Bomba am Ende einer Spur. Roy Rockwood

Bomba am Ende einer Spur - Roy Rockwood


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der Befriedigung glitt über ihr Gesicht.

      „Sagte ich es nicht, Bomba?“, flüsterte sie fast unhörbar. „Sagte ich nicht, dass das Ende unserer Reise kommen würde — auf vier — acht und zwölf Füßen?“

      3 Ein aufregendes Schauspiel

      Bomba warf der Alten einen bestürzten Blick zu. Dann senkte er die Augen, denn er musste an ihre merkwürdige Prophezeiung denken.

      Zwölf Füße! Drei Jaguare!

      Hatte Sobrinini wirklich die Gabe des zweiten Gesichtes?

      Die Alte schien seine Gedanken zu ahnen, und sie lächelte.

      „Du wolltest mir nicht glauben, Bomba. Aber ich sage dir: das Ende der Reise ist da.“

      „Du irrst dich“, erwiderte Bomba mit einer Festigkeit, die durchaus nicht seinen wahren Empfindungen entsprach. „Es wird noch einige Tage dauern, ehe wir das Ziel der Reise erreicht haben.“

      „Das Ende der Reise ist gekommen“, wiederholte Sobrinini beharrlich. „Für mich ist es gekommen. Ich fühle es — hier.“ Sie legte die magere Hand ans Herz.

      „Du bist jetzt nur müde und erschöpft“, versuchte Bomba sie zu trösten. „Du wirst jetzt schlafen, und wenn du erwachst, wirst du wieder gesund sein.“

      „Ja, ich werde schlafen“, sagte die Alte düster. „Aber es wird der Schlaf ohne Erwachen sein.“

      Wieder glitt ein Schauer über den Rücken des Jungen. Es wurde ihm klar, dass die Voraussage der Alten in diesem Fall wahrscheinlich eintreffen würde. Zu oft hatte er den Tod im Dschungel in den verschiedenartigsten Gestalten gesehen, und die Anzeichen dafür waren in Sobrininis Gesicht deutlich zu erkennen. Ihre Haut war aschfahl, und in ihren Augen war ein unirdisches Leuchten. Das Licht des Wahnsinns schien erloschen zu sein, als wollte sich in der Todesstunde noch einmal das wahre geistige Wesen dieser Frau offenbaren. Sobrinini war nicht vollkommen vernünftig geworden, aber sie war in diesem Augenblick; der Geistesklarheit näher als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, seitdem Bomba sie kannte.

      „Was denkst du, Bomba?“, murmelte sie. Ihr Blick war ruhig und ihre Stimme klang vernünftig. „Sprich. Die Zeit ist nur noch kurz.“

      „Erzähle mir von meinen Eltern“, bat Bomba, und seine Stimme war heiser vor Erregung. „Wo sind sie? Leben sie noch? Kann ich sie finden?“

      „Ja — ich habe deine Eltern gekannt“, begann die Alte mit verlöschender Stimme. „Bartow und Laura habe ich gekannt. Ich habe gehört, wie dir deine Mutter vorsang, als sie sich über deine Wiege beugte. Sie nannte dich Bonny. Du warst ihr einziges Kind — ihr Schatz und ihr Abgott. Und Bartow, ihr Mann, war ein großer Maler, und er war hübsch — so wie du hübsch bist. Seine Bilder wurden in ganz Europa und in Amerika gekauft. Er war ein berühmter Mann, aber auch deine Mutter war berühmt. Sie war eine gefeierte Sängerin — so wie ich einmal eine große Opernsängerin gewesen bin. Wir haben oft zusammen auf der gleichen Bühne gestanden, und der Beifall hat ihr und mir gegolten: der Applaus von Königen und Fürsten und hohen Herren!“

      Die Erinnerung schien Sobrinini zu übermannen. Sie lächelte träumerisch vor sich hin und summte leise ein Arienmotiv.

      „Aber du sagst, dass meine Eltern in Amerika und Europa waren“, unterbrach Bomba ihre Träumerei. „Wie kommt es dann, dass ich im Dschungel bin?“

      Mit Gewalt schien sich die Alte von ihren Träumereien loszureißen.

      „Ein Mann ist schuld daran — ein Mann mit bösem Herzen“, flüsterte die Alte. „ Japazy. Er hatte sich in deine Mutter verliebt. Mehrere Male kreuzte er ihren Weg — immer wieder wies sie ihn ab. Oh, Japazy hasste deinen Vater, und sie haben sich auch duelliert. Aber ich weiß das nicht mehr genau — mein Kopf ist so müde. Ich weiß nur noch, dass Japazy sich eine teuflische Rache ausgedacht hat, weil er deine Eltern auf keine andere Weise angreifen konnte. Er hat sich auf die Lauer gelegt und ihnen ihr Kind gestohlen.“

      „Mich gestohlen?“, rief Bomba erregt.

      „Ja, er hat dich aus den Armen deines Kindermädchens gerissen und ist mir dir weit, weit in den Dschungel geflohen. Alles Suchen war vergeblich. Deine Mutter wäre vor Kummer beinahe gestorben. Sie haben alles getan, was sie tun konnten, sie haben auch —“

      Die Stimme der Alten wurde immer leiser und erlosch schließlich. Verzweifelt beugte sich Bomba über sie und ergriff ihre Arme.

      „Weiter, Sobrinini“, flehte er. „Du musst mir alles sagen. Du darfst nicht gerade jetzt aufhören.“

      Die Alte schlug die Augen auf, doch nun war ihr Blick wieder von Wahnsinn verschleiert.

      „Azra“, hauchte sie, „wo ist mein Liebling Azra?“

      „Wir haben von Japazy gesprochen“, erinnerte Bomba sie sanft. „Aber ich bin doch bei Casson groß geworden und nicht bei Japazy.“

      „Casson? Casson?“ Das Wort schien wieder eine Erinnerung in dem verwirrten Verstand der Alten zu wecken. „Ja, Casson hat dich aus den Klauen Japazys befreit. Er hat den Schlupfwinkel des Bösewichtes entdeckt und ihn im Handgemenge niedergeschlagen. Dann ist er mit dir in einen anderen Teil des Dschungels geflohen. Aber er fand den Weg nicht mehr — den Weg zu deinen Eltern und in die Zivilisation. Er blieb im Dschungel. Er blieb im Dschungel — so wie ich dort geblieben bin.“ Plötzlich straffte sich die Gestalt der Alten. „Und niemand hier weiß, wer ich war — keiner weiß, dass ich Kaiser und Könige mit meinem Gesang begeistert habe.“ Sie blickte den Jungen mit irrer Eindringlichkeit an. „Glaubst du mir nicht? Glaubst du nicht?“

      Mit einer Behendigkeit, die man ihrem schwachen Körper nicht mehr zugetraut hätte, sprang sie auf die Füße. Sie breitete die Arme aus und begann mit klangloser, schriller Stimme eine berühmte Opernarie zu singen. Gibo und Neram beugten ängstlich die Köpfe und murmelten Gebete, um den Zauber abzuwenden, der nach ihrer Meinung in dem Gesang der Frau enthalten war.

      Als sie die Arie beendet hatte, verbeugte sich Sobrinini wie beim Applaus eines unsichtbaren Parketts und dicht gefüllter Ränge. Dann sang sie wieder — verneigte sich wieder und streckte die Arme aus, als nähme sie riesige Blumensträuße in Empfang. Der Anblick war phantastisch, jämmerlich und unglaublich zugleich. Mit einem verklärten Lächeln wandte sich Sobrinini schließlich dem Jungen zu.

      „Eine wundervolle Vorstellung heute, nicht wahr, Bartow?“, rief sie froh. „Und der Applaus! Selbst der König hat geklatscht! Die Blumen — die vielen, herrlichen Blumen!“

      Plötzlich schien sie zur Wirklichkeit zu erwachen.

      „Bomba? Du bist es? Nun, jetzt weißt du, wie ich singen konnte, ehe mich die Ungerechtigkeit dieser Welt auf die Schlangeninsel getrieben hat. Jetzt weißt du es.“

      Sie schwankte plötzlich und wäre umgefallen, wenn Bomba sie nicht in seinen Armen aufgefangen hätte.

      4 Der Vorhang fällt

      Vorsichtig bettete Bomba den gebrechlichen Körper auf das Grasbett. Der Tau des Todes lag auf der Stirn der Sterbenden, und ihr Blick glitt irgendwo in weite Fernen.

      „Das Ende der Reise“, murmelte sie. „Aber ein schönes Ende. Jetzt fällt der Vorhang. Das Opernhaus leert sich, und die Menschen treten in die Nacht hinaus. Aber die Nacht ist kalt und dunkel, und es leuchten keine Sterne. Ich muss jetzt schnell in die Garderobe. Ruf inzwischen meinen Wagen, Bomba, ich warte nicht gern.“

      „Du wirst nicht lange warten müssen“, sagte der Junge sanft.

      „Und dann schlafen“, flüsterte Sobrinini verklärt. „Oh, ich werde gut schlafen — denn ich bin sehr, sehr müde.“

      Bomba wagte nicht zu sprechen. Er saß nur da und streichelte die feuchte Stirn, die unter seiner Berührung immer kälter wurde. Sobrinini lag still und atmete kaum hörbar. Noch einmal bewegten sich ihre Lippen,


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