Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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ich trinke keinen Kaffee. Wenn es auch Tee sein darf, dann gern.« Ihr belustigtes Glucksen begleitete ihre Zusage.

      Matthias hätte zu gern eingestimmt. Doch die Platzwunde erstickte dieses Bedürfnis im Keim. So begnügte er sich damit, vor sich hin zu grinsen und im Übrigen Fee Norden einen stillen Dank zu schicken. Ohne ihre Standpauke wäre er gar nicht auf die Idee gekommen, Sandra eine zweite Chance zu geben. Und so, wie es aussah, wäre das ein sehr großer Fehler gewesen.

      *

      » … in sechs bis acht Wochen die Klinik verlassen.« Felicitas Norden hatte ihre Ausführungen zu Leos weiterer Behandlung beendet und lächelte Alexa Quadt freundlich an, als es klopfte. Eine Schwester steckte den Kopf herein und teilte ihr mit, dass ihr Mann sie zu sprechen wünschte.

      »Bitte entschuldigen Sie mich kurz.« Fee nickte Alexandra zu und verließ das Büro.

      Die Unterredung dauerte nicht lange. Ihre Miene war ernst, als sie an den Schreibtisch zurückkehrte.

      Alexa erschrak.

      »Gibt es schlechte Nachrichten?« Die Angst um ihren Sohn stand ihr ins Gesicht geschrieben.

      »Keine Sorge, Leo geht es gut.«

      »Gott sei Dank.« Alexas Seufzen kam aus tiefstem Herzen. Doch das war noch nicht das gewesen, was Fee eigentlich sagen wollte.

      »Als angehende Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie möchte ich aber noch etwas mit Ihnen besprechen.«

      Alexa schluckte. »Ja?«

      Obwohl Felicitas sich schon während des kurzen Gesprächs mit Daniel Gedanken gemacht hatte, fiel ihr der Einstieg schwer. Schließlich beschloss sie, den Stier schlicht bei den Hörnern zu packen.

      »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Leo die Wahrheit über seine Herkunft zu sagen?«

      Sie hatte kaum ausgesprochen, als sich Alexandras Augen mit Tränen füllten.

      »Sie wollen mir mein Kind wegnehmen!«, schluchzte sie auf und wollte aufspringen, als Felicitas entschieden den Kopf schüttelte.

      »Nein, natürlich nicht«, versicherte sie schnell. »Das wäre nicht in Leos Interesse. Und darum sollte es uns allen gehen. Ihnen, Ihrer Schwester und Ihrem Schwager. Und nicht zuletzt uns Ärzten.«

      Alexa zögerte. Sie war auf die äußerste Stuhlkante gerutscht, jederzeit bereit zur Flucht.

      »Wenn ich Leo sage, dass ich nicht seine Mutter bin, wird er mich für den Rest seines Lebens hassen.«

      »Natürlich wird er nicht begeistert sein«, räumte Fee ein. »Sie werden viele Gespräche führen müssen, um sein Vertrauen zurückzugewinnen. Aber er wird Ihnen auch hoch anrechnen, dass Sie sich überwunden haben und ehrlich zu ihm waren. Das wird Ihre Bindung stärken und letztlich Ihre Beziehung zueinander retten. Möglicherweise spürte er schon sein ganzes Leben lang, dass etwas nicht in Ordnung ist.« Sie machte eine kunstvolle Pause. »Aufrichtigkeit stärkt das Vertrauen von Kindern in ihre Eltern.«

      Mit ausdrucksloser Miene hatte Alexa die Worte der Ärztin angehört. Fee ahnte nicht, was in der Mutter vorging. Alexandra sagte es ihr schließlich selbst.

      »Verlangen Sie von mir, ihm ausgerechnet jetzt, in dieser schwierigen Phase, die Wahrheit zu sagen? Was, wenn Leo das nicht verkraftet? Wenn er nicht wieder gesund wird und stirbt? Dann werde ich mir für den Rest meines Lebens Vorwürfe machen.«

      Mit diesen Einwänden hatte Felicitas gerechnet.

      »Im Augenblick muss er in der Tat nichts anderes als gesund werden. Aber eines Tages wird er Ihnen Fragen stellen. Wer ist der Mann, der einen Teil seiner Leber hergegeben hat? Der sein Leben für ihn riskiert hat? Wollen Sie ihn dann wieder anlügen?«

      Alexa konnte nicht sprechen. Weinend schüttelte sie den Kopf.

      Fee nutzte die Gunst der Stunde und fuhr fort.

      »Natürlich kommt es darauf an, mit welchen Worten ihm der Sachverhalt vermittelt wird. Aber keine Angst! Bei diesem schwierigen Prozess werden Sie alle von einer psychologischen Fachkraft begleitet.« Erleichtert bemerkte sie, wie sich Alexandras abwehrende Körperhaltung veränderte.

      Sie rutschte ein Stück auf dem Stuhl zurück und trocknete sich die Tränen. Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Fee gab der verzweifelten Mutter die Zeit, die sie brauchte.

      »Es muss doch einen Weg geben, der für uns alle gut ist«, murmelte Alexa irgendwann. Sie starrte auf ihre Hand, in der sie das nasse Taschentuch zusammengeknüllt hatte. »Sie ahnen ja nicht, wie schwer es manchmal ist, allein all die Verantwortung für ein Kind, für unser beider Leben zu tragen. Wie oft ich mich einsam und verlassen fühle. Wie sehr ich meine Schwester vermisse. Mich danach sehne, wieder eine Familie zu haben«, gestand sie schließlich leise. »Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie Leo dieses Durcheinander je begreifen soll.«

      In diesem Moment wusste Felicitas, dass die Schlacht gewonnen war. Sie lächelte erleichtert.

      »Vielleicht war es gar nicht so schlecht, so lange geschwiegen zu haben«, versuchte sie, Alexa zu beruhigen. »Die Zeit hat für Sie gespielt. Überlegen Sie doch mal, wie viele Kinder in ungewöhnlichen Verhältnissen aufwachsen, mit biologischen oder Zieheltern. Mit zwei Müttern oder zwei Vätern. Ausgetragen von Leihmüttern in anderen Ländern. Gezeugt mit Hilfe von Samenspenden. Heutzutage ist alles denkbar und fast alles möglich. Das war in Kriegszeiten übrigens kaum anders. Wie viele Kinder sind in Zweckgemeinschaften der verschiedensten Konstellationen groß geworden und waren trotzdem glücklich. Weil sie geliebt wurden.« Fees Lächeln wurde tiefer. »Ich denke, ob und wie Kinder die Wahrheit erleben, hängt davon ab, wie die Erwachsenen damit umgehen. Ob sie mit dem Schmerz und den Konflikten zurecht kommen, die solche Konstellationen immer mit sich bringen. Aber eben auch das Glück annehmen können, das ja immer Teil von allem ist.« Fee Norden war am Ende ihrer leidenschaftlichen Rede angelangt. Mehr hatte sie nicht zu sagen. Es lag nun allein an Alexandra Quadt, was sie daraus machte. Sie hatte ihre und die Zukunft ihres Kindes in der Hand. Wie würde sie sich entscheiden?

      Gebannt beobachtete Felicitas das Mienenspiel der Mutter, das ihm Gegensatz zu vorhin sehr bewegt war. Nach einer gefühlten Ewigkeit verzogen sich Alexas Lippen zu einem Lächeln.

      »Ich möchte mit meiner Schwester sprechen«, sagte sie mit ruhiger, entschiedener Stimme und stand auf.

      Fee begleitete sie zur Tür. Dabei hatte sie das Gefühl, auf Federn zu gehen, so befreit und erleichtert fühlte sie sich.

      »Nicole wartet draußen auf Sie«, erwiderte sie und öffnete die Tür.

      Das Bild, wie sich die beiden Schwestern wortlos in die Arme fielen, gehörte zu dem Schönsten, was sie seit langer Zeit gesehen hatte. Schon jetzt brannte sie darauf, Daniel davon zu erzählen und ihr Glück mit ihm zu teilen. Denn erst dann war es komplett.

Cover Die Weichen sind gestellt

      »Einen schönen Feierabend allerseits!« Daniel Norden stand an der Tür des Aufenthaltsraums und wartete auf seine Frau, die noch schnell zwei Tassen in den Geschirrspüler stellte.

      Sehnsüchtige Blicke trafen ihn.

      »Ihr Glücklichen, ihr habt euer berufliches Ziel für heute erreicht: Den Feierabend!«, bemerkte Schwester Elena, die eben erst gekommen war und die ganze Nacht bleiben würde.

      Alle lachten. Bis auf Fee. Ein durchdringendes Geräusch lenkte sie ab.

      »Ich fürchte, wir haben zu lange gewartet.« Sie drückte Daniel Mantel und Handtasche in den Arm und nestelte den Pieper heraus, der noch an ihrem Hosenbund klemmte und den sie vergessen hatte. »Notaufnahme. Matthias braucht mich«, teilte sie ihm nach einem kurzen Blick auf das Display mit.«

      »Ich komme mit.« Daniel zögerte nicht. Seite an Seite eilten sie den Flur hinunter Richtung Ambulanz. Schon von Weitem hörten sie aufgeregte


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