Aus Kroatien. Arthur Achleitner

Aus Kroatien - Arthur Achleitner


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Den armen Prota als Opfer hoffte er später entschädigen zu können. Dem

       Regimentschef aber gönnte Attilius den unausbleiblichen Ärger von ganzem

       Herzen.

      Behaglich speiste der Kommandant zu Mittag, schlief auch noch ein

       Stündchen. Dann aber erteilte er Befehl, daß morgen ab acht Uhr früh ein

       berittenes Pikett marschbereit zu sein habe, und zwar zu seiner

       Begleitung auf dem Ritt nach Karlstadt. Denn Attilius ahnte etwas….

      Noch vor Tagesbeginn bei dichtestem Karstnebel traf auf dampfendem Pferde ein Meldereiter in S. ein, der dem Kompagniechef einen Befehl überbringen sollte. Tonidandels Diener ließ aber auftragsgemäß den erwarteten Meldereiter nicht vor und verwies ihn in den Stall mit dem Bedeuten, daß der Befehl erst um acht Uhr überreicht werden dürfe.

      Lautete doch Tonidandels Leibspruch. Nur nichts überhudeln beim Militär.

      Punkt acht Uhr ritt der Kommandant wohlbewaffnet mit Sattelpistolen und mit dem Regimentsbefehl betreffend Ablieferung des alten Pfaffen im Waffenrocke, begleitet von sechs berittenen Graničaren nach Karlstadt ab. Gemächlich und trotz des Karstnebels recht vergnügt. Zeitweilig im Trabe, meist aber im Schritt! Nur nichts überhudeln!

      Wütend zum Bersten wartete der Oberst K., ein graubärtiger, dicker Herr mit struppigen Haaren und sehr liebebedürftigem Herzen, auf den Kompagniekommandanten, über den sich ein militärisches Gewitter sondergleichen entladen sollte. Wegen Verhöhnung des Vorgesetzten!

      Tonidandel wurde „angehaucht und zusammengestaucht,“ daß die Fenster in der Regimentskanzlei klirrten. Attilius stand wie aus Erz gegossen, muckste nicht und ließ den Regimentschef nach Herzenslust wettern, schimpfen, fluchen und drohen.

      Bis der Oberst keinen Atem mehr hatte, nach Luft rang und stöhnte.

      Dann sprach Tonidandel. „Zu Befehl, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Hier ist der mir zugegangene Regimentsbefehl! Ich bitte gehorsamst, das Originalschriftstück lesen zu wollen!“

      Knirschend vor Wut griff der Oberst nach dem Dienstschreiben und las es zornfunkelnden Auges. Und heiseren Tones stieß er hervor: „Allerdings! Es steht ‚Pfaffen‘ geschrieben! Herr Hauptmann hätten aber doch unschwer den — Schreibfehler erkennen können und sollen! Statt ‚Pfaffen‘ muß es heißen: Waffen! Wo bleibt die Intelligenz? Wo das höhere Erfassen? Den Kerl von Regimentsschreiber laß ich in Eisen legen! Ich danke, Herr Hauptmann!“

      „Zu Befehl, Herr Oberst!“ sprach Tonidandel, salutierte stramm und schloß dabei die vergnügt lachenden Augen.

      „Danke! Werde das nicht vergessen! Auch nicht den Auflauf der

       Bevölkerung in Karlstadt bei Einlieferung des Prota in einer — Kiste!

       Schauderhaft! Eine Blamage für mich, die ich Ihnen zu verdanken habe!“

      „Bedaure sehr, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Ich bin seit vierzig

       Jahren gewohnt, Befehle genau nach Vorschrift zu befolgen! Ich bin….“

      „Des Teufels sind Sie, Herr! Danke, Herr Hauptmann!“

      Tonidandel verbiß das Lachen und griff nach der Türklinke. Da trat der zornige Oberst an Tonidandel heran und zischte ihm ins Ohr: „Und was ich Ihnen nie vergeben werde, ist, daß ich das arme Opfer Ihrer Bosheit entschädigen mußte! Mit hundert Gulden! Scheußlich!“

      „Das freut mich….“

      „Was? Auch das noch!“

      „… für den Prota, der ein bettelarmer Mann ist und die hundert Gulden als Wohltat empfanden wird! Ich werde ihm fünfzig Gulden schenken! Gehorsamst guten Tag, Herr Oberst!“ Damit drückte sich Tonidandel zur Tür hinaus und lachte ein stilles, beseligendes, göttliches Lachen der reinsten Schadenfreude….

      Auf die Rache des Regimentschefs, der mit der Sendung des „Pfaffen in der Kiste“ so schön verulkt worden war, harrte Attilius Tonidandel gleich nach seiner Ankunft in S. Aber der erwartete Gegenstreich erfolgte nicht. Sogar die Regimentsbefehle blieben aus. Diese Tatsache bestärkte Tonidandels Überzeugung, daß sich die Institution der Militärgrenze bereits überlebt habe und reif zur Aufhebung geworden sei. Mit dieser Auffassung eilte der Kommandant, was er nicht wissen konnte, den Ereignissen um reichlich vierzig Jahre voraus.

      Tag für Tag brachte die Militärpost von Karlstadt die leere Tasche aus der Regimentskanzlei. Darob wurde Hauptmann Tonidandel nun doch stutzig und nachdenklich. Und je mehr er grübelte, desto mehr kräftigte sich die Überzeugung, daß der reingelegte Oberst diese stille Zeit zur Ausbrütung eines besonderen Racheplanes benützen werde.

      Furcht kannte Tonidandel als alter „Haudegen“ nicht; er war bereit, jeden Stoß des ihm aufsässigen Chefs kräftig aufzufangen und tüchtig zu erwidern. Umkehren den Spieß im richtigen Augenblick und zustoßen, auf daß der Oberst abermals in den Sand fliegt. Mißlich konnte die „Vergeltung“ des Chefs nur dann werden, wenn sie in die Winterszeit fallen würde. Den schrecklichen Winter in der Lika mit fürchterlichen Stürmen und ungeheurem Schneefall kannte der Kommandant seit Jahren und genauer, als ihm lieb war.

      Eines trüben Tages, da schüchterne Schneeflocken zaghaft in die blaugraue Korana fielen, brachte die Militärpost endlich einen Regimentsbefehl aus Karlstadt an den Kommandanten der Kompagnie. In größter Spannung las Tonidandel sehr aufmerksam das Dienstschreiben Wort für Wort, lauernd wie ein Luchs, erwartungsvoll wie nie im Dienstleben an der Militärgrenze. Doch nichts von „Revanche“ war zu finden, keine „Falle“ zu entdecken. Nicht einmal ein Schreibfehler ähnlich Pfaffen = Waffen.

      Geradezu harmlos war der Auftrag, einen Dorfpopen im Bezirke wegen ungenügender Führung der Tauf-, Ehe- und Sterberegister zur Verantwortung zu ziehen, Ordnung zu schaffen und über das Ergebnis der Untersuchung sowie Strafantrag an das Regimentskommando erschöpfend zu berichten. Der zweite Teil des Dienstschreibens enthielt den Befehl zur Aufstellung von Detachements in mehreren, eigens benannten Dörfern, von sogenannten Räuberkommandos zur Unterdrückung von Räubereien.

      Diesen Befehl las Tonidandel immer wieder, wobei er sich an den Kopf griff. Der Zweck dieses Befehles war unfaßlich, denn seit Jahrzehnten gab es in der Lika keine Räuber mehr; Leute, auch Graničari, die „sich etwas verschaffen“ bei guter Gelegenheit, genug, aber keine Räuber. Sinn und Zweck soll aber ein Befehl haben!

      Tonidandel fragte sich, ob in diesem Teile des Befehls vielleicht die „Revanche“ stecke, ob in der Aufstellung von Räuberkommandos die Rache des Regimentschefs zu suchen sei. Nichts war zu entdecken, der Befehl im ersten Teile harmlos, in der anderen Hälfte unsinnig und zwecklos, da es keine Räuber gab. „Aber Befehl ist Befehl!“

      Vorsichtig wollte Tonidandel vorgehen, mißtrauisch, ohne Fehler, ohne

       Übergriffe.

      Ungewöhnlich konnte der Auftrag zur Kontrolle der Amtsführung eines

       Dorfpfarrers nicht genannt werden; denn der Militärverwaltung in der

       Militärgrenze war alles unterstellt: Männer, Frauen und Kinder, alle

       Stände, Klerus, Stadtbürger und Landvolk. Demnach war das

       Regimentskommando nicht nur „kompetent“, sondern auch verpflichtet, die

       Dienstgeschäfte der Pfarrer zu überwachen, Ordnung zu schaffen,

       besonders dann, wenn Beschwerden eingelaufen waren.

      Tonidandel vermutete, daß just über den im Befehle genannten Popen namens Vid (Veit) Denunziationen in Karlstadt eingelaufen sein dürften, und daß dieser Pope möglicherweise kein ordnungsgemäß geprüfter Priester von normaler Ausbildung, sondern nur ein Protektionskind ohne Fachbildung sein werde.

      In diesem Falle war besondere Vorsicht angezeigt, um nicht gegen den —

       Protektor zu verstoßen.

      Tonidandel ersah aus der Bezirkskarte, daß die „Inspektions“reise zum Amtssitz


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