Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte. Norbert Aping
ihn, aber monatelang geschah nichts. Die Schreiben der FSK wurden immer bestimmter und erreichten, dass der Prüfantrag Ende November 1958 gestellt wurde. Ende Dezember wurde … UND DAS IST AUCH GUT SO! als Kulturfilm für Kinder ab sechs Jahren freigegeben (Schriftverkehr ab Juni 1958, Antrag und Freigabebescheinigung in FSK-Akten Nr. 18 729-S).
Der Zuspruch der Zuschauer war groß. Mit beiden Programmen setzte Dühlmeyer den Tournee-Betrieb bis 1963 fort. Rückenwind bekam er möglicherweise durch Schwiers TV-Serie ES DARF GELACHT WERDEN, die seit September 1961 in einem Ambiente auf den Bildschirmen zu sehen war, das zu den Live-Auftritten passte. Bei den jahrelangen Tourneen waren Ermüdungserscheinungen jedoch nicht ausgeblieben. Dühlmeyer suchte nach Möglichkeiten, sein filmisches Interesse vielfältiger ausleben zu können und auch nach mehr beruflicher Sicherheit. Daher gab er das Tourneeleben auf und wurde freier Mitarbeiter des NDR in Hannover. Für den Sender drehte er fortan kleine Filme und Reportagen. Dabei war zum Beispiel seine Ein-Mann-Schau DIE MODERNEN MÄRCHENERZÄHLER, mit dem er in 16 Kapiteln die heutige Werbung auf die Schippe nahm (gesendet im ARD-Hauptprogramm am 14. Juni 1970). 1973 wurde er Produktionsleiter im Funkhaus Hannover, arbeitete aber auch weiterhin als Regisseur regionaler und überregionaler TV-Produktionen. Trotz jahrelanger Tätigkeit für den NDR war er auch jetzt immer noch freier Mitarbeiter, und der Sender sperrte sich gegen seine Festanstellung. Um diese musste Dühlmeyer kämpfen. Er erreichte sie nur durch einen Arbeitsgerichtsprozess, der bis in die zweite Instanz zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen geführt wurde. 1984 sollte er die Leitung des Funkhauses Hannover übernehmen und einen sogenannten Ier-Vertrag des NDR erhalten. Dazu kam es nicht mehr. Dühlmeyer starb am 12. Februar überraschend während einer Kur in Bad Wiessee im Alter von nur 58 Jahren (Interview Christine Dühlmeyer nebst Unterlagen).
Gerd F. Reetz: RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE im Kino
Nachdem Dühlmeyer 1963 freier Mitarbeiter des NDR geworden war, gab es weiterhin Anfragen, ob er nicht mit RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE auftreten wolle. Aus Zeitgründen lehnte er ab. Es ergab sich jedoch ein Kontakt zu Gerd F. Reetz aus München-Grünwald (Interview Christine Dühlmeyer). Im Ergebnis konnte Reetz Friedrich Martins Programm fortführen. Ob Martins Witwe dabei eine Rolle spielte und womöglich ihr Vertrag mit Dühlmeyer ausgelaufen war, hat sich nicht klären lassen.
Anders als vor ihm Jerven, Martin und Dühlmeyer hatte Reetz nicht die Absicht, mit den Stummfilmen auf Tournee zu gehen. Vielmehr wollte er nach dem Vorbild von CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE ein Programm mit Rahmenhandlung, Conférencen und Musik am Kintopp-Piano filmen und in die Kinos bringen. Dafür tat er sich mit dem Produzenten Hans-Theo Fusswinkel zusammen. Die Regie für das Unternehmen übertrug man dem ungarischen Filmregisseur Ákos von Ráthonyi, von dem zuletzt Streifen wie der Edgar-Wallace-Film DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN (1961) und der deutsch-jugoslawische Horror-Streifen DER FLUCH DER GRÜNEN AUGEN (1963) mit Adrian Hoven und Wolfgang Preiss stammten. In keiner Filmografie taucht bisher von Ráthonyis Arbeit an RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE auf. Das Filmwerk stand nicht zur Besichtigung zur Verfügung. Die inhaltlichen Hinweise ergeben sich lediglich aus der Publikation Der deutsche Film 1964 aus dem Verlag der Berliner Filmblätter, dem Werberatschlag zu dem Programm und den Akten der FSK, die den Film am 15. März 1965 für Kinder ab sechs Jahren freigab (Nr. 33 641).
Produziert wurde diese Ausgabe von RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE von der Firma Refu-Film GmbH. Reetz und Fusswinkel hatten sie durch Gesellschaftsvertrag vom 27. November 1964 gegründet, und die Firma wurde am 20. Januar 1965 ins Handelsregister eingetragen (Bundesanzeiger vom 3. Februar 1965). Außenaufnahmen für die Rahmenhandlung, die 280 m des insgesamt 2 050 m oder 76 Minuten langen Streifens ausmachten (Schreiben Reetz an FSK vom 10. April 1965), sollen 1964 in London, Paris, Kopenhagen, Venedig, Berlin, Friedrichshafen und an der Riviera gedreht worden sein. Die Studio-Aufnahmen hingegen fanden im selben Jahr bei der RIVA-film und lichttechnische Betriebe GmbH in München-Unterföhring statt, bevor diese ihre verbliebenen Ateliers 1966 an das ZDF verkaufte. Reetz übernahm die Rolle des Film-Erklärers Alois Bimslechner, das Kintopp-Piano spielte Dr. Peter Wehle als Mario Klimpernelli, und Heinz Plate war als Operateur Otto Zickendraht zu sehen, alle in großväterlicher Aufmachung und Reetz dazu mit Zeigestock.
Der deutsche Film 1964 druckte für RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE einen Werbetext der Refu-Film ab (S. 32): «Hereinspaziert! Hier sehen Sie, was die Welt bewegte, die Gemüter erschütterte, Aufsehen erregte. Das Zelluloid als Geschichtsbuch: Wochenschauen aus der Zeit der Jahrhundertwende, Berichte von den ersten Automobilrennen und epochemachenden Flugversuchen. Sie erleben die frühen Dramen der Leinwand, Sie werden gebannt sein und zu Tränen gerührt von KINDERRAUB, DRAMA AN DER RIVIERA und CLEOPATRA. Liebe alte Bekannte steigen heraus aus der Flimmerkiste: Hans Albers und Asta Nielsen, Marlene Dietrich, Willy Forst, Adele Sandrock – die Großen des Films, die längst Vergessenen, die ewig Jungen. Kommen Sie näher, meine Herrschaften! Unser Raritätenkabinett lädt Sie ein zu einem Spaziergang durch die Kindheitstage des Films …»
Präsentiert wurde das von Hans-Joachim Boldt in München vertriebene Werk laut Werberatschlag «zum 70. Geburtstag des Films». Die Aushänge für die Schaukästen der Kinos waren ungewöhnlich: keine Fotos, sondern ein Verleihsatz von 25 Karikaturen. Sie stammten vom Zeichner Peter Großkreuz, der unter anderem Witzseiten für Illustrierte gestaltete, und stellten verschiedene Stummfilmkünstler oder dokumentarische Ereignisse der RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE dar, außerdem Reetz und Wehle. Asta Nielsen war «die Dämonische», Adele Sandrock wurde «aber meine Damen …!» in den Mund gelegt, Harry Liedtke gab sich als «ungetreuer Husar», und auf dem Bild mit vollbekleideten Damen auf Startblöcken eines Schwimmbades stand: «Doch der Sport für alle Schlimmen war schon damals: Damenschwimmen.» Zu den originellsten Ergebnissen der Filmwerbung hat dieser Verleihsatz vermutlich 1964/65 nicht gehört.
Als Reetz und Fusswinkel am 23. Januar 1965 den Prüfantrag bei der FSK für ihr Programm einreichten, holte diese Erkundigungen ein und nahm nach der Freigabe vom 15. März 1965 mit Dühlmeyer Kontakt auf. Er war damit einverstanden, dass die Firma sowohl den Titel RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE als auch Teile daraus verwendete. Aus … UND DAS IST AUCH GUT SO! durfte sie sich nicht bedienen, aber dafür besaß ohnehin er die Negative (Vermerk FSK über Telefonat vom 19. März 1965 mit Dühlmeyer). Daraufhin forderte die FSK die Refu-Film auf mitzuteilen, dass ihr Programm ausschließlich auf Martins Programmfassung zurückgehe, für die Dühlmeyer als Verleiher galt. Dies bestätigte Reetz der FSK (Schreiben FSK vom 22. März und 5. April 1965 an Refu-Film GmbH und deren Antwort vom 10. April 1965).
RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE: Mario Klimpernelli (Dr. Peter Wehle, links) und Alois Bimslechner (Gerd F. Reetz)
Ein nennenswerter Erfolg, der an Martins und Dühlmeyers Auftritte anknüpfen konnte, dürfte die Kinofassung RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE nicht gewesen sein. Filmkritiken haben sich weder im Schriftgutarchiv der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin noch beim Deutschen Filminstitut und Filmmuseum in Frankfurt a. M. finden lassen. Der Streifen wurde auch weder von den beiden damals noch erscheinenden Branchenblättern film-echo/Filmwoche und Filmblätter erwähnt, geschweige denn besprochen. Lediglich im Verleih-Katalog film-echo / Filmwoche von 1966/67 ist vermerkt (S. 64): «Umarbeitung des gleichnamigen 1956 hergestellten Films unter Verwendung von Archivmaterial».
War die abgefilmte Version weniger zündend und attraktiv als Präsentationen von Martin, Schwier und Dühlmeyer? Lag es vielleicht am Fehlen der echten Live-Atmosphäre? Denkbar ist auch, dass die Produktion gegen die Konkurrenz von Schwiers Serie ES DARF GELACHT WERDEN wenig Chancen besaß, auch wenn diese am 8. September 1965 eingestellt wurde. So verschwand Jervens GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE, von Martin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges umgetauft in RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE, rund 30 Jahre nach der Entstehung sang- und klanglos von der Kinoleinwand und aus dem Bewusstsein des Publikums. Reetz schied am 7. Februar 1966 als Geschäftsführer der Refu-Film aus (Bundesanzeiger vom 23. Februar 1966). Nach einer Reorganisation im Jahr 1974 befasste sie sich weiter mit der Herstellung und Produktion von Filmen für Kino und Fernsehen oder der Beteiligung daran (Bundesanzeiger