Echte Freunde. Daniel Zimakoff
ich«, sagten Sebastian und ich im Chor. Ich weiß nicht, warum ich mich gemeldet habe, vielleicht, um Sebastian zu ärgern, um es ihm heimzuzahlen wegen der Fußballsache in der Pause.
»Ich kann kein Schach spielen«, sagte Camilla.
»Hmm.« Bjarne sah von einem zum anderen und zum Schluss zu Linnea. Linnea zuckte mit den Schultern. Sie wollte es nicht entscheiden.
»Wer von euch kennt sich aus mit ...«, fing Bjarne an.
»Wir können das Turnier auf dem Computer meines Vaters vorbereiten«, unterbrach ich ihn. »Listen erstellen. Das habe ich schon mal gemacht.«
»Okay. Oliver und Linnea sind verantwortlich für das Schachturnier und die Medaille für den Gewinner.« Bjarne überhörte Sebastians Proteste. Wir vereinbarten außerdem, dass das Kochen und Putzen von Gruppen übernommen werden würde, die aus Schülern beider Klassen bestehen sollten. Die wollte Susanne schon vor der Abreise zusammenstellen. Bjarne schlug vor, am Samstag die große Party zu feiern und Sonntagnachmittag dann die Heimreise anzutreten. Sebastian und Camilla wurden zum Partykomitee ernannt.
»Aber kein Alkohol«, sagte Susanne. »Als Mitorganisatoren seid ihr auch für die anderen verantwortlich.« Sie sah Sebastian fest in die Augen, der noch immer sauer war.
Es regnete nur noch ein bisschen, und ich ließ meine Jacke offen. Ich wollte den Club sausen lassen und gleich nach Hause gehen, um Oskar eine E-Mail zu schicken. Ihm erzählen, dass ich im Ausflugskomitee war, weil ich es nicht geschafft hatte abzusagen. Wie wohl die Mädchen in Neuseeland waren? Wenn man ein Mädchen als Freund hatte, könnte man es dann besser aushalten ohne einen besten Freund? Linnea hatte gesagt. »Tschüss, Olli, wir sehen uns.« Es flatterte in meinem Magen, so was hatte ich noch nie gehabt, lag das daran, weil Oskar nicht hier war? Weil ich mir einen Freund wünschte? Könnte Linnea meine erste richtige Freundin werden? Sie war hübsch, keine Frage, aber das war es nicht allein. Vielleicht war es die Stimme oder ihr direkter Blick oder das Glitzern in den Augen. Und jetzt würde sie bald zu mir nach Hause kommen. Ich musste Papa unbedingt überreden, mir noch mal zu zeigen, wie man diese Tabellen erstellt. Und dann könnte ich ihr die Wahrheit sagen, dass ich ein totaler Schachamateur war und nur irgendwas gesagt hatte, um Sebastian zu ärgern. Der Schulausflug nach Rørvig im Mai hatte eine ganz neue Perspektive bekommen, und morgen würden wir zusammen mit der Parallelklasse einen Ausflug nach Kronborg machen. Vielleicht war doch nicht alles so düster. Sebastian holte mich ein. Er sah sauer aus.
»Du glaubst wohl, du bist superclever, was?«
»Was meinst du damit?«, fragte ich, obwohl ich natürlich genau wusste, was er meinte.
»Warum musstest du, verdammt noch mal, auch bei dem Komitee mitmachen?«
»Das war nicht meine Idee.«
»Du glaubst wohl, ich habe nicht gesehen, wie du Linnea die ganze Zeit angeglotzt hast?« Seine Stimme klang sehr bedrohlich, aber ich konnte trotzdem meinen Mund nicht halten.
»Zumindest habe ich nicht in ihr Haar gesabbert«, sagte ich. Und ging.
Das Letzte, was ich hörte, war eine Drohung, die wie ein bösartiges Zischen klang.
»Du wirst schon noch sehen.«
Kapitel 3
Freitagmorgen sollten wir Holger unter der Erde suchen. Es sei nicht so weit nach Kronborg, als dass wir da nicht hinlaufen könnten, meinten Bjarne und Susanne. Unglaublich, dass alle Lehrer immer so Fitnessfreaks sind. Danach würden wir dann unsere Brote auf dem Burgwall oder am Strand essen. Diesen Ausflug zu Dänemarks größtem Nationalheld haben wir jedes Jahr gemacht, seit wir in den Kindergarten gehen. Hoffentlich kam Linnea heute überhaupt in die Schule. Papa hatte mir natürlich noch mal gezeigt, wie man die Tabellen in Excel erstellt. Mama und Papa hatten sich beim Abendessen angesehen und mich dann gefragt, wie es denn in der Schule so laufe ohne Oskar.
»Das läuft gar nicht!«
»So ist das immer am Anfang.« Sie hatten dann angefangen, über Oskar zu reden. Dass es Zeit braucht, einen neuen besten Freund zu finden. Ich ließ sie reden. Sie würden sich darüber freuen, dass ich bei dem Komitee mitmache, sagten sie und sahen sich wieder mit gerunzelter Stirn an. Ich überlegte kurz, ob ich ihnen von Sebastian erzählen sollte und von seinen Diktatormanieren, aber ich hatte keine Lust. Sie würden nur sofort zu einem Lehrergespräch gehen, und das würde so peinlich werden. Das Telefon hatte geklingelt und das Verhör des Freundlosen unterbrochen. Eine von Mamas Kolleginnen war krank geworden, und Mama sollte für ein Geschenk für sie sammeln.
Wir würden die Parallelklasse draußen vor Kronborg treffen. Bjarne führte unsere Gruppe am Glentevej vorbei, wo wir Vitus und seine Mutter aufgabelten. Vitus, trotz der Wärme mit einer Mütze bekleidet, saß in einem glänzenden neuen Rollstuhl, den seine Mutter schob. Er fing sofort an, von seinem neuen Rollstuhl zu erzählen, als hätte er gerade ein Moped oder einen Sportwagen bekommen. Seine Mutter war eine große, dünne Frau, fast ganz grauhaarig, dabei war sie nicht älter als meine Mutter. Vitus’ Vater war eines Tages einfach verschwunden, und darum waren sie nach Helsingør gezogen, Vitus und seine Mutter. Und Vitus war auf unsere Schule gekommen. Aber dann war er krank geworden. Ich konnte mich überhaupt nicht erinnern, ob er früher auch rumgerannt war und Fußball gespielt hatte. Ich hatte damals ja Oskar. Ich vermied es, ihn anzusehen, versteckte mich in der Gruppe, so weit weg von ihm wie möglich.
Als wir über die lange Brücke gingen, tat Sebastian so, als würde er gleich kopfüber in den Burggraben springen. Nur, um Linnea zu beeindrucken. Ich überlegte kurz, ihm einen leichten Schubs zu geben, Sebastian wäre bestimmt eine gute Seeschlange. Wir gingen über den Hof in einen großen, hohen Raum, wo wir auf die Fremdenführerin warten sollten, die uns die Verliese zeigen würde.
»Das hier ist ursprünglich eine Küche gewesen«, sagte Susanne. Ihre Stimme hallte in dem großen Raum. Einige Jungen drängten sich um eine Tür im Boden. Eine Art Falltür. Sie war nicht verschlossen. Wenn man die Luke hochhebt, kann man hinunter in das Loch sehen, behaupteten sie.
»Wir könnten Oliver hineinstopfen«, sagte Sebastian. »Und ihn da vergessen.« Es waren einige, die das lustig fanden. Sebastian streckte den Arm nach mir aus. Ich sprang schnell von der Falltür zurück und stieß gegen Vitus. Trat ihm ordentlich auf die Zehen.
»Entschuldigung«, sagte ich.
»Schon in Ordnung«, sagte Vitus. »Ich benutze die Oberseite der Schuhe nicht so oft.«
»Nee. Das glaube ich.« Er spielte ja kein Fußball.
»Sebastian ist ein ganz schöner Nullchecker, oder?«
Ich sah Vitus überrascht an. Meinte er das wirklich, oder wollte er nur mein Freund werden?
»Kein Null-, sondern ein Minuschecker«, antwortete ich.
»Stimmt, das ist viel genauer.« Vitus lachte. »Der hat seinen Kopf nur, damit es nicht direkt in den Hals regnet.« Vitus hatte schöne Zähne, er sah überhaupt nicht krank aus, wenn er lachte. »Genau genommen bin ich ziemlich gut im Fußball«, sagte er dann. Ich sah ihn erstaunt an. »Also, auf der Playstation.«
»Ach so, hast du FIFA 2003?«, fragte ich. Er nickte. »Das habe ich auch.«
»Wir können ja mal gegeneinander spielen.«
Ich wollte gerade antworten, dass wir das gerne mal machen können, als mein Blick auf Linnea fiel. Ich hörte ihr Lachen und spürte, wie mir ein Schauer den Rücken runterlief. Sie stand mit den Mädchen von der Parallelklasse zusammen. Und redete wild drauflos. Ganz neu in der Klasse und trotzdem schon im Mittelpunkt. So wie es bestimmt auch Oskar ging, auf der anderen Seite der Erde. Ich ließ Vitus einfach stehen und schob mich vorsichtig näher an die Gruppe der Mädchen ran. Jetzt stand ich ganz nah bei ihnen.
»Kommt, Jungs, Mädchen. Lasst uns den Holger finden!«
Bjarne klatschte in seine Lehrerhände. Ich räusperte mich, um was besonders Kluges zu Linnea zu sagen. So was wie, dass wir den Holger doch schon im Kindergarten gefunden haben, aber Linnea ging ganz dicht an mir vorbei, ohne mich zu