Die Schweinedärme kullerten platschend auf den glitschigen Boden. Rudolf Nährig

Die Schweinedärme kullerten platschend auf den glitschigen Boden - Rudolf Nährig


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gegen seine Knickerbockerhose und gegen den Schaft seiner blank geputzten Lederstiefel. Mit der rechten nahm er andeutungsweise seine karierte Kappe vom Kopf, bevor er dann mit dem meist eingeschüchterten Bauern in den Schweinestall ging und sich die Sau zeigen ließ. Während er das Tier eingehend musterte, strich er sich über seinen grauen, kurz gestutzten Oberlippenbart und meinte: „Zwei Monate noch, dann hole ich sie.“ Gab dem Bauern die Hand, womit er praktisch bereits den Kaufvertrag besiegelte, und verschwand, „Haben wir was?“, schon wieder ins nächste Haus.

      An manchen Samstagen nach der Erntezeit, während die Mägde und Mädchen mit ihren aus Reisig gebundenen Riadlbesen fein säuberlich die lehmig-erdigen Trottoirs kehrten, fuhren die wohlhabenderen Bauern aus den umliegenden Ortschaften mit ihren Traktoren durch den Ort, um am Hollabrunner Volksfest teilzunehmen. Über den riesigen Kotflügeln links und rechts saßen auf den angeschraubten hölzernen Sitzen Frauen in Sonntagskleidern mit festgebundenen, bunten Kopftüchern. In unserem Hundertseelendorf jedoch gab es nur einen Traktor – den Traktor der Peterkas in ihrem großen, neuen Wohnhaus neben dem knötlerschen Greißlerladen –, was zusätzlich dafür sorgte, dass über Dorfstraße und Kellergasse meist Totenstille lag.

      Jeder Hof im Dorf hatte auf der gegenüberliegenden Seite der Kellergasse seinen Weinkeller. Die Keller waren dort, an der rechten Gassenseite, aufgefädelt wie die Perlen eines Rosenkranzes. Die kleinen Kellerhäuschen, in denen Treppen in die eigentlichen Kellergewölbe darunter hinabführten, ähnelten mit ihren abgerundeten Spitzdächern ein wenig den Trulli, den Rundhäusern im italienischen Apulien. Meist weiß getüncht und mit grünen oder braunen Eingangstüren versehen, neben denen links oder rechts oder beidseitig ein kleines Fenster hervorlugte, erinnerten sie an große, freundliche Gesichter. Von diesen kleinen Kellerhäuschen führte oftmals auch ein Weg zu den angrenzenden Äckern und Weingärten. Die Häuser im unteren Bereich des Dorfes hatten ihre Wein- und Kartoffelkeller weit draußen, außerhalb des Dorfes, und der letzte war der von Frau Seibinger, mit der ich viele Male diesen Weg gegangen bin.

      Der Wein war eine der wichtigsten Einnahmequellen der Bauern. Im Sommer kam noch das Getreide dazu. Ein einziges heftiges Gewitter mit Hagel konnte, was oft passierte, die gesamte Ernte zerschlagen und die erhofften und überlebenswichtigen Einnahmen eines ganzen Jahres vernichten. Die wenigsten Bauern hatten hierfür eine der teuren Versicherungen abgeschlossen. Im Laufe der fünfziger Jahre breiteten sich nun die Raiffeisengenossenschaften aus, die den Bauern die Ablieferung und den Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Produkte – wie Erdäpfel, Rüben, Getreide und eben Weintrauben und Wein – sehr viel leichter machten und sie vor den unseriösen Machenschaften der damaligen Großhändler schützten.

      Am anderen Ende des Dorfes führte der Weg zu den Weingärten am Hüterberg, der etwa dreihundert Meter von unserem Wohnhaus entfernt lag. Man musste von der Hauptstraße nach links und dann wieder nach links in den Raingraben abbiegen und dann ging es ungefähr fünfzig Meter bergauf. Der Weingarten selbst war ein steiles Grundstück, das mein Stiefvater von der Gemeinde gepachtet hatte. Wenn die Ernte nicht gut war, musste er die Pacht von dem Geld bezahlen, das mein leiblicher Vater, den ich nie kennengelernt habe, als „Kostgeld“ für mich an meine Mutter zahlte. Auch sonst lebten wir im Grunde fast immer von diesem Geld, das meine Mutter für mich erhielt. Eigentlich war es allein für meine Bedürfnisse gedacht, für mein Wohlergehen. Doch nun musste es die ganze Familie mehr schlecht als recht ernähren.

      Bevor man nach links in den Raingraben einbog, gab es einen kleinen Wald mit Birken, Robinien, die wir Akazien nannten, und anderen Laubbäumen. Am Waldboden blühten wunderschöne kurzstielige Leberblümchen. Sie hatten sechs- bis siebenblättrige, blassblaue Blüten mit kleeblattähnlichen, sattgrünen Blättern. In vielen Jahren habe ich an dieser Stelle ein kleines Sträußel gepflückt und es meiner Mutter zu ihrem Ehrentag, dem Muttertag, geschenkt. Sie lachte und meinte, wie schön diese Blümlein doch seien. Mehr Lieblichkeiten gab es nicht.

      Für mich und die Bieringer-Emma, gewissermaßen meine erste Liebe, sollte dieses Wäldchen zu einem geheimen Treffpunkt werden, an dem wir viele, vielleicht sogar glückliche Stunden verbrachten. Wenn wir ganz drin im kleinen Wald waren, konnte man uns vom Gehweg aus nicht sehen. Die dichten Bäume und Büsche versperrten jede Sicht. Lange lagen wir dort im kühlen Moos und beobachteten die emsigen Ameisen, die unbeirrbaren Käfer und die trägen Schnecken, die sich vom Weinberg über den Gehweg in den Wald verirrt hatten. Schauten den possierlichen Eichhörnchen bei ihrem spielerischen Treiben zu und entzückten uns an allerlei Waldvögeln, die über die Zweige flatterten oder deren Gesang wir lauschten. Diese Stunden ließen mich den bösen Stiefvater und mein ungeliebtes Zuhause oftmals ganz vergessen.

      Ein Stück den Raingraben weiter führte ein Weg nach oben zu dem anderen Weingarten am „Berg“. Von dort hatte man rundum einen freien Blick. Hoch hinaus ragten der Getreidesilo der Gettsdorfer Guggenbergermühle sowie der Zwiebelturm der barocken Valentinskirche, in der ich oftmals während der heiligen Messe ministrierte. Am Horizont thronte die gotische Kirche von Wartberg, die dem heiligen Sankt Leonhard, Schutzpatron der Kühe und Pferde, geweiht ist. Von unserem langgestreckten Hundertseelendorf dagegen war nur ein kleiner Teil zu sehen, der übrige Ort wurde durch den großen Bogen eines Hügels verdeckt. Wenn die Abendsonne golden schien, erinnerten Stimmung und Anblick an Joseph von Eichendorffs Gedicht „Mondnacht“: „Als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst.“

      Während der Weinlese war auch die Hütte des Hüters, der durch die traubenvollen Gärten strich, um die Diebe von ihren schändlichen Taten abzuhalten, verschlossen. Die verschlossene Hütte bedeutete für den Huberka-Franz, meinen Freund, und mich einen besonderen Anreiz hineinzuschauen. In Hütten wie dieser wurde so manches ungewollte Kind gezeugt, und auch die Mirkan-Ursl hatte sich ja dort mit ihrem verheirateten Liebhaber Leopold getroffen, bevor sie von ihm schwanger geworden war. Durch die Ritzen und Astlöcher im Holz konnte man den mit roten, weißen und blauen Bändern geschmückten Hut des Hüters sehen. Eine durchgebogene Holzpritsche diente dem Hüter zur kurzzeitigen Erholung und für seine Schlafpausen, die er am Tag einlegte. Denn des Nachts war er damit beschäftigt, Wache zu halten. Ein langer, knorriger Birkenstock, mit ebensolchen bunten Bändern versehen wie der Hut, diente ihm als einzige Waffe gegen die Traubendiebe.

      Die wirkungsvollste Waffe gegen die Diebe freilich war der Aushang an der Tür des Gemeindeamtes, der ihren vollständigen Namen nannte, wenn sie beim Traubenstehlen erwischt worden waren. Dieses An-den-Pranger-gestellt-Werden bedeutete für die Dorfbewohner einen empfindlichen Ehrverlust und war daher sehr abschreckend.

      Er werde sich im Keller erhängen, sagte er

      Wenn der Mann meiner Mutter, mein Stiefvater, am späten Nachmittag seinen täglichen kleinen Rausch hatte, dann war er zunächst übertrieben lieb und freundlich. In Abständen von einer halben bis Dreiviertelstunde ging er gemächlichen Schrittes vom Haus oder der danebenstehenden Scheune in den am Beginn der Kellergasse gegenüberliegenden, etwa fünfzig Meter entfernten Keller. Dabei pfiff er ein Lied, in höchst unangenehmer Tonlage, zog sein im Krieg verletztes Bein nach, runzelte die leicht nach innen gewölbte Stirn und murmelte zwischendurch immer wieder unverständliche Wörter vor sich hin. Wenn, Kellergang um Kellergang, der kleine Rausch größer wurde, wurde das Pfeifen zunehmend durch Schimpfen und Fluchen ersetzt, nur die unverständlich gemurmelten Wörter blieben.

      Bevor er die Kellertür mit dem großen Eisenschlüssel aufschloss, schaute er nach links und rechts, ob ihn auch keiner beobachtete, dann öffnete er, ging die sieben Lehmstufen hinunter, nahm den alten, vom herabgetropften Wachs überzogenen Kerzenleuchter, schaute erst in den kleinen Kartoffelkeller, schüttelte den Kopf und schimpfte über die wuchernden Triebe der Erdäpfel und ging dann nach rechts bis zum Ende des Ganges in den Weinkeller, steckte den langstieligen gläsernen Weinheber, der an der einen Seite des ovalen Auffangbehälters ein stilisiertes Weintraubenrelief zeigte, in das Eichenfass und sog drei Gläser aus dem Fass. Das erste trank er in einem Zug, die anderen in kurzen Abständen hinterher, indem er den Wein schlürfend und glucksend zwischen Zähnen und Zunge einsog, um den Geschmack möglichst lange und intensiv im Mund zu haben. Dazwischen redete er mit sich selbst, schimpfte – wenn er schon zu pfeifen aufgehört hatte – über meine Mutter, über meine Schwester und mich sowie auf die übrigen Dorfbewohner.

      Nach dem


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