Die neue Praxis Dr. Norden 1 – Arztserie. Carmen Lindenau

Die neue Praxis Dr. Norden 1 – Arztserie - Carmen Lindenau


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nicht leiden, das ist der Grund für die schlechten Noten.«

      »Das stimmt nicht, Frau Meier.«

      »Freilich stimmt’s, mein Sohn und meine Schwiegertochter sind davon überzeugt, dass Sie andere Kinder, die in beiden Fächern nicht mehr glänzen als unser Marius, besser bewertet haben, weil sie Ihnen lieber sind als unser Junge.«

      »Meine Noten sind keine Sympathienoten.«

      »Wer’s glaubt«, entgegnete Gusti Meier schnippisch.

      »Darf ich mal vorbei?«, bat Danny, der nach Franziska sehen wollte und nicht an Gusti vorbeikam.

      »Bitte sehr, Herr Doktor«, sagte sie und wich zur Seite.

      »Wären Sie so freundlich und würden wieder ins Wartezimmer gehen?«, wandte sich Lydia an Gusti, die Danny neugierig nachschaute, bis er die Tür hinter sich schloss.

      »Bin schon auf dem Weg«, entgegnete Gusti und ging zurück ins Wartezimmer. »Manche scheuen aber auch vor gar nichts zurück, um sich ein gemütliches Leben zu machen«, sagte sie und erzählte den anderen Patienten, von denen sie offensichtlich die meisten kannte, dass die Mathematiklehrerin aus dem Gymnasium einen Unfall nach dem anderen provoziere, um sich freie Zeit zu verschaffen.

      Währenddessen erzählte Franziska Danny von dem Unfall, und nachdem er sie gründlich untersucht hatte, stellte er fest, dass sie sich eine Hüftprellung zugezogen hatte. An ihrem frisch operierten Knie konnte er keine neue Verletzung erkennen.

      »Er hat mich wohl mit der Motorhaube an der Hüfte gestreift, und ich bin instinktiv auf die Seite gefallen, um meine Knie nicht zu belasten«, rekonstruierte Franziska den Unfallhergang.

      »In Gefahrensituationen fehlt uns für eine vernünftige Überlegung die Zeit. Glücklicherweise können wir uns in diesen Momenten recht gut auf unsere Instinkte verlassen«, sagte Danny, der ihre Reaktion gut nachvollziehen konnte.

      »Zum Nachdenken war wirklich keine Zeit mehr. Wäre dieses Auto allerdings nur ein oder zwei Sekunden später aus der Parklücke herausgeschossen, dann hätte es mich frontal erwischt, und ich hätte nicht die Spur einer Chance gehabt, mich zu retten.«

      »So war es aber nicht, und Sie sollten sich diese Möglichkeit auch nicht ausmalen. Sie hatten Glück gehabt und wurden nicht schwer verletzt, das ist alles, was für Sie zählen sollte.«

      »Sie haben recht, ich werde Ihren Rat befolgen«, stimmte Franziska Danny zu.

      »Gute Idee«, antwortete er lächelnd. »Ich verschreibe Ihnen eine Salbe, die tragen Sie mehrmals täglich auf die schmerzenden Stellen auf. Mehr können Sie erst einmal nicht tun. Die Prellung heilt von allein«, versicherte er ihr.

      »Wenn das alles ist, hatte ich wirklich unglaublich viel Glück«, stellte sie erleichtert fest.

      »Das hatten Sie, ohne Zweifel«, stimmte Danny ihr zu. »Ursprünglich wollten Sie aber wegen Ihres Knies zu mir, wie mir Frau Seeger sagte.«

      »Ja, das ist richtig. Mein Knie wurde vor sechs Wochen arthroskopisch untersucht. Während der Operation wurde ich mit Keimen infiziert und musste vier Wochen lang Antibiotika nehmen. Zu Orthopäden habe ich im Moment leider kein Vertrauen mehr, zumal sich herausgestellt hat, dass die Untersuchung ohne Befund war.«

      »Weshalb wurde die Arthroskopie gemacht?«

      »Ich bin während eines Volleyballspiels auf die Knie gefallen und hatte eine Zeit lang Schmerzen. Mein Hausarzt schickte mich zu einem Orthopäden, und der schlug diese Untersuchung vor.«

      »Hat er sie selbst durchgeführt?«

      »Ja, in der Klinik, in der er einige Belegbetten hat. Ich würde gern wissen, ob dieser Eingriff wirklich nötig war. Als mein neuer Hausarzt könnten Sie sich doch die Krankenakte ansehen.«

      »Wenn Sie mir eine Vollmacht unterschreiben, besorge ich mir die Akte. Haben Sie vor, gegen das Krankenhaus oder den Orthopäden, wegen der Sache mit den Keimen, eine Klage einzureichen?«, fragte Danny, damit er gleich wusste, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.

      »Bisher noch nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das tun werde. Ein Krankenhaus oder einen Arzt zu verklagen, stelle ich mir anstrengend vor.«

      »Das heißt aber nicht, dass Patienten einfach alles hinnehmen müssen.«

      »Zuerst will ich gesund werden, dann sehe ich weiter. Kann ich Ihnen die Vollmacht gleich ausstellen?«

      »Ich sage Frau Seeger Bescheid, Sie wird sich darum kümmern. Sollten die Schmerzen stärker werden oder weitere Beschwerden auftreten, melden Sie sich, ansonsten hören Sie von mir, sobald mir Ihre Krankenakte vorliegt. Waren Sie schon bei einem Physiotherapeuten wegen Ihres Knies?«

      »Nein, ich wollte mir aber in den nächsten Tagen einen Termin besorgen.«

      »Ja, bitte, tun Sie das. Da die Entzündung inzwischen bekämpft wurde, spricht nichts dagegen.«

      »Vielen Dank, Herr Doktor«, bedankte sich Franziska, als Danny ihr die Tür aufhielt.

      Bevor Danny zurück in sein Sprechzimmer ging, bat er Lydia, Franziska ein Formular zur Erteilung der Vollmacht zu geben, und stellte ein Rezept für die Salbe aus, die sie gegen ihre Prellung nehmen sollte.

      »Die nächste wäre Frau Meier«, sagte Sophia, die neben Lydia hinter dem Tresen stand und sich um die Reihenfolge der Patienten kümmerte, die zu Danny in die Sprechstunde wollten.

      »Geben Sie mir eine Minute«, bat Danny seine zweite Sprechstundenhilfe. Gusti Meier kam jede Woche zweimal in die Praxis, obwohl sie kerngesund war. Sie gehörte zu den Patienten, die das Wartezimmer zum Nachrichtenaustausch missbrauchten.

      »Und? Hat es geklappt mit der Verlängerung der Krankschreibung?«, fragte Gusti, als Sophia sie wenig später aufrief und sie Franziska am Tresen stehen sah.

      »Einfach nicht hinhören«, raunte Lydia Franziska zu.

      »Mache ich nicht.« Franziska wusste, dass sie Gusti nur noch mehr reizen würde, wenn sie auf sie reagierte.

      »Also bitte, Frau Meier, wir achten hier auf Privatsphäre«, erklärte Lydia mit strenger Stimme, als Gusti im Vorbeigehen auf das Blatt schaute, das Franziska ausfüllte.

      »Die Privatsphäre ist mir doch heilig«, sagte Gusti und streifte die junge Lehrerin mit einem herablassenden Blick. Sie wollte gerade weiter zum Sprechzimmer gehen, als die Tür zur Praxis aufgestoßen wurde und eine junge Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm hereinstürmte.

      »Ich brauche Hilfe, meine Tochter bekommt keine Luft mehr!«, rief sie.

      »Doktor Norden, kommen Sie, schnell!«, rief Lydia über den Gang, als sie sah, wie das kleine Mädchen in dem roten Kleidchen nach Luft rang.

      Danny, dessen Tür zum Sprechzimmer offenstand, zögerte keinen Moment, als er Lydia rufen hörte, und eilte zum Empfang. »Hat sie etwas verschluckt?«, wollte er von der Mutter wissen.

      »Ich weiß es nicht. Ich war in der Küche, und Anni hat in ihrem Kinderzimmer einen kleinen Bauernhof aus Holz aufgebaut, den sie gestern zu ihrem Geburtstag bekommen hat.«

      »Du solltest dein Kind eben nicht ohne Aufsicht lassen, Ursel«, mischte sich Gusti ein, und die anderen Patienten, die aus dem Wartezimmer gekommen waren, als sie sahen, welche Aufregung draußen im Gang herrschte, nickten zustimmend.

      »Nicht einmischen, Frau Meier«, forderte Lydia Gusti auf.

      »Geben Sie mir Ihre Tochter«, forderte Danny Ursel Doldinger auf, die nur ein paar Häuser von der Praxis entfernt wohnte, nachdem er sich auf den Boden gekniet hatte.

      »Anni, es wird alles wieder gut«, sprach Ursel tröstend auf die Kleine ein, die mittlerweile schon ganz rot anlief.

      Danny nahm das Kind, stellte es vor sich hin und beugte es sanft nach vorn. Schließlich umfasste er den kleinen Körper zwischen Bauch und Brustbein und drückte ein paar Mal kräftig zu, bis die Kleine eine Spielfigur ausspuckte. »Sieh mal, ein Hahn«, sagte er,


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