Der Schuss aus dem Schatten. Hans Heidsieck
— das heisst: ja, in Wirklichkeit heisst er so.“
„Woher wissen Sie denn das alles?“
„Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Jedenfalls bleibt es zunächst noch mein Amtsgeheimnis.“
„Warum warnten Sie mich vor der blonden Frau, mit der ich zusammen war?“
„Die Frau ist vor einigen Tagen plötzlich hier aufgetaucht. Sie nennt sich Gibson und wohnt im Eden-Hotel.“
„Na — und?“
„Und? Kurz gesagt: sie kommt mir verdächtig vor.“
„Inwiefern verdächtig?“
„Das kann ich nicht sagen. Doch unsereiner hat eine feine Nase.“
„Sie täuschen sich, Herr Sogalla — sie ist eine feine, gebildete Frau!“
„Ich sehe — Sie sind befangen. Ich darf mir deshalb wohl kaum erlauben, nach den näheren Umständen Ihrer Bekanntschaft mit dieser Dame zu fragen?!“
„Das dürfte Sie kaum interessieren.“
„Hm — wenn Sie meinen — — ich sehe, es hat keinen Zweck, mit Ihnen darüber zu sprechen.“
„Zweck? Zweck? Sie haben immer nur einen Zweck im Auge!“
„Das liegt so in meinem Beruf, Herr Köster.“
Hm — na — — und was gedenken Sie jetzt zu tun?“
„Ich muss Sie trotz allem fragen, ob Sie mit dieser Dame noch einmal zusammenkommen?“
„Ich finde: Sie werden indiskret!“
„Pardon — ich frage in Ihrem Interesse, Herr Köster.“
Alfred geht ärgerlich hin und her. Was hat diesen Sogalla seine Bekanntschaft mit Liane zu kümmern?“
„Vorläufig“, entgegnete er, „ist noch nichts ausgemacht.“
„Sie wissen nichts Näheres über die Dame?“
„Ich bitte Sie, mich mit diesen Fragen in Ruhe zu lassen.“
„Ganz, wie Sie wünschen, Herr Köster. Empfehle mich!“
10. Kapitel
Doktor Mac Thoma betritt den Raum, in dem sich Professor Köster befindet. Der alte Herr schrickt zusammen wie ein gehetztes Tier.
„Soll ich schon wieder verhört werden?“ fragt er ängstlich. Doch Thoma legt ihm begütigend eine Hand auf die Schulter.
„Nein, Herr Professor — nur keine Sorge! Traurig genug, dass Sie dies alles noch durchmachen müssen.“
Diese Worte fallen dem alten Herrn wie Sonnentropfen ins Herz hinein. Endlich jemand, der einmal ein freundliches Wort zu ihm spricht! Er atmet erleichtert auf.
„Finden Sie? Finden Sie wirklich —? Es gibt doch noch einen Menschen, der mit mir Erbarmen hat?“
„Mein Name ist Thoma. Doktor Mac Thoma. Dezernent bei der hiesigen Kriminalpolizei. Ich komme, um Ihnen von dem Stand Ihrer Sache zu berichten.“
„Das ist wirklich sehr liebenswürdig, Herr Doktor!“
„Zunächst kann ich Sie über das Befinden des von Ihnen versehentlich verletzten Herrn Doktor Kranz völlig beruhigen. Es geht ihm schon wieder bedeutend besser. Er lässt Sie grüssen.“
„Was? Lässt mich — grüssen?“
„Jawohl. Er trug es mir selber auf. Ein Irrtum ist ausgeschlossen.“
„Wieso — — wie — — kommt er dazu?“
„Ich hatte ihn zu vernehmen. Bei dieser Gelegenheit hörte er, dass Sie in Untersuchungshaft sitzen. Er meinte, wenn Sie auch sachlich sein Gegner wären, so hätte er doch persönlich die grösste Achtung vor Ihnen und Ihrem Lebensmut.“
„Er — er ist nicht erbittert?“
„Nein — keine Spur. Er bedauert nur, dass er noch keine Gelegenheit hatte, Sie persönlich kennenzulernen. Er meinte, es sei ein Fehler von Ihnen, sich so ganz von der Welt abzuschliessen. Übrigens — nebenbei bemerkt — ich verstehe das auch nicht. Sie sind doch vermögend, — Sie könnten sich alles leisten —!“
„Tja — äh, mein lieber Herr Doktor — — Sie wissen nicht, was es heisst, nur, — und ganz ausschliesslich einer Idee zu leben.“
„Hm — da kann ich freilich nicht mit. Mein Beruf fordert krasseste Einstellung auf die Realität des Lebens.“
„Das mag schon relativ richtig sein. Aber nun sagen Sie bitte, — was wollten Sie mir noch berichten, verehrter Herr Doktor?“
„Nun — Ihre Sache steht günstig. Ihr Herr Sohn hat einen Privatdetektiv engagiert, einen tüchtigen Menschen — — ich kenne ihn.“
„So — — na, — hat er was festgestellt?“
„Allerdings. Ich konnte ihm auch noch behilflich sein. Unsere Überzeugung geht dahin, dass jener Schatten durchaus nicht nur ein Phantasiegebilde von Ihnen gewesen ist.“
„Wirklich?“
„Sogalla — so heisst der Kollege — will sogar schon die Persönlichkeit ausfindig gemacht haben. Ein gewisser Bosti soll es gewesen sein.“
„Bosti? Wer ist das?“
„Wenn es der ist, den wir meinen, dürfte es sich um einen internationalen Verbrecher grössten Formates handeln. Er arbeitet immer im Auftrage irgendwelcher fremden Personen. Verschiedene Diebstähle von berühmten Gemälden und Zeichnungen in Berlin, Paris, London, Rom, Neapel, Madrid werden auf sein Konto geschrieben.“
„Der wusste vielleicht, dass ich in meiner Villa zwei echte Rembrands besitze!“
„Schon möglich — diese Art Menschen wissen meist mehr als wir ahnen. — Na, also ich trug das Ergebnis von unseren Nachforschungen dem Untersuchungsrichter vor. Inzwischen ist auch ein Haftentlassungsantrag von Justizrat Brangheimer eingegangen, — kurzum, Sie werden nun nicht mehr lange hier sitzen brauchen.“
„Glauben Sie wirklich?“
„Bestimmt. Das wollte ich Ihnen bloss sagen.“
„Ich danke Ihnen verbindlich, Herr Doktor! Sie haben mir einen sehr grossen Dienst erwiesen. Nun kann ich doch wieder hoffen! Sie wissen wohl kaum, was das heisst. Aber in diesem dumpfen Raum hier eingesperrt sein und nicht wissen, wie lange noch — — für mich ist das furchtbar.“
„Oh ja — ich kann es mir denken.“
„Und ganz aus der Arbeit gerissen zu werden! — Wann will man mich denn entlassen?“
„Möglicherweise noch heute.“
11. Kapitel
„Hören Sie, Franz!“ sagt Alfred zu dem bejahrten Diener des Vaters, „hier haben Sie zwanzig Mark. Es kommt eine Dame. Maul halten, — verstanden? Die beiden Mädels bekommen dasselbe — zur gleichen Bedingung.“
„Ich danke verbindlich, Herr Alfred. Kein Wort soll mir über die Lippen kommen. Für die Mädels bürge ich gleichfalls.“
„Johanna soll guten Mokka bereiten. Im kleinen Salon wird serviert. Das gute Meissner Porzellan, wenn ich bitten darf.“
„Wird bestens erledigt, Herr Alfred.“
„Na — schön. Und Kuchen besorgen — Schlagsahne.“
„Gut.“
Alfred jagt durch die Stadt. Kauft Blumen zusammen; sonstige Kleinigkeiten.
Um einhalb vier ist er wieder zu Hause. Er rennt auf und ab — auf und ab.
Punkt