DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7). Alex Lukeman
starrten auf ihr Werk der Zerstörung.
»Gut geschossen«, sagte Lamont.
»Ich glaube, ich habe ihn heute schon zuvor gesehen, als Selena und ich auf dem Weg zu dir waren«, sagte Nick.
Selena hob eine Augenbraue. »Davon hast du im Wagen gar nichts gesagt.«
»Ich dachte, ich leide einfach nur an Verfolgungswahn.«
Lamont deutete auf das brennende Auto. »Aber anscheinend hattest du recht.«
Nick zog sein Telefon aus der Tasche. »Die Cops werden jeden Moment hier sein. Ich rufe besser Harker an.«
Kapitel 13
Am Morgen nach der Parkplatzattacke kehrte Ronnie von seinem täglichen Jogginglauf zurück. Er duschte und lief dann ins Schlafzimmer, wo er einen Blick in seinen Schrank warf und überlegte, was er anziehen sollte. Es war Sommer, weshalb nur eines seiner Hawaiihemden infrage kam. Aber bei über einhundert davon fiel die Wahl nicht leicht. Nicht viele Menschen verfügten über einen derart vollgestopften Kleiderschrank. Er hatte diese Hemden über Jahre gesammelt, seit er das erste Mal als Teil des Marinekorps in den Kasernen auf Oahu stationiert war. Sein erstes Hemd passte ihm nicht mehr, aber er besaß es noch immer und es hing auf der linken Seite an einem Ehrenplatz.
Nach kurzem Nachdenken entschied er sich für ein Hemd mit einigen Ukulele-spielenden Hula-Mädchen in Baströckchen, die unter einem unnatürlich grellen Himmel tanzten.
Er zog sich an, dann lief er in die Küche und schaltete den Herd an. Er warf ein paar Streifen Speck in eine Pfanne und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Während der Speck briet, nahm er noch ein paar Eier aus dem Kühlschrank, gab etwas Butter in die Pfanne, drehte die Hitze auf und schlug die Eier hinzu. Er wendete den Speck einige Mal und wartete darauf, dass er dunkel und knusprig genug war, um ihn herauszunehmen. Dasselbe tat er mit den Spiegeleiern. Das Brot sprang aus dem Toaster und er legte die Scheiben auf seinen Teller. Dann fischte er mit einer Gabel den Speck aus der Pfanne und legte ihn auf etwas Küchenrolle, um das Fett abtropfen zu lassen.
Multitasking.
Ronnie trug die Mahlzeit zum Tisch und begann zu essen. Er lebte in einem Zweizimmer-Appartement am Stadtrand, wo es auch einen Platz gab, um seinen Wagen zu parken, einen schwarzen Hummer. Abgesehen von seinen Hemden war der Hummer das Einzige in Ronnies Besitz, das ihm etwas bedeutete.
Er sah auf die Uhr. Es war Zeit, zu seinem morgendlichen Briefing zu fahren. Er klipste sich das Holster mit der Sig an seinen Gürtel und ließ das Hemd darüber hängen. Dann setzte er sich einen Porkpie-Hut und eine Sonnenbrille auf und lief in den Flur und zu den Aufzügen.
Als er wieder aus dem Fahrstuhl trat, blickte er sich wachsam in der Tiefgarage um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Er stieg in seinen Wagen und fuhr zur Arbeit. Der Verkehr war dicht. Das war er immer, besonders in den Morgenstunden. Nicht so wie die endlosen, leeren Wüstenstraßen seiner Heimat.
Er war schon lange nicht mehr zuhause gewesen. Seine Tante hatte versucht, ihm so viel wie möglich über die Traditionen seines Volkes beizubringen, den Diné. Sie lehrte ihm Diné bizaad, die Sprache der Navajo-Indianer. Und sie lehrte ihn, die Heilungszeremonien zu respektieren, mit deren Hilfe seine Vorfahren ihren Sinn für Harmonie und Einswerdung mit der Welt schärften.
Aber irgendwie schaffte es das Leben stets, seinen Sinn für Harmonie empfindlich zu stören. Das Einzige, was Ronnie im Moment spürte, war das Lenkrad in seinen Händen. In letzter Zeit hatte er häufiger das Gefühl, von den Chindi heimgesucht zu werden, den bösen Geistern der von ihm getöteten Feinde. Er glaubte nicht wirklich an Geister, aber es würde auch nicht schaden, sich einer Heilungszeremonie zu unterziehen. Er beschloss, nach dieser Mission für eine Weile nach Arizona zurückzukehren. Vielleicht würden ihn Lamont und Nick ja auch begleiten. Er war schließlich nicht der Einzige, der etwas Hilfe bei der Bekämpfung seiner Dämonen gebrauchen konnte.
Als er in Harkers Büro eintraf, war er bereits spät dran. Der Rest des Teams wartete schon auf ihn. Lamont ließ sich anmerken, dass ihn der Anblick von Ronnies grellem Hemd körperliche Schmerzen bereitete. Er setzte seine Sonnenbrille auf, dann beugte er sich zu ihm hinüber, um die Hula-Tänzerinnen in Augenschein zu nehmen.
»Schönes Hemd, Ronnie.«
»Eines Tages wirst du mich damit noch einmal richtig verletzen«, sagte Ronnie. »Es ist schließlich nicht mein Fehler, dass du kein Gespür für echte Kunst hast.«
»Schön, Sie wieder bei uns zu haben, Lamont. Könnten wir uns jetzt bitte auf die Sache konzentrieren?«, unterbrach Harker.
»Entschuldigung, Direktorin.«
Sie drehte sich Nick zu. »Was ist da gestern passiert?«, fragte sie.
»Jemand ist uns zum Krankenhaus gefolgt«, sagte er. »Als wir wieder herauskamen, eröffneten sie das Feuer. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise fangen sie erst während einer Mission an, auf uns zu schießen.«
»Dann scheint die Mission bereits begonnen zu haben«, sagte Elizabeth. »Lassen Sie uns brainstormen, ein paar Vermutungen anstellen.«
»Was wissen wir bisher?«, fragte Selena.
»Wir wissen, dass uns jemand als Bedrohung ansieht«, antwortete Nick. »Darüber hinaus aber nicht viel.«
»Zuerst ich, dann der Rest unseres Teams«, überlegte Harker. »Das scheint mir ein Präventivschlag zu sein. Sind wir uns da einig?«
Sie blickte sich um. Die anderen nickten zustimmend.
»Die Frage ist nun, wieso?«
»Es könnten dieselben Leute sein, die auch versucht haben, Rice umzubringen«, vermutete Nick.
»Meine Intuition sagt mir das Gleiche«, erwidere Elizabeth, »aber ich kann es noch nicht beweisen.«
»Wenn es dieselben Leute sind, fürchten sie sicher, dass wir herausfinden könnten, wer sie sind«, sagte Selena.
Stephanie saß etwas abseits von den anderen an einer Computerkonsole neben Harkers Schreibtisch. Nun schaltete sie sich in die Diskussion ein. »Ich denke, es ist mehr als das. Was könnten sie davon gewinnen, Rice zu vergiften?«
»Einen Regierungswechsel«, sagte Lamont. »Mit Edmonds an der Macht ist es ein völlig anderes Spiel.«
»Du glaubst, jemand plant einen Regierungscoup?«, fragte Nick.
»Nicht nur planen, sie haben bereits damit begonnen«, erwiderte Lamont. »Edmonds könnte dahinterstecken.«
»Er ist noch nicht Präsident. Rice ist noch am Leben. Es braucht mehr als ein misslungenes Attentat, um eine Regierung zu übernehmen.«
»Was denn noch?«, fragte Ronnie.
»Sie müssen Angst schüren«, erklärte Selena. »Genug, um so viel Panik zu verbreiten, dass die Menschen selbst härteste Maßnahmen der Regierung akzeptieren, wie etwa das Kriegsrecht.«
»Dafür würden sie einen Grund brauchen, wie Massenaufstände zum Beispiel«, sagte Stephanie. »So wie jene in Russland.«
»Glauben Sie, die Ereignisse in Russland stehen mit unseren hier irgendwie in Verbindung?«, fragte Harker.
Stephanie runzelte die Stirn. »Es könnte zumindest sein. Wenn sich ein Aufstand wie dieser in New York, Chicago oder LA ereignete, würde die Regierung auch hier Truppen entsenden, so wie in Russland. Eine Ausgangssperre verhängen. Die wichtigsten Versorgungszentralen übernehmen, das ganze Programm.«
»Eine ziemlich gewagte Prognose, oder?«, wunderte sich Nick.
»Ich glaube nicht.« Stephanie drehte die Armreifen an ihrem Handgelenk erst in die eine, dann die andere Richtung. »Sieh dir an, was in Nowosibirsk geschehen ist. Wenn sich so etwas hier ereignen würde, wäre das die perfekte Gelegenheit, den Hammer herauszuholen.«
»So etwas würde