Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
von der harten Arbeit, die sie die Woche über zu verrichten hatten, aber auch Urlauber, Gäste der Hotels, der Pensionen und umliegenden Privatunterkünften kamen gerne her, um bei einem Abend mit Gaudi und Musik einmal so richtig ausgelassen zu feiern.
Andrea Hofmann saß mit am Tisch der Honoratioren des Dorfes. Sie unterhielt sich mit Claudia, tanzte mit Pfarrer Trenker und dessen Bruder und war richtig guter Stimmung. Dennoch warf sie immer wieder einen sehnsuchtsvollen Blick durch den Saal, in der Hoffnung, Georg würde doch noch gekommen sein.
Aber sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Statt dessen sah sie hin und wieder Franz Brandner, der mal hier, mal dort auftauchte. Der Knecht des Mäderhofs schien überall zu sein. Mal hockte er an einem der Tische und schwatzte mit den Leuten, die dort saßen, dann wiederum wirbelte er ein Madl übermütig über die Tanzfläche.
Natürlich hatte er Andrea längst entdeckt. Aber noch forderte er sie nicht zum Tanzen auf. Er wollte freilich nicht darauf verzichten, sie in seinen Armen zu halten. Immer noch stand das Bild in der Jagdhütte vor seinen Augen, und er begehrte sie mehr denn je. Doch gut Ding will Weile haben, sagte er sich und zögerte den Augenblick hinaus.
Am Nachmittag hatte er erfahren, wer sie war und was Andrea mit dem Bauern verband. Liesl hatte es ihm gesagt, als der Knecht, fast beiläufig, während des Kaffeetrinkens das Gespräch auf die junge Frau lenkte.
»Was ist eigentlich mit dem Bauern los?« fragte er, ohne gleich auf sein eigentliches Ziel loszusteuern. »Wieso ist er denn zur Jagd gefahren?«
Die Magd hatte mit den Schultern gezuckt.
»Ach, mein Gott«, erwiderte sie, »so ist er halt. Wenn ihm was auf den Magen schlägt, muß er einfach ein bissel für sich sein.«
»Hat’s was mit der Andrea zu tun?« wollte Franz wissen.
»Was weißt du denn von ihr?« fragte Liesl erstaunt.
»Na ja, ich hab’ sie kennengelernt«, erwiderte er und erzählte von der Begegnung im Unwetter. »Das mit dem Fremdenzimmer hab’ ich dir ohnehin net abgenommen. Als du’s dem Bauern gesagt hast, konnt’ man dir ansehen, daß es net stimmte.«
Sie sah ihn ärgerlich an.
»Misch dich net in Sachen, die dich nix angehen!« sagte sie hart.
»Ist ja schon gut«, wiegelte er ab. »Es interessiert mich halt, was es mit ihr auf sich hat. Ich denk’, da war mal was, zwischen der Andrea und dem Georg…«
»Wenn du’s sowieso schon ahnst, kannst’ gleich alles wissen«, erwiderte Liesl. »Ja, die beiden waren einmal ein Paar. Ist lang’ her, und ich weiß net genau, warum es auseinandergegangen ist. Aber nun ist die Andrea zurückgekommen, und was dann geschehen ist, weißt’ ja.«
Franz Brandner nickte. Er hatte genug erfahren. Eine alte Liebschaft also, wie er vermutet hatte. Aber offenbar legte der Bauer keinen Wert darauf, die Beziehung zu erneuern, und er, Franz, brauchte sich keine Gedanken darüber machen, daß er ihm ins Gehege kommen würde, wenn er sich um das fesche Madl bemühte.
Zum Ausgehen hatte er sich besonders gründlich rasiert, das Haar sorgfältig gekämmt und etwas mehr Rasierwasser als sonst auf die Haut gerieben. Mit seinem Trachtenanzug, dem weißen Leinenhemd, das er nicht ganz zuknöpfte, machte er einen draufgängerischen Eindruck.
Und ein Draufgänger war er, der Franz Brandner. Diese schmerzvolle Erfahrung hatte schon so manches Madl machen müssen. Wenn ihm eines gegen den Strich ging, dann war es die Anhänglichkeit einer Frau, nur bei einer würde er eine Ausnahme machen.
Indes war es ja auch nur eine Frage der Zeit, bis Andrea Hofmann wieder abreisen mußte…
Als er die Zeit für gekommen hielt, ging Franz an den Tisch, machte eine formvollendete Verbeugung und forderte sie auf.
»Ich dachte schon, du hättest keine Lust, mit mir zu tanzen«, sagte sie, als er ihren Arm nahm.
Die Kapelle spielte einen langsamen Walzer, und er drückte sie fest an sich.
Du ahnst ja gar net, wieviel Lust ich hab’, dachte er, hütete sich aber, es laut auszusprechen. Statt dessen lächelte er sie an.
»Das wär’ ja geradezu eine Sünd’, net mit dir tanzen zu wollen«, antwortete er. »Hast’ das Unwetter gestern gut überstanden?«
»Dank’ deiner Hilfe, ja«, erwiderte sie. »Ich war wirklich froh, daß du da plötzlich warst.«
Er grinste und zog sie noch enger an sich.
»Dann können wir ja jetzt ausgiebig deine Rettung feiern«, meinte er und bedachte sie mit einem Blick, der Bände sprach.
Andrea lächelte. Es war ihr von Anfang an klar gewesen, daß er mit ihr flirten wollte. Und welche Frau ist nicht stolz, wenn ein Mann ihr zeigt, wie sehr er sie mag. Aber da war ein gefährliches Glitzern in seinen Augen, das zur Vorsicht mahnte.
Doch was soll mir hier schon passieren? dachte sie.
Trotz der Tatsache, daß Georg sich in seiner Jagdhütte verkrochen hatte und es vermied, ihr zu begegnen, fühlte sie sich ausgesprochen wohl. Der Abend hatte so schön im Kreis der Familie des Geistlichen begonnen. Das herrliche Essen, der Wein und die Unterhaltung, all das hatte dazu beigetragen, ihre Stimmung zu heben. Andrea merkte, daß sie einen leichten Schwips hatte, und Franz der sie jetzt, zu den Klängen eines fetzigen Rock ’n’ Roll im Kreis herumwirbelte, merkte es auch.
Na, dann los, Madl, wollen wir die Sache mal angehen, sagte er zu sich selbst und zwinkerte seiner Tanzpartnerin zu.
*
Unter den Gästen war auch Franz Gruber. Er hatte lange überlegt, ob er hingehen sollte, nachdem Andreas Trenker ihm von dem Tanzabend erzählt hatte. Zuerst wollte er nicht, doch dann überlegte er es sich anders. Nachdem er wieder im Wirtshaus zu Abend gegessen hatte, ging er auf den Saal und sah dem Treiben vom Tresen aus zu. Zu Hause gab es ähnliche Feste. Nicht jeden Samstag, aber wenn die Feuerwehr feierte, oder Schützenfest war, dann ging es auch immer hoch her.
Franz dachte an Lina. Es war lange her, daß sie ausgegangen waren und getanzt hatten. Er nahm sich vor, bald wieder mal was mit ihr zu unternehmen, wenn er zurück war.
Doch noch war es nicht soweit. Erst einmal hatte er eine Aufgabe zu erfüllen, die er sich selbst auferlegt hatte.
Am Morgen war er wieder rastlos unterwegs gewesen, ohne den erhofften Erfolg zu haben. Vorher war er allerdings in die Stadt gefahren und hatte sich ein Auto besorgt. Das stand jetzt vor der Pension. Bis zum frühen Nachmittag war er damit unterwegs gewesen, bis er endlich aufgegeben hatte.
Neben ihm standen etliche andere Männer. Es gehörte einfach dazu, am Tresen, bei Bier und Obstler, zu plaudern – wobei sich manch einer auch davor drückte, mit seiner Frau zu tanzen…
Franz Gruber schaute umher, als ihn jemand ansprach. Es war einer der Bauern, die er vergeblich aufgesucht hatte. Er erkannte den Mann wieder, als der das Wort an ihn richtete.
»Haben S’ bei Ihrer Suche Erfolg gehabt?« fragte Wolfgang Brandner, der einen Hof in der Nähe von Waldeck bewirtschaftete.
»Leider nicht«, schüttelte Gruber den Kopf.
Der Bauer bestellte eine Runde Obstler und schob eines der Gläser Franz zu.
»Mir ist da noch was eingefallen«, sagte er, nachdem sie sich zugeprostet und getrunken hatten. »Mein Vater hat da mal eine Geschichte erzählt. Ist mir erst jetzt wieder in den Sinn gekommen. Unsre Familie ist nämlich weitläufig mit den Hirschlers vom Jägersteig verwandt. Ich weiß net, ob Sie da oben schon waren.«
Im ersten Moment war Franz’ Interesse erwacht, doch dann nickte er enttäuscht. Am Jägersteig stand der Hirschlerhof. Zwar hatte er nicht mit den Leuten dort gesprochen, aber auf einem Wegweiser stand der Name.
»Das kann nicht der richtige Hof sein«, antwortete er.
»Könnt’ schon«, widersprach der Bauer. »Die Sache ist nämlich so: Mein Vater war noch ein Bub, als