Zaubermaus. Ingo Schorler

Zaubermaus - Ingo Schorler


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Arbeit sah das Seniorenheim nach einem gut geführten Haus aus. Alle hier lebenden Männer und Frauen hatten nun ein eigenes kleines Zimmer mit Bad und eine gute Betreuung, denn Maria hatte ein paar Frauen auftreiben können, die sich gern in den Dienst der guten Sache stellen wollten. Sie alle wollten nun gemeinsam dafür sorge, dass es den alten Strafgefangenen nach dieser schrecklichen Zeit wieder gut ging.

      Ach ja, das will ich nicht vergessen, zu erzählen – auch der Gefängnisdirektor wurde übrigens verhaftet. Denn er war der Kopf hinter dieser ganzen Angelegenheit gewesen. Er hatte von der Pharmaindustrie viel Geld für diese über Monate währenden Experimente an den alten Leuten erhalten.

      Als Paul und ich schließlich das Haus verließen, wusste, wir, dass in diesem Seniorenheim nun das Glück eingezogen war. Und wir, Paul und ich, Zaubermaus, konnten uns gleich in den nächsten Auftrag stürzen.

      *

      4

      Dieses Mal verschlug es uns in eine Kleinstadt, in der so ziemlich jeder jeden kannte. Paul war unruhig, das bemerkte ich sofort, und verabschiedete sich schon bald von mir mit den Worten: „Ich habe noch was zu erledigen.“ Dann war er weg.

      Ich lief nun wieder einmal alleine durch eine kleine, dunkle Gasse und musste meine Katzenaugen schon sehr weit öffnen, um alles gut sehen zu können. Erschrocken sah ich plötzlich, wie ein Mann eine wunderschöne Frau würgen wollte. Da ich mir das nicht mit ansehen wollte, sprang ich dem Typen ins Genick, sodass er die Frau loslassen musste. Er flüchtete. Nun saß ich neben der wunderschönen Frau und schaute sie mit meinen Katzenaugen an.

      „Oh, du süße Katze, weißt du, dass du mir gerade das Leben gerettet hast?“, fragte sie voller Freunde und streichelte mich zärtlich. Sie nahm mich mit zu ihr nach Hause.

      Dort angekommen, flüsterte sie mir zu, dass sie seit einiger Zeit das Gefühl habe, sie würde beobachtet. Sie war schon bei der Polizei, doch ohne Beweise konnten die nichts machen. Ich war glücklich, dass ich meine Gestalt als Katze bei diesem Auftrag behalten durfte. Jetzt wusste ich auch, warum Paul nicht bei mir war – eine Maus hätte die Frau sicherlich nicht in ihrer Wohnung geduldet. Doch ich war mir sicher, dass mein Freund hier irgendwo in meiner Nähe weilte. Für den Fall der Fälle ...

      Ich blieb also bei der Frau, die mir zu fressen gab. Anschließend durfte ich mich zu ihr ins Bett legen. Doch irgendwann mitten in der Nacht hörten meine Katzenohren ein Geräusch. Ich hüpfte aus dem Bett und lief die Treppen runter. Ich sah, wie ein Fremder ihre Wäsche im Bad durchwühlte und an ihr roch. Was für ein Perverser war das denn?

      Ich ging also in den Angriffsmodus, sprang den Eindringling an und verpasste ihm eins mit meiner Kralle. Der Spanner ergriff die Flucht. Aber wer war dieser Typ? Ich beschloss, die Nacht wach zu bleiben. Bis zum Morgen blieb es ruhig, aber mein Katzengefühl sagte mir, dass die junge Frau immer noch in Gefahr war und ich sie nicht aus den Augen lassen durfte.

      Dann sah ich auf dem Tisch ein Foto, auf dem die junge Frau mit einem Mann zu sehen war. Vielleicht derselbe Mann, der der Frau nachstellt und ihr Angst machte? Aber wie sollte ich ihn zur Strecke bringen? Ich musste mir was einfallen lassen.

      Mittlerweile war auch die Frau aus dem Schlaf erwacht. Ich fragte mich, wie sie wohl hieß, also sah ich in ihren Ausweis nach, der auf dem Tisch lag. Lisa stand dort. Ich hüpfte auf ihren Schoß, als sie sich eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, und schnurrte vor mich hin. Ich spürte, dass Lisa Angst hatte. Vielleicht konnte mein Schnurren sie ja wenigstens ein bisschen beruhigen. Dann unterhielt sie sich wieder mit mir und erzählte, dass es wahrscheinlich ihr Ex sei, der ihr seit Wochen nachstellte. Er habe es bis heute nicht verkraftet, dass sie Schluss gemacht hatte. Ich spürte, wie Lisa noch stärker zitterte, und anfing, zu weinen. Sie hatte große Angst, dass er ihr was Schlimmes antun würde.

      Ich musste also versuchen, ihr zu helfen. Ich begleitete Lisa zur Arbeit. Plötzlich raste ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu. Ich musste handeln und bündelte meine ganze Energie. Plötzlich erhob sich vor ihr eine durchsichtige Mauer, gebildet aus meinen Kräften. Lisa blieb starr auf der Straße stehen und schloss nur die Augen. Das Auto prallte gegen die durchsichtige Wand, Lisa schrie kurz auf, doch zum Glück passierte ihr nichts. Die Wagentür ging auf und tatsächlich – es war der Ex-Freund von Lisa, der vor uns stand. Er konnte und wollte es wirklich nicht wahrhaben, dass sie ihn verlassen hatte. Dass er den Aufprall gut überstanden hatte, grenzte allerdings an ein Wunder.

      Plötzlich zog er eine Waffe und richtete sie auf Lisa. Ein Schuss fiel. Zum Glück verfehlte die Kugel Lisa. Das war zu viel, ich musste noch Schlimmeres verhindern! Ich rannte mit hoher Geschwindigkeit auf ihren Ex zu und sprang ihn an. Meine Krallen trafen ihn hart im Gesicht und mit meinen spitzen Katzenzähnen verbiss ich mich in seinem Hals. Das alles war wohl dann doch zu viel für diesen blöden Kerl. Er brach zusammen und blieb regungslos am Boden liegen.

      Auf einmal hörte ich Polizeisirenen. Ich rannte schnell zu Lisa und hüpfte auf ihren Arm. Ich schaute in ihre wunderschönen blauen Augen und wusste, dass sie jetzt glücklich war. Endlich war alles vorbei und sie konnte wieder ein sorgloses Leben führen.

      Für die Polizei war es klar – Lars, ihr Ex, hatte sich strafbar gemacht und ganz offensichtlich auch das Auto als Waffe benutzen wollen, um sie zu töten. Lisa machte ihre erste Aussage und durfte dann nach Hause gehen, musste sich aber für weitere Fragen zur Verfügung halten.

      Als wir in ihrer Wohnung angekommen waren, flüsterte sie mir ins Ohr: „Danke für alles. Ich spüre, dass du eine wundervolle und einzigartige Katze bist. Danke für alles!“ Mit diesen Worten öffnete sie die Tür, streichelte mir noch einmal über den Kopf und entließ mich auf die Straße.

      Und ich? Ich machte mich auf den Weg zu einem neuen Auftrag. Allein, denn noch immer war Paul nicht aufgetaucht.

      *

      5

      Heute verschlug es mich in ein riesiges Zirkuszelt. Doch leider sah ich dieses Mal nicht gerade hübsch aus, irgendwie war ich vollkommen bunt. Ich schaute in einen Spiegel und dachte mir: „Na toll, ich als Clown!“ Was das schon wieder sollte.

      Plötzlich hörte ich eine strenge Stimme rufen: „Koko, los raus! Unterhalte das Publikum und nimm bitte Mango mit, bringt endlich das Publikum zum Lachen!“

      Nun ja, was blieb mir schon großartig übrig, als in die Manege zu gehen. Nur Mango hatte anscheinend keine Lust, mitzukommen, also schubste ich ihn einfach und gab ihm dabei einen kräftigen Tritt in seinen Allerwertesten! Oh, oh, das war wohl keine gute Idee. Er kam wutentbrannt auf mich zu, packte mich und warf mich im hohen Bogen ins Publikum. Das Publikum kreischte vor Freude. Nur Mango konnte darüber nicht lachen, ich schaute in seine Augen. Sie waren kalt und voller Hass. Warum war Mango nur so? Ich musste sein Vertrauen gewinnen, um herauszufinden, warum er so war.

      Eines Abends ging ich noch eine Runde spazieren. Ich bemerkte einen riesigen großen Käfig, der mit einer Plane verhüllt war. Da ich von Haus aus neugierig war, schaute ich kurzerhand darunter. Doch was ich sah, war nicht das, was ich sehen wollte: Im Käfig saß ... Mango! Was sollte das? Warum musste er dort drin sein? Er war doch ... na ja ... ein Mensch wie ich. Leise flüsterte ich: „Mango, ich bin es, Koko.“

      Mango sah mich und sagte: „Verschwinde, ich will dir nicht wehtun müssen. Bitte geh!“ Ich verstand das zwar nicht, aber ging weg!

      Am nächsten Morgen fand auch schon die nächste Vorstellung mit uns statt, nur Mango hatte mal wieder keine Lust. Ich versuchte alles, doch das ließ ihn kalt. Auch unser Zirkusdirektor fand sein Verhalten nicht gerade toll. Nur wusste er sicherlich genau, warum Mango so war, denn er sperrte ihn schließlich immer bei Nacht ein. Mangos Unmut, in die Manege zu treten, änderte sich auch in den nächsten Tagen nicht. Paul hätte mir sicherlich gut helfen können, Mango zu motivieren, aber der blöde Kerl war ja noch immer wie vom Erdboden verschluckt.

      Eines Nachts hatten wir Vollmond. Der Himmel war so hell, dass man keine


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