Hitlers Double. Tatsachenroman. Walter Laufenberg

Hitlers Double. Tatsachenroman - Walter Laufenberg


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Riviera, ja. Aber mir tat es nicht leid um die Sonne, um die Segel, die mir in dem Moment nichts nützten. Ich saß mit in der Redaktionskonferenz. Am frühen Vormittag. Ich war von Pineladder kurz vorgestellt worden. Als einer, der sich mal ein bißchen beim Fernsehen umschauen möchte. Nur mal so reinschnuppern. Natürlich hielt ich mich brav zurück. Wie an steilen Wegstrecken steht: Langsam anfahren! Die eingegangenen Meldungen wurden Zettel für Zettel durchgesprochen. Und ein Filmteam nach dem anderen kriegte seine Aufgabe zugewiesen, wurde losgejagt. Hurry up! Immer ein Reporter mit Kameramann, Kameraassistent und Tonmeister. Das waren Einsätze im gesamten Okanagantal. Das reichte von Penticton und Oliver im Süden und darüberhinaus, nahe der amerikanischen Grenze, bis nach Vernon und Armstrong im Norden. Und der eine oder andere Ort links und rechts in den Bergen hätte mich auch gereizt. Ich sollte mit dem letzten Reporter rausfahren, hatte Pineladder verfügt, weil der am wenigsten Zeit hat und am ehesten einen Helfer brauchen kann.

      Gerade als wir, das letzte Team, nach Winfield aufbrechen wollten - nichts Besonderes, hieß es, nur ein schwerer Verkehrsunfall, etliche Tote und Schwerverletzte -, kam ein Anruf. Ein Öltank geborsten, in Peachland, viel Öl bereits ausgelaufen, seit Tagen, und die Gefahr, daß die Pfirsichplantagen schon beeinträchtigt sind. Da soll was vertuscht worden sein.

      „Verdammt! Da muß ein Extrateam hin.“ So Pineladder, als er das letzte Team nach Winfield rauswischte. Mit großer Geste. Und mich festhielt. „Halt, Mann! Da in Peachland die angerichtete Scheiße zeigen. Mit dem Informanten sprechen. Herauskriegen, wer Mist gemacht hat. Trauen Sie sich das zu, Mister Harrison?“

      „Keine Frage.“

      „Der Disponent fährt mit Ihnen. Der ist ein erfahrener Kameramann. Der weiß selbst, was er drehen muß. Wenn Sie sich nur ein bißchen um die Leute vor Ort kümmern und Notizen machen. Für den Filmtext, den Sie machen müssen. Einen Tonmeister haben wir auch noch für Sie. Für einen O-Ton von einem der betroffenen Farmer. Aber das macht der auch allein.“

      „Alles klar.“

      „Also los! Viel Glück!“

      Ich saß in einem der Wagen, auf denen türbreit die Lettern stehen: Kelowna TV. Wie oft hatte ich die gesehen. Überall, wo was los war. Jetzt saß ich drin. Als Reporter unterwegs. Mit meinem Filmteam. Der Tonmeister fuhr. Wir mußten auf die andere Seite des Sees hinüber, ans Westufer. Über unsere gute alte schwimmende Brücke. Wie oft habe ich mich darüber gewundert, daß Beton schwimmen kann. Na ja, die Hohlräume. Jetzt kümmerten die mich nicht. Mehr als die Fahrt über die Brücke habe ich nicht mehr mitgekriegt. Ich segelte wie auf Wolken durch die Landschaft, hoch über dem Highway 97, und spürte nur eines: Nie war das Okanagantal paradiesischer. Um plötzlich vor dem großen Gebäude mit dem geborstenen Öltank zu stehen. Reiß dich zusammen, William! Der Informant war bald gefunden. Und der Mann war sehr zugänglich. Nur wußte er nicht viel Brauchbares zu berichten. Aber er wußte, wer bei der Stadtverwaltung der Verantwortliche war. Und wer sein Untergebener, der ihn nicht leiden konnte. Und natürlich gerade bei dem war ich keine halbe Stunde später. Mit einem Taxi hingefahren, nicht mit unserem Wagen. Zur Tarnung. Trotzdem hatte der Mann mehr Angst als mir lieb war. Da knurrte mir der Magen so unüberhörbar. Wir haben beide gelacht. „Mittagszeit. Mein Handikap, daß ich keine Mahlzeit ausfallen lassen kann“, entschuldigte ich mich. Ich schlug dem Mann vor, mit ihm essen zu gehen. „Sie sind eingeladen.“ Und er hat sich nur wenig geziert. In dem italienischen Restaurant, bei einer Pizza und einem Vino rosso, hat er dann ausgepackt. Wer nicht aufgepaßt hat. Wer versucht hat, alles unter den Teppich zu kehren. Wieviel Hektoliter Grundwasser von einem einzigen Liter Öl verseucht werden. Was für eine Menge Erdreich ausgekoffert werden muß. Ein veritabler Skandal. „Aber meinen Namen nennen Sie nicht, verstanden!“ Immer wieder mußte ich ihm das bestätigen. Was interessierte mich sein Name. Mein Name, ja, daß der genannt würde, das war wichtig.

      Als ich zu meinem Filmteam zurückkam, waren die Silberkoffer schon gepackt. „Alles im Kasten“, sagte der Disponent. „Ab zum Kopierwerk!“

      Nie in meinem ganzen Leben habe ich so ungeduldig darauf gewartet, daß ein Film entwickelt wird, wie bei diesem Streifen über das Öldesaster in Peachland. Dabei waren mir die Pfirsiche so Wurscht. Schon diesen ersten Film hat Maggy Fry geschnitten. Mit ihren göttlichen Händen. Zufall. Oder auch nicht. Vermutlich hat Pineladder die Anweisung gegeben, daß die erfahrenste Cutterin sich des Neulings annehmen soll. Ich saß neben ihr, wie vorhin bei unserem Mordfilm. Sie hat mir den fertigmontierten Beitrag dreimal vorgeführt, die einzelnen Szenen ausgestoppt, mich die Zeiten notieren lassen, mir die Stoppuhr in die Hand gedrückt. „Schreiben Sie, schreiben Sie, Mann! Wir sind spät dran. Der Beitrag muß rüber. Die Regie hat schon danach gefragt.“

      Mein Film war bereits eine Viertelstunde später auf dem Bildschirm. Mit meinem Kommentar. Und mein Name wurde genannt. Die Kollegen waren längst alle zuhause. Auch Maggy Fry. Schade. Wie dringend hätte ich in dem Moment einen Menschen gebraucht, der sich mit mir freut. Nur ich allein saß noch in der Redaktion - und wäre am liebsten für immer dort sitzengeblieben. Wie ein Nachtwandler bin ich schließlich heimgekommen, in meine öde Junggesellenbude auf der Farm. Auf der man längst den Schlaf der Gerechten schlief. Ich habe noch lange am offenen Fenster gestanden, die Augen in den Sternen verheddert, meilenhoch über unserer kleinen Erde herumirrlichternd. Glück braucht Gesellschaft, sonst droht man zu platzen, habe ich der Frau Luna zugerufen und dem Kleinen Prinzen auf seinem Stern. Welcher von den viel zuvielen Sternen das war? Egal. Es kam eh keine Antwort. Da blieb mir nur mein Biervorrat im Kühlschrank. Original Budweiser. Der letzte Gesellschafter, wenn alle anderen versagen.

      Aber dann die Redaktionskonferenz am nächsten Morgen. Da saßen sie wieder alle um den großen runden Tisch, die alten Hasen. Und dazwischen ich, der Neuling. Und Pineladder eröffnete die Sitzung mit den Worten: „Nachdem unser Gast, William Harrison, gestern, als Not am Mann war, so bereitwillig eingesprungen ist, und das mit Bravour, wie ich ausdrücklich feststellen möchte, haben wir einen Mann mehr an Bord. Ab sofort ist Mister Harrison als Reporter für Kelowna TV tätig wie alle anderen - und wird genauso honoriert.“ Und alle mußten hocherfreut tun und mir gratulieren, und ich konnte nur noch stammeln: „Danke, danke.“ Ein großer Augenblick, wahrhaftig. Daß Pineladder hinterher noch gesagt hatte: „Zum Glück ist der Verwaltungsmensch, der die Sache zu vertuschen versucht hat, ein kleiner Fisch“, das sagte mir damals noch nichts.

      Das war erst Ende Juli. Die Aufträge kamen dann Schlag auf Schlag. In Penticton mußte ich gleich danach beim Peach Festival drehen. Am ersten Augustwochenende die berühmte Kelowna Regatta. Und immer so weiter. Ein herrliches Leben. Jeden Tag Neues. Und immer wieder alte Bekannte, die einen ansprechen und sagen: „Ich habe Deinen Film im Fernsehen gesehen. Toll.“

      Kann man permanent glücklich sein? Sagen nicht alle, die dazu was zu sagen haben, das Glück sei immer nur eine Sache von Momenten? Aber eine endlose Kette von aufgereihten Glücksmomenten ist doch so was wie Permanenz. Und dann hängt sie einem am Hals, die Glückskette, und allmählich merkt man: da hängt was. Und man will ganz was anderes. Blöd eigentlich. Aber so blöd sind wir.

      Ich will wissen, was mit diesem Toten ist. Von hinten in den Kopf geschossen. Der Mann war allein, wie die Spurenaufnahme ergeben hat. Ich habe mich erkundigt. Also nichts mit cherchez la femme. Und auch sonst nichts Begehrenswertes in der Nähe. Keine Bank, keine Post, kein vergrabener Schatz. Und unbewaffnet war er. Nur ein gutes Fernglas hatte er. Das war ihm aus der Hand gefallen, als die Kugel ihn traf. Ein Spaziergänger im Wald. Aber ein Fremder. An einem wunderschönen Spätsommertag. Gleich neben der Straße Nr. 33 zum Big White Mount hinauf. Beliebtestes Ausflugsgebiet also. Ausspannen, luftschnappen. Wieso ist so was tödlich? Es hat kein Kampf stattgefunden. Die Geldbörse mit Inhalt noch in der Gesäßtasche. Aber keine Brieftasche in der Jacke, keine Papiere, keine Schlüssel. Irgendwie komisch. Gleich morgen werde ich mit Pineladder sprechen und ihn bitten, mir den Auftrag für eine größere Recherche und einen Hintergrundbericht zu geben.

      Das Gespräch mit Pineladder fand statt. Und wir waren uns einig: Da steckt was drin. Es ist einfach zuwenig, nur zu sagen, von dem Täter oder den Tätern fehlt jegliche Spur. Ich darf nebenher an diesem Fall weiterarbeiten, stehe ihm aber für die täglichen Einsätze voll zur Verfügung. Damit kann ich leben. Aber dann nach zwei Tagen ein Ukas von ganz oben: Die Eigentümer


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