Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy
leugnen, dass ich einen Freund gut gebrauchen konnte.
Vielleicht finde ich in der Stadt ja nicht nur Klamotten, sondern auch neue Freunde.
Bei dem Gedanken musste ich ein wenig lächeln. Aber als ich nach meinem Autoschlüssel suchte und nach draußen ging, fiel mein Blick automatisch auf Jakes Hütte. Offensichtlich war ich masochistisch veranlagt.
Kapitel 4
Jake
»Jake, willkommen zu Hause.« Peters Stimme hüllte mich ein wie eine warme Decke. Ich hatte über meine Schulter geblickt, also sah ich ihn erst, als ich in ihn hineinlief. Ich warf mich praktisch in seine Arme. Es gab so vieles, was ich ihm sagen musste, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. »Hey«, sagte Peter mit einem Lachen, als er mich umarmte und mich dann sanft von sich schob. Er musterte mich einen Moment, dann verzog er das Gesicht. »Wo ist denn dein Mantel?«, fragte er. »Hast du vergessen, dass hier Winter ist?« Er lächelte, dann wickelte er sich den Schal vom Hals und trat näher.
»Peter, ich muss mit dir reden«, sagte ich hastig und ignorierte das Gefühl seiner Finger an meinem Hals, als er mir den Schal umband.
»Okay, klar, lass uns nach drinnen gehen, wo es warm ist«, antwortete er. Er trat einen Schritt zurück und blinzelte mich mit seinen braunen Augen an. Für einen Moment vergaß ich alles. Nur seine Nähe war im Moment wichtig.
»Gott, ich habe dich so sehr vermisst«, hörte ich mich selbst flüstern. »Ich muss dir so viel erzählen.«
Er musterte mich eingehend, dann nickte er. »Ich muss dir auch vieles erzählen, Jake. Aber lass uns drinnen reden, ja?«
Ich nickte ebenfalls und warf einen Blick zum Kaffeehaus. Es war nicht viel los, also würden wir die nötige Privatsphäre haben. »Okay.«
Peter erwiderte noch für einen Moment meinen Blick, dann seufzte er und trat einen Schritt auf mich zu. Nur zu gerne ließ ich mich in seine Arme sinken. Doch bevor er sie um mich schlingen konnte, hörte ich einen leisen Knall. Und dann noch einen.
Das Geräusch eines Motors, der gestartet wurde, riss mich aus meinen Gedanken. Ich hielt den wunderschönen blauen Schal so fest umklammert, dass er völlig zerknittert war. Rasch lockerte ich meinen Griff. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und sah einen verschwommenen roten Fleck, der gerade die Einfahrt hinunterfuhr.
Oz. Er fuhr weg. Weil ich ihn vertrieben hatte. Indem ich mich schon wieder wie ein Arsch verhalten hatte. Ich seufzte und starrte den Schal in meinen Händen an. Dann tat ich etwas, das ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte: Ich vergrub meine Nase darin. Aber der einst so vertraute Geruch nach Burberry-Aftershave war schon lange verflogen. Ich zwang mich dazu, den Schal wieder sinken zu lassen und ihn zurück zu meinem Kleiderschrank zu bringen. Mir war klar, dass ich Oz eine Entschuldigung schuldete. Aber ich wusste auch, dass ich mich in Zukunft von ihm fernhalten musste. Wenn mir bisher nicht klar gewesen war, wie anziehend ich ihn fand, so konnte ich es nun definitiv nicht mehr verbergen. Und diese Anziehung war nur ein Teil des Problems. Meine Gedanken wanderten wieder zu seinem Kommentar über den Hund. Seine Worte hatten irgendwie wehmütig geklungen. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht nur über das hässliche kleine Tier gesprochen hatte. Irgendwie wurde ich nicht schlau aus diesem Mann.
Ich sah mich in meinem Schlafzimmer um und trat dann wieder ins Wohnzimmer. Die kleinen Farbkleckse strahlten mir entgegen wie ein Leuchtfeuer, auch wenn sie klein waren. Als ob Oz dem Raum seinen persönlichen Stempel aufgedrückt hätte. Er hatte etwas hier zurückgelassen, und es war mehr als nur eine kleine Verschönerung meines Wohnzimmers. Er mochte eindeutig hübsche Dinge, aber anscheinend ging es nicht darum, wie teuer sie waren. Wie etwa seine Schuhe. Er hatte das Design erwähnt, aber nicht die Tatsache, dass sie wahrscheinlich ein Vermögen gekostet hatten. Ich war nicht komplett ahnungslos; natürlich wusste ich, wer Karl Lagerfeld war. Aber Oz hatte nichts darüber erwähnt, wie viel Geld er für die Schuhe hingeblättert hatte. Und dann war da die Art, wie er über seinen Hund gesprochen hatte. Boo war für ihn wohl nicht eines dieser schicken Designer-Haustiere, die man stolz in der Handtasche herumtrug. Mein Blick fiel wieder auf die Decke auf der Couch, auf das grün überzogene Kissen, das … Heilige Scheiße, das war mein grünes Lieblingshemd. Jenes, das ich nur zu besonderen Anlässen trug. Am liebsten hätte ich gelacht. Oz hatte wahrscheinlich einen Blick darauf geworfen und sich gedacht, dass es wahrscheinlich nur irgendein altes Kleidungsstück war, das ich nicht vermissen würde. Dieser junge Mann war mir wirklich ein Rätsel. Wenn es um Sex ging, war er wohl der feuchte Traum jedes schwulen Mannes. Er sah einfach unglaublich gut aus. Und während er in manchen Dingen selbstbewusst und geradezu stur war, war er in anderen Dingen unglaublich naiv und ahnungslos. Er hatte eine Menge teures Zeug, aber soweit ich das erkennen konnte, ging es ihm nicht um den Preis. Die Liebe, die er seinem Hund schenkte, bewies, dass er ein gutes Herz hatte. Auch wenn manches, was er über Boo gesagt hatte, ein wenig dick aufgetragen war. Und er genoss die kleinen Dinge. Wie zum Beispiel ein wenig Farbe in mein Leben zu bringen. Doch zu welchem Zweck? Um die Antwort darauf zu finden, müsste ich wohl versuchen, ihn zu verstehen. Und das stand definitiv nicht zur Debatte. Ich schüttelte den Kopf, ließ das Kissen und die Decke aber auf dem Sofa liegen. Später hätte ich immer noch Zeit, alles wieder wegzuräumen. Was Oz anging, so beschloss ich, meinem neuen Nachbarn aus dem Weg zu gehen. Bis er verstand, dass er genauso wenig in mein Leben passte wie die Farbkleckse auf meinem Sofa. Irgendwann würde er es schon kapieren und alles würde wieder normal werden. Sobald der süße Modedesigner zurück nach New York fuhr, würde in meinem Leben alles wieder so sein wie zuvor. Farblos. Still. Sicher.
* * *
Es war nun drei Tage her, dass ich mir geschworen hatte, Oz aus dem Weg zu gehen. Doch ich musste ihn gar nicht meiden. Er mied nämlich mich. Nicht, dass ich es ihm verübeln konnte, nachdem ich ihn so angeblafft hatte. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er wieder meine Nähe suchen würde. Doch die paar Male, in denen ich ihn zu Gesicht bekam, ignorierte er mich völlig. Sein kleiner Hund war mir eines Morgens auf dem Weg zum Auto entgegengelaufen. Doch Oz hatte Boo ungewöhnlich streng zurück zur Veranda gerufen, als sie auf seinen ersten Ruf nicht reagiert hatte. Prinzessin Cujo hatte gehorcht und es war kaum überraschend, dass Oz’ Ärger sofort verflogen war, als er das Hündchen auf den Arm genommen hatte. Er hatte es mit Küssen übersät und ihm etwas ins Ohr geflüstert; eine Entschuldigung, nahm ich an. Dann hatte er es zurück ins Haus getragen, während es glücklich mit dem Schwanz gewedelt hatte.
Mein Instinkt versuchte immer wieder, mich dazu zu überreden, nach ihm zu sehen. Doch ich schaffte es, mich davon abzuhalten. Der Mediziner in mir wollte sichergehen, dass seine Verbrennung auch gut verheilte. Der Mann in mir wollte sich davon überzeugen, dass er es auch schön warm hatte und für den kommenden Kälteeinbruch alles hatte, was er brauchte. Aber der bezaubernde kleine Oz war nicht mein Problem. Nun ja, doch, irgendwie schon. Aber es gefiel mir überhaupt nicht. Es war definitiv ein Problem, dass ich jede Nacht von ihm träumte. Und dass ich seinen Namen murmelte, wenn ich mir unter der Dusche einen runterholte. Nun, da sein Auto weg war, fiel es mir leichter, nicht an ihn zu denken. Oder an den Drang, nach ihm zu sehen.
Gerade, als ich in meinen Truck stieg, klingelte mein Handy. Ich startete den Motor, bevor ich ranging. Auf dem Display sah ich sofort, wer anrief. Und so gerne ich Xander den dritten Tag in Folge ignoriert hätte, ich wusste, wenn ich so weitermachte, würde er vorbeikommen und nach mir sehen. Unangemeldet natürlich. Ich nahm den Anruf entgegen. »Hey«, sagte ich.
»Selber hey«, antwortete Xander. »Hast du heute Abend schon was vor?«
Ich schloss die Augen. Diese Frage hatte ich erwartet. »Ähm, sorry, ich … Ich hab noch was zu erledigen.«
»Ach ja, was denn?«
Die Frage erwischte mich auf dem falschen Fuß. Xander bohrte normalerweise nicht nach. »Zeug«, antwortete ich lahm.
»Aha«, äußerte Xander. Er war eindeutig nicht überzeugt davon, dass ich die Wahrheit sagte. Zum Glück stellte er mich nicht zur Rede. »Also, wie läuft es mit dem süßen Nachbarn?«
Jesus, wollte er jetzt wirklich den Kuppler spielen? »Gut. Er geht mir aus dem Weg,