Dan Henry - Im Wilden Westen. Stig Ericson

Dan Henry - Im Wilden Westen - Stig Ericson


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im Nebel unter uns verschwinden. Es war kalt und schön. Meine Jacke war schwer vor Nässe und klebte an den Schultern. Wir überlegten, wie spät es wohl sein mochte, und dann gingen wir in den Nebel hinein. Martin voraus. Die Landschaft wirkte märchenhaft und geheimnisvoll.

      „Was wird er wohl sagen?“ fragte ich, als wir auf der anderen Seite des Tales wieder in den Wald traten.

      „Was soll er denn sagen?“

      „Na, weil ich dabei bin!“

      „Onkel Kalle meinst du? Was soll er dazu sagen?“

      „Ich weiß nicht.“

      „Mensch“, sagte Martin gutmütig.

      Die Landschaft wurde jetzt allmählich hügelig, blieb jedoch weiterhin von dichtem Laubwald überzogen. Das gefallene Laub schimmerte hell auf der Erde.

      „Hast du ihn schon mal gesehen?“ erkundigte ich mich. Martin schüttelte den Kopf.

      „Es ist schon viele Jahre her, seit er hierher nach Minnesota zog“, antwortete er. „Damals war ich wohl noch nicht einmal geplant.“

      „Ich habe ein komisches Gefühl, so einfach bei ihm in die Tür zu fallen.“

      „Ach, Mensch ...“

      Martin schüttelte den Kopf, dieser vierschrötige, 17-jährige Bauernjunge, mit dem ich nicht allzuviel gemeinsam hatte, der aber in jenem Augenblick sehr viel für mich bedeutete.

      Etwas später bekamen wir Rauch in die Nase. Es mochte ungefähr acht Uhr abends sein. Der Weg führte bergauf, und der Nebel war dünner geworden.

      „Das kommt sicher von der Siedlung“, meinte Martin.

      Es gab keinen Zweifel mehr: wir näherten uns Millersburg.

      Das erste Haus, zu dem wir kamen, war neu gebaut und roch nach frischem Holz. Wir sahen einander zögernd an. Jemand bewegte sich hinter den Fenstern, und die Tür ging auf, bevor wir uns entschlossen hatten, anzuklopfen.

      Es war ein Norweger, der hier wohnte, ein langer, blonder Mann, und als wir nach Charles Nelson fragten, sagte er, daß wir auf dem richtigen Weg seien, wir müßten nur der Landstraße bis zur Kirche folgen, die sich gerade im Bau befand, und dann nach links abbiegen. Aber wir wüßten doch wohl schon, welch ein Unglück Nelson getroffen habe? Er habe übrigens viel von einem schwedischen Jungen gesprochen, der kommen werde ...

      „Der hat aber komisch gesprochen!“ meinte Martin, als wir ein Stück weitergegangen waren.

      „Was ist denn daran so komisch? Er ist doch Norweger!“

      Martin antwortete nicht, aber ich hörte, daß er kicherte. Ich fing an, mich wieder über ihn zu ärgern. Dieser kindische Kerl.

      Ein schwedischer Junge! Und ich ...

      Ich fühlte mich mißmutig, als ich auf dem Weg zwischen den Höfen hinter Martin herging. Ich spürte die Blicke der Leute durch die Dunkelheit – sogar die Kühe wirkten neugierig, fand ich. Schließlich kamen wir zu der halbfertigen Kirche, die auf einer Anhöhe rechts des Weges lag und aussah, wie das Skelett eines Vogels mit langem, gerecktem Hals ohne Kopf.

      Wir fanden den Seitenweg, der sehr schmal war und wieder bergab führte.

      Wir gingen ziemlich lang durch dichten Wald, bevor wir auf einen Stoppelacker hinauskamen. Hinter dem Acker lag ein niedriger Hügel mit einem großen gespaltenen Baum und den Überresten eines Hauses. Die verbrannte Erde knisterte unter den Schuhsohlen.

      „Das muß ein großes Haus gewesen sein“, bemerkte Martin und stellte den Fuß auf einen der schwarzen Stöcke.

      Er sprach ungewöhnlich leise, und plötzlich begriff ich, daß auch er aufgeregt war. Ich sah mich um.

      Der Hügel fiel sanft zu einem kleinen See ab, und gegen das glitzernde Wasser und das niedrige Buschwerk davor zeichneten sich die Umrisse eines größeren Gebäudes mit flachem Dach ab. Es schien die Scheune zu sein. Wir gingen hin.

      „Vielleicht wohnen sie jetzt hier, seit das andere Haus abgebrannt ist“, flüsterte Martin. Dann hämmerte er an die Tür.

      Ich kann mich noch an das Echo der Schläge erinnern und an die Stille, die folgte, und daran, wie ein paar dünne Baumstämme im Wind aneinander scheuerten.

      „Wo können sie denn sonst sein?“ sagte Martin.

      „Vielleicht sind sie fortgezogen.“

      „Dann hätte er es doch gesagt, kapierst du das nicht, der komische Norweger ...“

      Martin war gereizt und unruhig. Als wir wieder den Hügel hinaufgingen, sah ich etwas am Waldrand hinter dem Stoppelacker glänzen. Ein Fenster.

      Martin hatte es auch gesehen, und als wir näherkamen, entdeckten wir das kleine Blockhaus. Es lag zwischen hohen Bäumen eingeklemmt und war sehr niedrig.

      Martins Augen funkelten, als er mich ansah, und ich bildete mir ein, daß er wieder diesen ärgerlich eingebildeten Gesichtsausdruck hatte.

      „Dein reicher Onkel“, dachte ich.

      Martin zupfte seine Schildmütze zurecht und ging mit wiegendem Gang hin und klopfte an die Tür.

      4

      Die Farm

      Der Mann, der die Türe öffnete, war Martins Onkel. Das war mir sofort klar, als ich ihn sah. Er war groß und kräftig, er hatte dünnes Haar und trug einen kurz gestutzten Bart.

      „Jetzt sind wir hier“, sagte Martin.

      „Ist er jetzt gekommen, Vater?“ rief im Haus eine Kinderstimme, die Stimme eines Jungen, so klang es.

      „Ganz schön weit, der Weg hierher“, sagte Martin.

      „Du bist also der Martin, der in das große Land im Westen gereist ist“, stellte der Mann in der Türe fest. „Well ... wir haben uns schon Gedanken gemacht ...“

      Martins Onkel stand in der Türöffnung und schien nach Worten zu suchen. Martin trat vor und reichte ihm die Hand.

      „Und das hier ist mein Freund“, sagte er mit einer Kopfbewegung zu mir hin. „Wir haben uns im Zug kennengelernt, und da sagte ich ihm, daß er gerne mit hierherkommen könne ...“

      Martin brachte seine Erklärung mit lauter Stimme vor, drinnen im Haus bewegte sich jemand, und der Onkel sah mich etwas fragend an. Er hatte helle Augen und eine breite, holprige Stirn. Im Haus wurde Licht gemacht, der Mann verwandelte sich in eine Schattenfigur, die einer Frau Platz machte: Sie trug einen Schal über den Schultern, ihr Gesicht konnte ich aber nicht erkennen; der Schein der Laterne, die sie in der Hand hielt, stach mir in die Augen. Ein Junge war auch da; ich ahnte einen blonden Kopf neben ihr.

      „Aha, jetzt ist er also gekommen“, sagte die Frau. „Und Gesellschaft hat er auch gleich mitgebracht, wie ich sehe.“

      „Ich heiße Dan“, sagte ich, trat aber nicht vor, um ihnen die Hand zu geben.

      Ein Weilchen blieb alles still, der einzige, der sich bewegte, war der Junge, und dann begann Martins Onkel zu lachen. Er schob die Frau und den Jungen beiseite und kam zu uns heraus. Er war barfuß. Die niedrige Tür und die Laterne hinter ihm ließen ihn wachsen, und plötzlich stand er wie ein bärtiger, lachender Riese vor uns, die Hände in die Hüften gestemmt, und behauptete, wir sähen aus wie halbersoffene Karnickel.

      „Kommt rein, zum Donnerwetter“, sagte er. „Bei uns ist es zwar eng, aber gemütlich, wir werden schon ein Eckchen für euch finden.“

      Und so hatte ich also Martins „reichen“ Onkel Karl kennengelernt, oder Charles Nelson, wie er sich hier in Amerika nannte.

      Nelson hatte das Häuschen im zweiten Sommer gebaut, in dem er und seine Frau in Millersburg waren, und nachdem das größere Haus fertig war, diente es als Vorratsschuppen und Schreinerwerkstatt. Jetzt nach dem Unglück mußte man erneut darin wohnen.

      Das


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