Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy
hast du noch nicht mit ihm geredet?«
»Nein«, log ich. Auf keinen Fall würde ich zugeben, dass es mehr als das gewesen war.
»Na, dann solltest du das tun. Er ist toll. Süß. Und auch lustig.«
Ich hasste es, dass mich augenblicklich die Eifersucht packte bei dem Gedanken, dass jemand anderes Oz mochte. Obwohl ich wusste, dass Xander nie einen anderen Mann eines Blickes würdigen würde. Nicht, wenn er Bennett hatte. »Du hast mit ihm geredet?«
»Ja, ich habe ihn in New York mal getroffen. Auf diesem Benefizkonzert, das Ash auf die Beine gestellt hat. Und dann noch einmal, als er vorbeigekommen ist und seine Miete für den Winter bezahlt hat.«
»Für den Winter? Den ganzen Winter?«
»Ja, bis Ende Februar. Er wird aber nicht den ganzen Februar hier sein. Irgendetwas mit Fashion Week. Ich habe gehört, wie er mit Lucky darüber gesprochen hat. Er ist Designer oder so.«
»Ist er«, sagte ich, ohne darüber nachzudenken. »Modedesigner.«
»Also hast du doch mit ihm geredet.«
Ich verdrehte die Augen, weil Xanders Stimme sofort lauter wurde. »Okay, ich muss dann mal los«, sagte ich.
»Warte, warte«, unterbrach Xander mich. »Ich wollte dich eigentlich persönlich fragen, aber bevor ich dich mal zu Gesicht bekomme, begegne ich eher Bigfoot. Also frage ich jetzt.«
»Was?«, wollte ich wissen und wappnete mich für das Schlimmste.
»Bennett und ich haben jetzt ein Datum für die Hochzeit.«
Ich wartete auf den kleinen, schmerzhaften Stich, den ich immer verspürte, wenn Xander Bennett erwähnte. Seltsamerweise passierte nichts. »Okay«, sagte ich. »Und wann ist sie?« Ich wusste, bei diesem Anlass konnte ich mich nicht herausreden. Und eigentlich wollte ich das auch nicht. Egal, wie viel sich verändert hatte. Xander war ein guter Freund und ich freute mich für ihn. Endlich bekam er das Leben, das er verdiente.
»Weihnachten. Und ich will, dass du mein Trauzeuge bist.«
Fuck.
»Wirklich?«, fragte ich und schaffte es irgendwie, überrascht zu klingen statt entsetzt.
»Aiden ist Bennetts Trauzeuge. Und ich will, dass mein bester Freund mein Trauzeuge ist.«
Mein Herz schlug mir bis in die Kehle. Bester Freund? Gott, sah er mich wirklich so? Wenn es so war, dann war ich wohl der beschissenste beste Freund des gesamten Planeten. »Ähm, ja, klar. Okay.«
Super, Jake. Du klingst ja richtig begeistert.
»Okay, cool«, sagte Xander. Er klang ein wenig erleichtert. »Es kommen nur Freunde und enge Verwandte. Wir feiern nur im ganz kleinen Rahmen, bei uns in der Haven Lodge.«
Meine Emotionen liefen Amok. Wieso machte es mich gerade so fertig, was Xander gesagt hatte? Vielleicht, weil ich bisher noch nie wirklich darüber nachgedacht hatte. Doch es stimmte, er war wirklich mein bester Freund. Ich hatte es nur bisher noch nicht begriffen. Und die Erkenntnis tat weh. Sie erinnerte mich nämlich daran, wie sehr sich in den letzten Jahren alles verändert hatte. Ich hatte mich emotional so isoliert, dass mir der Gedanke, einen besten Freund zu haben, völlig fremd vorkam.
»Okay, sag mir einfach, wann ich da sein soll.«
»Du kommst trotzdem auch zu Thanksgiving, oder?«, fragte Xander.
Vor fünf Minuten hätte ich noch versucht, mich herauszureden. Aber jetzt nickte ich nur und sagte: »Ja, ich bin dabei.«
»Okay, wir besprechen dann alles. Außer, du magst dich schon vorher mal mit mir zusammensetzen. Vielleicht bei einem Bier?«, fragte Xander hoffnungsvoll.
Ich lächelte in mich hinein. »Vielleicht braue ich bald mal wieder neues Bier. Eventuell sobald der Kälteeinbruch vorüber ist.«
»Gut«, sagte Xander. »Tu mir einen Gefallen und pass ein bisschen auf Oz auf, ja? Vor allem, wenn die Kältewelle wirklich so lange andauert, wie vorhergesagt wurde. Ich habe das Gefühl, er kommt noch nicht so gut damit zurecht, auf eigenen Beinen zu stehen.«
Ja, klar, und wenn ich schon dabei bin, kann ich mir ja gleich den Arm absägen und ihn an Oz’ verrückten kleinen Hund verfüttern.
»Sicher«, murmelte ich. »Hör mal, ich muss jetzt los«, fügte ich nach einem Blick auf die Uhr am Armaturenbrett hinzu.
»Okay, wir hören uns dann bald. Ruf doch in ein paar Tagen mal an und sag mir Bescheid, ob es euch da oben auch gut geht.«
»Wird gemacht«, antwortete ich. Wärme breitete sich in meinem Bauch aus. Es war schon lange her, dass sich jemand so um mich gekümmert hatte, wie Xander es tat. Ich war im Moment nicht in der Lage, Xander ebenfalls die metaphorische Hand zu reichen, die er mir ununterbrochen entgegenstreckte. Aber ich konnte ja zumindest ab und zu seine Hilfe annehmen. Ich verabschiedete mich, legte auf und startete das Auto.
Es dauerte etwa fünfzehn Minuten, den Berg hinabzufahren. Als ich die Stadtgrenze von Haven passierte, ließ meine Anspannung etwas nach. Ich mochte es zwar, Wildnisführer zu sein und über die Wintermonate hier und da einen Auftrag in den Bergen anzunehmen, aber nichts brachte mir mehr inneren Frieden als die gemeinnützige Arbeit im Krankenhaus von Haven. Es war einfach nur verrückt, dass ich immer wieder hierher zurückkehrte und dem völlig überarbeiteten Dr. Sharma meine Dienste anbot. Trotzdem tat ich es wieder und wieder, meist mehrmals die Woche. Zum Glück hatte Dr. Sharma schnell begriffen, dass meine Hilfe an einige unausgesprochene Regeln geknüpft war. Zum Beispiel durfte er nicht viele Fragen über meine Vergangenheit stellen. Eigentlich gar keine. Ich fragte mich oft, ob der Mann nicht etwas durchgeknallt war. Immerhin erlaubte er mir, ihm zu helfen, und das, ohne jemals irgendeinen Beweis für meine medizinische Ausbildung gesehen zu haben. Natürlich stellte ich keine Rezepte aus und ich machte meist nicht mehr, als etwas Erste Hilfe zu leisten. Dennoch war das, was ich tat, eigentlich strengstens verboten. Allerdings brauchte ich die Stelle genauso dringend, wie Dr. Sharma meine Hilfe brauchte. Ich war eben mit Leib und Seele Arzt. Wenn es einen Weg gab, diesen Teil von mir zu unterdrücken, hatte ich bisher noch nicht herausgefunden, welchen.
Mein Stresslevel stieg schlagartig wieder an, als ich auf den Parkplatz einbog und den feuerroten Jaguar erblickte. Was zur Hölle machte er ausgerechnet hier? Bevor ich die Frage überhaupt fertig gestellt hatte, fiel mir bereits die Antwort ein. Rasch stieg ich aus meinem Truck. Ich würdigte die Rezeptionistin Nancy kaum eines Blickes, als ich durch das leere Wartezimmer der Klinik eilte.
»Hey, Jake«, sagte Becky, die Oberkrankenschwester, als ich die Station betrat.
»Ist der Doc da?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er da war.
»Raum zwei, aber da ist grad ein Patient drin«, antwortete sie.
»Danke«, murmelte ich und eilte zu Raum zwei. Ich machte mir nicht die Mühe, anzuklopfen, bevor ich die Tür aufriss. Der Doc und Oz sahen mich überrascht an.
»Jake«, sagte der Doc. »Brauchst du etwas?«
Ich ignorierte ihn. Mein Blick war fest auf Oz gerichtet. Aber nicht auf sein Gesicht. Nein, auf sein Handgelenk. Sein knallrotes, zweifellos entzündetes Handgelenk. Und es war nur aus einem Grund entzündet. Weil ich ein verdammter Feigling war und mich nicht davon überzeugt hatte, dass es gut verheilte. Bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, was ich hier tat, sah ich den Doc an und sagte: »Es ist okay, Jai. Ich übernehme ab jetzt.«
Der Doc starrte mich an, widersprach aber nicht. Er verließ den Raum und schloss die Tür leise hinter sich.
Ich griff nach Oz’ verletztem Arm, doch er hielt ihn eng an seine Brust gedrückt.
»Mir geht’s gut. Doktor Sharma hat mir gerade geholfen. Du kannst wieder gehen.«
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus, als ich seinen kalten Tonfall vernahm. Es hörte sich aus seinem Mund so falsch an. Normalerweise war Oz doch immer so fröhlich und quirlig. »Bitte lass mich einen Blick darauf werfen, Oz.«
Er