Elfenzeit 7: Sinenomen. Susanne Picard

Elfenzeit 7: Sinenomen - Susanne Picard


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die hier leben«, sagte Catan, während er die Näpfe und Becher verteilte, »wurden von ihren Sippen ausgestoßen. Sie hätten sich damit abfinden und ihr Dasein als Eremiten fristen können, was auch von ihnen erwartet wurde, aber …« Er lächelte. »Wenn sie gewusst hätten, wie man Erwartungen erfüllt, wären sie nicht ausgestoßen worden.«

      Robert dachte an Emma, Krücke, Krone und die anderen, Außenseiter, die nirgendwo einen Platz gefunden hatten.

      »Du nahmst dich ihrer an«, sagte er.

      Catan sah ins Feuer. »In gewisser Weise«, entgegnete er ausweichend. »Es ist eine lange Geschichte, uninteressant für die, die nicht mit den Feinheiten elfischer Politik vertraut sind.«

      »Ich bin damit vertraut«, sagte Anne, aber der Elf ging nicht darauf ein.

      »Die Ausgestoßenen wurden zu meiner Sippe«, fuhr er fort. »Ich fand diesen Ort für sie, weil sie unter Elfen nicht leben dürfen und unter Menschen nicht leben können. Hier lässt man sie in Ruhe.«

      Robert nahm einen Schluck aus dem Becher. Überrascht hob er die Augenbrauen. »Das ist Cola.«

      Catan neigte den Kopf. »Ab und zu schicken wir jemanden, der wie ein Mensch aussieht, nach oben. Meine Sippe hat Gefallen an einigen Dingen dieser Welt gefunden. Süßes, prickelndes Wasser gehört dazu und diese Schokoladenplättchen mit der Pfefferminzfüllung.«

      »Also selbst diejenigen, die unter Menschen leben könnten, ziehen es vor, hier unten zu bleiben?«, fragte Nadja. Sie rührte mit dem Löffel den Eintopf in ihrem Napf um. Sie hatte ihn in der kurzen Zeit fast aufgegessen. Robert beneidete sie ein wenig. Seit dem Biss konnte er zwar immer noch essen und trinken, aber er tat es nur, um nicht aufzufallen. Je weiter sein menschliches Dasein in der Vergangenheit verblasste, umso mehr verlor er das Interesse daran. Er erkannte, wie etwas schmeckte, ob es salzig war oder süß, bitter oder scharf, doch es war kein Verlangen mehr damit verbunden und immer weniger Genuss.

      Und dass ich das ganze Zeug wieder auskotzen muss, damit es nicht in meinem Magen verrottet, steigert die Vorfreude nicht gerade, dachte er, während er in seinem Napf stocherte, ohne zu essen.

      Catan überlegte einen Moment, bevor er antwortete. »Einige von uns«, sagte er zögernd, so als müsse er nach den richtigen Worten suchen, »sehen nur ungewöhnlich aus, aber andere sind es. Sie könnten ebenso wenig unter Menschen leben wie ein Krokodil unter Antilopen.«

      Nadja stellte den leeren Napf beiseite. »Also sind sie gefährlich?«

      Catan lächelte und schwieg.

      »Was denn jetzt?«, fragte Anne, als niemand sonst etwas sagte.

      Der Elf streckte sich. »Es ist schon spät. Ich habe eine Hütte für euch vorbereiten lassen. Morgen sehen wir weiter.«

      »Was soll das heißen?« Robert bemerkte, dass die beiden Elfen, die ihnen das Essen gebracht hatten, wieder näher gekommen waren.

      »Dass wir morgen darüber sprechen werden, wie es mit euch weitergeht.« Catan erhob sich. »Bis dahin seid ihr meine Gäste. Gute Nacht.«

      Er wandte sich ab. Robert sprang auf, ebenso wie Nadja, doch die beiden Elfen stellten sich ihnen in den Weg. »Catan wünscht heute Nacht nicht mehr gestört zu werden«, sagte der Laubelf. »Ihr solltet seinen Wunsch respektieren.«

      Robert hörte die Drohung in seinen Worten. Einige Elfen an den anderen Feuern hoben den Kopf und beobachteten die Auseinandersetzung abwartend.

      »Natürlich achten wir seinen Wunsch«, sagte Nadja. Sie wiegte Talamh auf den Armen. »Bitte zeigt uns, wo wir übernachten dürfen.«

      Sie handelte richtig, das wusste Robert. Es wäre dumm gewesen, die Elfen gegen sie aufzubringen. So lange sie sich frei bewegen konnten und nicht wie Gefangene, sondern wie Gäste behandelt wurden, hatten sie Handlungsspielraum.

      Die beiden Elfen führten sie zu einer Hütte mitten im Dorf. Robert nahm an, dass ihre Bewohner sie geräumt hatten, denn auf einer kleinen Kommode, die an einer der nackten Holzwände stand, lagen eine Bürste und andere persönliche Gegenstände. Die drei Feldbetten waren frisch bezogen, sahen jedoch aus, als stammten sie aus dem Bunkerbereich. Eine Wiege stand unter dem einzigen Fenster. Daneben lag ein Sack mit Stoffwindeln.

      Robert bedankte sich bei den Elfen und schloss die Tür hinter sich. Müde lehnte er sich dagegen. Anne schob zwei der Feldbetten zusammen und das dritte näher an die Wiege heran. Nadja, die Talamh vorsichtig hineinlegte, bemerkte das erst, als sie einen Schritt zurücktrat und mit der Kniekehle gegen den Metallrahmen ihres Betts stieß. Sie runzelte die Stirn und sah Anne an.

      Oh nein, dachte Robert, als sie den Mund öffnete, aber die Frage, die sie stellte, war nicht die erwartete.

      »Wer ist er?«

      Anne setzte sich auf das mittlere Bett und begann ihre Schuhe auszuziehen. Nadja hockte sich ihr gegenüber auf die Kante.

      »Ich weiß, dass du ihn kennst«, sagte sie. »Man konnte es in seinem Blick sehen und auch in deinem. Also, wer ist er?«

      Sie erhielt keine Antwort, genau wie Robert erwartet hatte. Stattdessen schob Anne ruhig die Schuhe unter das Bett und legte sich hin.

      »Anne.« Robert setzte sich neben sie. Die Matratze war durchgelegen und weich. »Warum sagst du uns nicht, wer er ist? Niemand will einen Wikipedia-Eintrag über Catans Leben hören, aber ein paar Hinweise, damit wir ihn besser einschätzen können, würden uns allen helfen.«

      Er machte eine Pause. »Auch dir. Wenn nur du weißt, was passieren wird, kannst auch nur du richtig reagieren.«

      Sie stützte sich auf die Ellenbogen und sah ihn an. Er glaubte, in ihre dunklen Augen zu stürzen, tiefer und tiefer, bis er sich darin verlor. Anne öffnete den Mund. Ihre Lippen glänzten. Er sah ihre Fangzähne und spürte noch einmal den Biss. Unwillkürlich tastete er mit der Hand nach seinem Hals, aber Anne zog sie herunter und nahm sie in ihre eigenen Hände.

      »Er ist gefährlich«, sagte sie. »Sehr gefährlich. Ich will nichts mit ihm zu tun haben. Je schneller wir diesen Ort verlassen, desto besser.«

      Sie ließ seine Hand los, drehte sich zur Wand und schloss die Augen. Robert wusste, dass er nicht mehr von ihr erfahren würde.

      Er sah Nadja an. »Und nun?«

      Sie hob die Schultern. Talamh begann in seiner Wiege leise zu weinen.

      *

      Ihr Knie schmerzte, der Arm auch. Ihren pochenden Fußknöchel, der mit jedem Schritt mehr wehtat, ignorierte Rian verbissen.

      Sie hatte nicht gedacht, dass die Wegstrecke von der ersten Sichtung bis zur Hütte so weit sein würde. Irgendwie hatte das Haus so ausgesehen, als läge es ganz in der Nähe. Doch immer wieder schien noch ein Hügel zwischen dem Giebel und ihnen aufzutauchen, bis Rian sich am liebsten ins Gras geworfen und auf den Getreuen gewartet hätte, damit er sie hier abholte. Sie sehnte sich nach einem großen Glas Wasser, einer Liege, einem Eisbeutel für das Knie.

      »David, mach doch keine solche Hektik!«, rief sie ihrem Bruder nach. »Die Hütte läuft uns schon nicht weg.«

      »Ist ja gut.« Er ging ein wenig langsamer.

      »Ich weiß, du bist ungeduldig, aber das bringt uns keineswegs schneller nach Hause. Komm zu dir, David! Es ist nicht zu ändern, dass du von Nadja getrennt bist. Seien wir lieber froh, dass wir dem Untergang gerade noch entronnen sind. Wir werden schon wieder zusammenfinden. Ein wenig elfische Zuversicht wäre hier angebracht, nicht immer dieser menschliche Trübsinn.«

      David zuckte zusammen und warf ihr einen undeutbaren Blick zu, schwieg jedoch. Er blieb auf einem Hügel stehen, und als Rian zu ihm aufschloss, lag die Hütte unter ihr in einer Senke.

      Das Haus war mit roten Ziegeln gedeckt, die beinahe bis auf den Boden reichten. Die Giebel des Dachs, der First und der Pfosten davor waren mit kunstvoll verschlungenen geschnitzten Ornamenten aus Holz verziert, einer rötlichen Holzart, die beinahe ein wenig aussah wie Mahagoni. Um dieses prachtvolle Haus gruppierten


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