Soziale Arbeit studieren. Rudolf Bieker
sondern seltsam erscheinen mögen. Diese »neue Welt Hochschule« löst zwangsläufig die Frage aus, wie man sich darin angemessen bewegen soll und ob Verhaltensweisen, die andernorts richtig und erwünscht sind, bruchlos in diesen neuen Kosmos übertragen werden können. Lassen Sie sich durch das Unbekannte nicht verunsichern; finden Sie in Ruhe heraus, wie dieser Kosmos, in dem wissenschaftliche Spitzenleistung und organisatorisches Chaos Hand in Hand gehen können, »tickt«, was man in dieser eigenen Welt von Ihnen als Studierende erwartet und wie Sie dieses unbekannte Terrain für ein erfolgreiches und wohltuendes Studium nutzen können. Einige grundlegende Verhaltensregeln mögen Ihnen hierbei helfen.
1.3.1 Umgang mit Kommiliton*innen
Ihre Mitstudierenden werden als → Kommiliton*innen bezeichnet. In der Regel duzen sich Studierende untereinander. Es ist wichtig, dass Sie sich gegenüber Ihren Kommiliton*innen offen und freundlich verhalten, denn im Laufe Ihres Studiums werden Sie immer wieder zusammenarbeiten (müssen). Viele Referate (das sind Vorträge in einem → Seminar) werden in einer Gruppe erarbeitet. Lerngruppen erleichtern Ihnen die Prüfungsvorbereitung, und falls Sie mal eine Veranstaltung wegen Krankheit verpassen, können Sie Unterlagen und Mitschriften von Ihren Kommiliton*innen erbitten.
An der Hochschule entstehen viele Freundschaften, daher nutzen Sie die Chance neue Menschen kennenzulernen. Es ist normal, dass man nicht jeden Menschen sympathisch findet, jedoch kann es trotzdem sein, dass Sie mit Menschen zusammenarbeiten müssen, die Sie nicht als Freunde ansehen. In solchen Situationen ist von Ihnen ein professioneller, kollegialer Umgang gefordert. In Ihrem Berufsleben werden Sie immer wieder »schwierigen Menschen« begegnen. Auch wenn Sie Kommiliton*innen nicht als Klient*innen ansehen sollten, dürfen Sie den Umgang mit individuellen Eigenheiten schon im Studium aktiv einüben.
1.3.2 Umgang mit Lehrenden
Lehrende erwarten, dass Studierende ihnen mit derselben Höflichkeit und Verbindlichkeit begegnen, wie diese es auch umgekehrt erwarten. → Lehrende sind Expert*innen in Ihrem Fachgebiet, die sich für ihre Aufgabe lange qualifiziert haben. Schon deshalb sollten Sie Ihnen mit Respekt gegenübertreten.
Meistens ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass Sie etwas von einer Lehrperson möchten: einen Rat, ein Hausarbeitsthema, die Erläuterung einer Note o. Ä. Sie sollten darauf achten, der Lehrperson keine unnötige Arbeit zu machen, indem Sie z. B. Sprechstundenbesuche ordentlich vorbereiten und notwendige Materialien mitbringen.
Ob Sie eine Lehrperson mit oder ohne Titel (Professor*in oder Doktor*in) ansprechen sollen, erfahren Sie im Verlauf der Kommunikation. Beginnen Sie immer so höflich wie möglich, d. h. sprechen/schreiben Sie die Lehrperson zunächst mit Titel an. Die Person wird Ihnen dann direkt oder indirekt zu verstehen geben, ob es notwendig ist, dass Sie die Titel nennen.
Einen umfassenden Leitfaden zur »Gestaltung von Sprechstunden und Zusammenarbeit mit Lehrenden durch Studierende« finden Sie auf den Webseiten des Service Center Selbststudium der Universität Bielefeld (siehe Literaturempfehlungen).
1.3.3 Umgang mit Mitarbeiter*innen
Neben den → Lehrenden arbeiten an der Hochschule viele Verwaltungskräfte, z. B. in den Sekretariaten, den Prüfungsämtern, der Technik etc. Diese sind unerlässlich, um eine Hochschule zu betreiben. Viele der Verwaltungsmitarbeitenden stehen unter einer hohen Arbeitsbelastung und verdienen Respekt und Freundlichkeit Ihrerseits. Bedenken Sie daher Ihren Ton und Ihr Verhalten, wenn Sie nach einer Studienbescheinigung oder anderem fragen. Für forderndes und überhebliches Verhalten ist auch gegenüber dieser Mitarbeitendengruppe kein Platz.
1.3.4 Die Bedeutung der Sprache/E-Mail-Kommunikation
Hochschulmitarbeitende verbringen viel Zeit damit, Mails von Studierenden zu beantworten. Unhöfliche Mails bzw. unnötige Fragen werden ungern, manchmal auch gar nicht beantwortet. Die Arbeitsbelastung der meisten → Lehrenden ist hoch, auch wenn dies für Studierende oft nicht ersichtlich ist. Denn Lehrende unterrichten nicht nur, sondern forschen auch, arbeiten an wissenschaftlichen Publikationen, organisieren wissenschaftliche Tagungen, betreiben Praxisentwicklung, erstellen Gutachten etc.
Um komplexere Fragen zu klären, sind persönliche Gespräche meist besser geeignet, als ein langer Schriftverkehr per E-Mail. Wenn Sie dennoch eine Mail schreiben, sollten Sie die folgenden Kriterien beachten, damit Sie möglichst eine Antwort erhalten.
Kriterien für eine gelungene E-Mail-Kommunikation
1. Verwenden Sie allgemein übliche Anrede- und Verabschiedungsformeln und achten Sie auf einen höflichen Sprachstil.
2. Nutzen Sie Ihre Hochschul-Mailadresse.
3. Verwenden Sie aussagekräftige Betreffzeilen.
4. Vermeiden Sie Rechtschreibfehler.
5. Fassen Sie sich möglichst kurz.
6. Verwenden Sie aussagekräftige Dateinamen und lesbare Dateiformate (z. B. pdf).
7. Schreiben Sie nur wirklich notwendige Mails.
8. Wenn Sie keine Antwort erhalten, suchen Sie die Sprechstunde der Lehrperson auf. (Obermaier 2017, 138 ff.)
1.3.5 Kleidung
Kleiden Sie sich nach allgemein üblichen Gepflogenheiten, die im Berufsleben gelten. Es ist weder üblich noch wird es erwartet, dass Sie im Anzug/Kostüm zu einer regulären Lehrveranstaltung kommen, aber achten Sie auf saubere und gepflegte Kleidung. Provozierende Kleidung (z. B. Symbole) kann dazu führen, dass Sie hauptsächlich auf das Statement Ihrer Kleidung »reduziert« werden.
In individuellen Prüfungssituationen sollten Sie formalere Kleidung wählen. Auch dabei wird kein Kostüm/Anzug erwartet, aber Ihr Respekt gegenüber den Prüfenden und der Prüfungssituation sollte sich in Ihrer Kleidung wiederfinden. Daher sollten Sie z. B. ein Hemd/eine Bluse und eine gepflegte Beinbekleidung wählen. Je wichtiger die Prüfungssituation, desto formaler und »hochwertiger« sollten Sie sich kleiden.
Kotthaus, J. (2014): FAQ Wissenschaftliches Arbeiten. Für Studierende der Sozialen Arbeit. Leverkusen: Budrich.
Service Center Selbststudium (Hg.) (2020): Handreichung: Gestaltung von Sprechstunden und Zusammenarbeit mit Lehrenden durch Studierende. Universität Bielefeld. Online: https://www.uni-bielefeld.de/ew/scs/pdf/leitfaeden/studierende/sprechstunden.pdf, Aufruf: 30.03.2020.
2 Planung und Organisation des Studiums
2.1 Warum Planung wichtig ist
Planung meint den zielgerichteten Umgang mit Zeit, bezogen auf einen zukünftigen Zeitraum: Wie will ich die kürzere und längere Zeit, die vor mir liegt, verwenden?
Planen bedeutet konkret
• sich für einen überschaubaren Zeitraum Ziele zu setzen (Was will ich? Worauf will ich hinaus?);
• die Arbeitsschritte zu definieren, die erforderlich sind, um gewünschte Ziele zu erreichen;
• einen Zeitplan für die Umsetzung der Arbeitsschritte zu erstellen (Was muss ich wann tun?);
• nachzuhalten, ob die Umsetzung der Arbeitsschritte erfolgreich verläuft (Gibt es Probleme bei der Umsetzung? Welcher Art sind die Probleme? Was sollte ich ändern?).
Planung gehört bei vielen Studierenden der Sozialen Arbeit nicht gerade zu den beliebten Themen. Manche Studierende setzen Planung sogar unbesehen mit Ver-Planung gleich. Planung erscheint als Gegensatz zu Selbstbestimmung und flexibler Gestaltung