Zaubermaus. Ingo Schorler

Zaubermaus - Ingo Schorler


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an, das seinen Käfig bedeckte, und was ich sah, schockierte mich zutiefst: Aus dem mürrischen Mango war ein bösartiges Tier geworden. Eine Mischung aus Tier und Mensch. Seine Augen waren voller Hass und Kälte. Nun wusste ich endlich, was los war. Ich, Zaubermaus, war wohl nicht das einzige Wesen auf Erden, dass sich verwandeln konnte. Unbemerkt war der Zirkusdirektor hinter mich getreten, ich hatte ihn trotz meines sensiblen Katzengehörs, über das ich auch in menschlicher Gestalt verfügte, nicht kommen hören. Das wunderte mich sehr. Nun sah der Herr Direktor mich an und sagte: „Geh weg und lass uns in Ruhe. Bitte, geh, ich will nicht, dass dir etwas passiert, Zaubermaus.“

      „Ich gehe erst, wenn du mir erzähltest, was passiert ist!“, antwortete ich frech. Ich wollte die Wahrheit wissen, Angst hatte ich keine.

      „Mango, mein lieber lieber Mango, mein Sohn, hat sich als Versuchsobjekt zur Verfügung gestellt, um den Profit für unseren Zirkus zu erhöhen, doch leider gab es Komplikationen und das ist aus ihm geworden.“ Der Direktor zeigte auf das unmenschliche Wesen im Käfig. „In Vollmondnächten ist er halb Mensch, halb Tier. Und wir haben Angst, dass er sich auch zu anderen Zeiten verwandeln könnte. Deshalb lebt er hier in diesem Käfig. Eingesperrt wie ein Tier.“

      Der Zirkusdirektor sah mich verzweifelt an. „Bitte erlöse ihn und bringe ihn um, bevor er noch irgendwen verletzt. Bitte, bitte, erlöse ihn! Ich kann es nicht, denn er ist ja mein Sohn, ich liebe ihn.“ Die pure Verzweiflung sprach aus seinen Worten.

      „Nein, ich werde Mango nicht töten, auf keinen Fall!“

      Mango schaute mich nur an und sagte: „Dann kann ich für nichts garantieren!“

      Und dann tat der Zirkusdirektor etwas, mit dem ich nie und nimmer gerechnet hätte. Er ging auf Mangos Käfig zu und öffnete die verriegelte Tür.

      „Sie können ihn nicht freilassen, das geht nicht gut. Bitte lassen Sie Mango drin!“, rief ich entsetzt. Doch eh ich mich versah, war es passiert. Mango war frei! Als ich ihn nun in voller Größe sah, und er war deutlich größer als sonst, ja, da wurde selbst mir, Zaubermaus, Angst und Bange. All mein Bitten war umsonst gewesen.

      Doch der Direktor war komischerweise anscheinend glücklich, da er Mango ihm wohl eine Idee gekommen war. Er lachte – und es hörte sich an, als sein er plötzlich von Sinnen. „Endlich weiß ich, wie du wirklich aussieht. Da hat sich all die Mühe gelohnt, dich zu jagen und zu fangen!“

      Ich war entsetzt. War er doch nicht der liebende Vater, den er mir vorgespielt hatte. Wenn jetzt nur Paul an meiner Seite wäre ... Was wurde hier gespielt. Was sollte das Ganze? Was treib der Direktor für ein böses Spiel?

      Der Direktor sah mich höhnisch an und sagte: „Du hast doch wohl nicht wirklich geglaubt, dass Mango mein Sohn ist. Hahaha. Theater. Nur Theater.“ Er lachte grausam. „Mango ist meine Kreatur, mein bestes Stück! Ich habe ihn erschaffen. Ich ganz alleine. Hundini, der beste Magier aller Zeiten. Hier und jenseits eures kleinen Verstandes. Hundini, der große Hundini.“

      Wahnsinn blitzte in seinen Augen auf. Oh Gott, auf welche Mission war ich hier geschickt worden?

      Doch als der Zirkusdirektor Mango zu sich rufen wollte, bäumte der sich auf und ließ all seine Wut raus. Er verpasste dem Direktor eine, sodass der bis zum Zirkuszelt flog. Dort blieb er leblos liegen.

      Ich rief Mango zu: „Bitte, tu jetzt nichts, was du später bereuen könntest!“

      Doch Mango hörte mich nicht mehr, denn er rannte bereits in Richtung Stadt. Wenn er dort ein Blutbad anrichten würde, dann wär es das Ende für ihn. Er war kein Monster, das spürte ich, er wollte doch nur in Frieden leben. So wie jeder von uns. Ich folgte Mango, um ihn davon abzuhalten, etwas Böses zu tun. Ich musste es versuchen, noch vor Sonnenaufgang musste es mir gelingen, ihn einzuholen. Ich rannte ihm nach, was gar nicht so einfach war, aber ich konnte Mango nicht als Mensch entgegentreten. Das wusste ich. Ich spürte, wie sich mein Körper veränderte. Ich schnitt ihm den Weg ab, sodass ich Mango noch vor der Stadt abfangen konnte, und stellte mich ihm entgegen. Als er mich sah, stand er direkt vor seinem eigenen Spiegelbild. Oje, was hatte mein Herr da oben sich nur dabei gedacht?

      Mango rannte auf mich zu. Er fletschte seine riesigen Zähne und wollte mich angreifen, doch er rechnete nicht mit meiner Gegenwehr. Immer wenn er auf mich zukam, verschwand ich und erschien woanders. Ich rief: „Mango, hast du Angst vor mir? Huhu, hier bin ich!“ Doch dadurch wurde er nur noch böser. Langsam merkte ich, dass Mango müder und müder wurde. Ich rief: „Mango, hör jetzt endlich auf, mich zu jagen, du wirst mich nicht bekommen, ich bin es, Koko!“

      Plötzlich blieb er stehen.

      „Bitte vertrau mir und schau jetzt genau hin, ich verwandle mich zurück in einen Menschen“, beruhigte ich ihn weiter, auch auf die Gefahr hin, dass er mich jetzt angreifen würde. Doch was dann passiert, überraschte selbst mich. Mango verwandelte sich, obwohl der Vollmond noch da war. Ich spürte, dass er in Wirklichkeit kein böses Wesen war. Ich versuchte nun, das Vertrauen von Mango neu zu gewinnen, und erzählte ihm von mir. Natürlich nicht alles, das hätte ja den Rahmen gesprengt.

      Daraufhin erzählte auch er mir seine traurige Geschichte. Er hatte sich zum Zirkus begeben, weil er Geld brauchte. „Die ersten Jahre war alles auch ganz normal und gut hier“, berichtete Mango nun sichtlich berührt. „Doch dann starb der alte Direktor und an seine Stelle trat sein Sohn. Sein bitterböser Sohn Fred, der sich von diesem Tag an Hundini nannte. Bald schon hatte der Zirkus kein Geld mehr, weil er alles versoffen und verspielt hatte. Er bat mich um Hilfe.“ Mango schluckte. „Und ich willigte ein, als er sagte, er würde mit mir ein kleines Experiment wagen, damit wieder mehr Leute in den Zirkus kommen würden. Er spritzte mir irgendetwas ... und von diesem Tag an ging es mir schlecht. Irgendetwas war wohl schiefgegangen. Aber was es genau war, konnte ich nicht rausfinden.“ Mango sah mich verzweifelt an. „Bitte glaub mir, ich wollte nur in Frieden leben und keinem Menschen wehtun. Der alte Direktor hat mich auch nicht immer gut behandelt, doch als Clown auftreten wollte ich auch da schon nicht, das ist nichts für mich. Ich mag es nicht, wenn die Leute über mich lachen. Tja, und nun kann ich mich verwandeln, wenn Vollmond ist, das hat Hundini immer ausgenutzt.“

      Irgendwie tat Mango mir sehr leid, aber was sollte ich jetzt tun? Ihn zurückschicken zu dem verrückten Direktor? Das ging nicht. Ich beschloss, dass Mango gehen konnte und selber entscheiden sollte, wohin. Allerdings nahm ich ihm ein Versprechen ab. In Vollmondnächten müsste er sich stets versteckt halten und sich niemals andern Menschen nähern. Mango versprach es und zog seiner Wege, denn inzwischen war es Morgen geworden und der Vollmond verschwunden.

      Ich hingegen ging zurück zum Zirkus, um zu sehen, ob der große Hundini überhaupt noch lebte. Zu meinem Glück lebte er wirklich noch. Und wie er lebte – er scheuchte seine Leute wie gewohnt herum. Nur ein blaues Auge zeugte von der nächtlichen Auseinandersetzung mit Mango. Dann sah er mich. „He, Koko, zieh dich um und unterhalte das Publikum! Aber zack zack!“

      Ich ging zu ihm hin und sagte, er könne mich mal. Ich hoffte nur, dass nie wieder auch nur einer seine Zirkusvorstellungen besuchen würde. Und als ob mich mein alter Herr dort oben im Katzenhimmel erhört hätte, ging der Zirkus tatsächlich wenige Wochen später pleite. Der Direktor musste aufgeben und irgendwo als Tellerwäscher anfangen. Jetzt war es aus mit dem großen Hundini und ich freute mich sichtlich darüber. Ihr könnt euch vorstellen, dass er nun spürte, was es hießt, rumgeschubst zu werden. Auch dafür hatte mein Boss gesorgt. Doch meine Gedanken waren bei Mango. Ich hoffte nur, dass er sein Versprechen auch halten würde. Und auf mich wartet allerdings schon wieder ein neuer Auftrag!

      *

      6

      Schon am nächsten Tag bekam ich einen außergewöhnlichen Auftrag, der wieder nicht ganz einfach werden sollte. Ich saß ganz einsam an einen Schreibtisch, auf dem ein Schild stand: Pfeife des Tages. Na toll, das fing ja gut an. Ich schaute in einen kleinen Spiegel und sah mich in einer Polizeiuniform. Ich öffnete meine Bürotür und was ich sah, war gar nicht lustig. Ich sah Polizisten, die allesamt auf Tischen tanzten, laut grölten, Bier und Schnaps tranken


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