. Das Argument, dass Strukturen zu eingefahren und nicht zu verändern sind, zählt nicht mehr. Denn bei Corona hat man gesehen, dass quasi die ganze Welt innerhalb weniger Tage heruntergefahren werden kann … Wenn es wirklich notwendig ist!“
DIE LÖSUNGSVORSCHLÄGE |
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•Mehr Grundvertrauen in die neue Generation, die Generation C(orona).
•Mehr Bodenhaftung der Spitzensportler – im persönlichen Umgang mit Kindern, aber auch bei den Gehältern und bei der Selbstinszenierung auf Social Media.
•Stopp der Überindividualisierung – Erwachsene, die Kinder bekommen, müssen auch wieder bereit sein, mehr Kompromisse zum Wohl ihrer Kinder einzugehen.
•Die Entlohnung für ein Engagement im Breitensport muss deutlich höher werden.
•Sport als Medizin ansehen und etablieren – Sport ist die zentralste Lösung in körperlichen und psychischen Gesundheitsfragen.
•Revolution des Bildungssystems – tägliche Sportstunde.
•Der Skisport muss vom ökologischen Strafkind zum Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit werden. Nicht eins zu eins, sondern deutlich mehr als eins zu eins muss der Natur zurückgegeben werden.
•Sportbildung und Zukunftsbildung als verpflichtende Schulfächer.
Marcel Hirscher und Felix Neureuther, Konkurrenten und Freunde
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