Soziale Arbeit studieren. Rudolf Bieker

Soziale Arbeit studieren - Rudolf Bieker


Скачать книгу

      Ein Studium unterscheidet sich von schulischer Bildung vor allem durch seine größere Gestaltbarkeit und das höhere Maß an Eigenverantwortung für Lernprozess und Lernergebnis. Das Kapitel zeigt Ihnen, wie Sie nicht nur das Studium selbst, sondern die gesamte Studienzeit zielorientiert und anforderungsbezogen gestalten können. Darüber hinaus erhalten Sie eine Vielzahl von Hinweisen für Ihr Lernen im Studium.

      1 Studieren

      1.1 Akademisches Lernen

      Mit dem so genannten »Bologna-Prozess«, der auf die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums abzielt (Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen), sind u. a. Effektivität und Effizienz des Studiums in den Vordergrund gerückt. Die Lernprogramme wurden allerorten durchgeregelt, die Studienzeiten verkürzt. Die Tendenz zur Verschulung der Hochschulstudiengänge ist unverkennbar. Das gilt auch für die Soziale Arbeit.

      Wer sich heute für ein Studium der Sozialen Arbeit entscheidet, findet aber durchaus noch Gestaltungspotenziale vor. Nach wie vor geht es im Studium darum, sich selbst Ziele zu setzen, eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen und wahrzunehmen und die Hochschule als das zu sehen, was sie ist: eine akademische Dienstleisterin, die einen notwendigen, aber nicht hinreichenden Beitrag zu der angestrebten Selbstqualifizierung leistet. Uni-Lernen bedeutet immer auch, Selbstverantwortung zu übernehmen, für den Lernprozess und für das Lernergebnis.

      Eine Studentin des 6. Semesters

      »Die Hochschule hat zu meinem beruflichen sowie persönlichen Entwicklungsprozess beigetragen. Ich habe neben dem fachlichen Wissenszuwachs ein Netzwerk für den Übergang in das Berufsleben aufbauen können. Ich hatte die Möglichkeit, mich einzubringen, und ich habe gelernt, mich kritisch zu äußern. Dazu beigetragen hat die Lehr- und Studienkultur an der Hochschule. Neben den → Vorlesungen und → Seminaren habe ich die Chance genutzt als studentische Hilfskraft an den Entwicklungsprozessen der Hochschule mitzuwirken. Ich empfehle allen Studierenden, die Möglichkeiten der Mitbestimmung, Selbstreflexion und Weiterbildung zu nutzen, denn diese Gelegenheit kommt nicht so schnell wieder« (Kimberly Fleitmann, Studentin an der Hochschule Niederrhein, 2020).

      Das akademische Lernen unterscheidet sich von dem eher passiv-rezeptiven schulischen Lernen durch seine stärker selbstaktive und forschende Ausrichtung. Es geht nicht um bloßes Nachbeten eines vorgegebenen, flüchtig angelesenen Stoffes und die Reproduktion von Faktenwissen, sondern um den Erwerb von Problemlösungskompetenzen. Die Lösungen, um die es geht, sind nicht-technischer Natur; sie können nicht vorhersagbar »bewirkt«, sondern nur im engen Zusammenwirken mit dem »Kunden« ausgehandelt und ausprobiert werden. Der Erwerb von Problemlösungskompetenz erfordert im Studium u. a.

      • sich mithilfe von Fachliteratur selbsttätig und kritisch reflektierend mit Theorien, Konzepten und Methoden der Sozialen Arbeit und ihrer Bezugsdisziplinen auseinanderzusetzen;

      • Lernangebote tatsächlich auszuschöpfen (»hingehen statt liegenbleiben«);

      • im Bedarfsfalle einzufordern, dass sich Kompetenzerwerb nicht auf die Wiedergabe von Klausurwissen beschränkt;

      • Praxis zu entdecken und fachliches Handeln zu erproben (handlungsorientiertes Lernen);

      • sich mit → Kommiliton*innen und → Lehrenden auszutauschen, um nicht nur das wissenschaftliche Lernen, sondern auch das soziale Lernen zu fördern;

      • auf die Qualität der Lehre und lernförderliche Studienbedingungen zu drängen (z. B. durch eigenes Engagement in der Hochschulselbstverwaltung);

      • durch eigenständige Lebensführung außerhalb des Elternhauses Lebenserfahrung zu sammeln, ohne die die Soziale Arbeit nicht auskommt.

      Berufliche Handlungskompetenz ist in erster Linie eine Bringschuld der Hochschule; die Verantwortung dafür kann sie nicht auf Studierende abwälzen. Wie eine Problemlösung in der Sozialen Arbeit entsteht aber auch berufliche Handlungskompetenz nur in Co-Produktion zwischen Lehrenden, Studierenden und Praxis. Studierende tun gut daran, sich bei diesem Joint-Venture nicht nur auf vorgefertigte Lernpakete einzulassen, sondern auch darüber hinaus die Chance zum Kompetenzerwerb zu ergreifen. Schon dies spricht dafür, sich aktiv mit der Planung und Organisation des eigenen Studiums auseinanderzusetzen.

      1.2 Motivation und Gesundheit

      Motivation und Gesundheit sind wichtige Bedingungen für ein erfolgreiches und angenehmes Studium. Es werden folgende Motivationsformen unterschieden:

      • Intrinsische Motivation: Wenn man sich für die Inhalte des Lernstoffes interessiert und man diesen Inhalt deshalb erwerben will.

      • Extrinsische Motivation: Wenn es nicht der Inhalt selbst ist, der einen interessiert, sondern wenn sich die Motivation aus den dahinterliegenden Konsequenzen, z. B. dem Studienabschluss, speist.

      Intrinsisch motivierte Studierende lernen meistens effektiver. Wenn Gedanken und Gefühle im Einklang auf eine Handlung gerichtet sind und keine Störung der Konzentration erfolgt, nennt man das »Flow erleben«. Der Flow kann Ihnen sehr viel Energie bringen, die Sie für den nächsten Lernschritt einsetzen können.

      Setzen Sie sich anspruchsvolle, aber realistische Ziele im Studium, denn Erfolgserlebnisse sind der beste Motivator. Gliedern Sie große Ziele und Aufgaben in kleinere Einheiten auf, um sich zu motivieren.

      Konzentration ist wichtig, um effektiv lernen zu können. Schaffen Sie sich Rituale, um sich auf das Lernen einzustimmen (z. B. Konzentrationsübung). Suchen Sie sich einen ruhigen Arbeitsplatz, an dem Sie ungestört arbeiten können. Oft leidet die Konzentration, wenn man während einer anspruchsvollen Tätigkeit Musik hört (Spoun 2011, 25 ff.).

      Im Schlaf verarbeiten Sie erlerntes Wissen und verankern dieses in Ihrem Gedächtnis (»Postprocessing«). Achten Sie deshalb auf Ihren Schlaf: Schlafen Sie ausreichend viel und am Stück. Wenn Sie kurz vor der Prüfung die Nächte durchlernen, verhindern Sie die Verarbeitung und Verankerung des Gelernten während des Nachtschlafes.

      Achten Sie weiterhin auf eine gesunde Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralien. Weiterhin sollten Sie Sport treiben, da geistige Ausdauer durch körperliche Bewegung gefördert werden kann (Spoun 2011, 29 f.).

      Für viele Studierende ist es eine Herausforderung, ihren »inneren Schweinehund« zu besiegen. Auf einmal wirken selbst Kochen und Putzen interessanter, als die Abschlussarbeit zu schreiben.

      Tipps für den Kampf gegen den »inneren Schweinehund«

      • Versuchen Sie grundsätzlich zu akzeptieren, dass Sie als Lernende den Anspruch auf eine »perfekte Leistung« noch nicht erfüllen können. Das gibt Ihnen den Mut anzufangen, statt sich zu überfordern.

      • Lassen Sie sich von den Leistungen anderer Personen nicht einschüchtern.

      • Erfinden Sie keine Ausreden, wie z. B. »Ich kann an meinem Referat noch nicht arbeiten, mir fehlt noch ein Buch.«

      • Wenn Sie verzweifelt vor dem PC sitzen und nicht wissen, wie und wo Sie beginnen sollen, fangen Sie mit dem Schreiben einer einfachen Passage an. Das ist besser als sich darauf zu berufen, es falle Ihnen nichts Vernünftiges ein. Bei Formulierungsschwierigkeiten schreiben Sie erst einmal so, wie es Ihnen richtig erscheint.

      • Haben Sie Probleme, sich an den Schreibtisch zu setzen und vertrödeln die Zeit mit anderen Tätigkeiten? Planen Sie die Aufgaben und Arbeitsschritte mit Fristen, sodass sie die Konsequenzen sehen können, wenn Sie die Arbeit aufschieben. Legen Sie am Ende Ihres Arbeitstages fest, was genau Sie am nächsten Tag machen wollen.

      • Gönnen Sie sich Pausen und belohnen Sie sich nach erfolgreicher Arbeit.

      1.3 Verhalten an der Hochschule

      Mit Ihrem Studium treten Sie in eine »neue Welt« ein, die über eigene Regeln, Erwartungen und Gepflogenheiten verfügt. Zum Teil beruhen


Скачать книгу