Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller


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wenn du unbedingt willst«, zeigte ich mich zugänglich.

      »Fein! Dann um vier im Tschicki

      Der Laden war nicht mein Ding, egal – alles besser als zu Hause Löcher in die Luft zu starren.

      Als ich auf dem Weg zum Fahrradkeller in den Briefkasten sah, lag zwischen der Werbung ein Brief mit handgeschriebener Adresse. Ich erkannte die Schrift sofort. Noch im Treppenhaus riss ich den Umschlag auf. Er enthielt den Ausdruck eines formellen Schreibens, unter das Albert seine Unterschrift gesetzt hatte. Alberts Unterschrift ist unverwechselbar, sie sieht aus wie ein Strich mit Hasenohren.

      Er bot mir seine Wohnung zum Kauf an. Sehr witzig! Seine Wohnung! Hatte der noch alle gestreiften Murmeln im Sack?! Für 1,5 Millionen!!! Ha, lächerlich!

      »Raffzahn! Gierhammel! Blutekel!«, hämmerte ich ins Smartphone. Natürlich tat ich Albert nicht den Gefallen, die Nachricht abzuschicken, sondern löschte sie wieder und schrieb: »Frag Sieglinde. Die verfügt über Geld.«

      Dann schwang ich mich aufs Rad und strampelte in die Stadt. An der ersten Ampel fasste ich den Entschluss, zur Anwältin zu gehen. So konnte Albert mir nicht kommen! Es war unsere Wohnung! Ich bekäme jeden Cent, der mir zustand! Ich würde ihn in Grund und Boden klagen!

      Tratschnass kam ich beim Tschicki an. Ich war viel zu früh, weil ich vor lauter Wut viel zu schnell gefahren war. So hatte ich immerhin noch genug Zeit, eine Beruhigungsrunde zu drehen.

      Als ich eine Viertelstunde später wieder um die Ecke bog, leuchtete im Schaufenster des Tschicki Rosas pinker Schopf. Der weißgekachelte Laden aus den Sechzigern war pickepacke voll mit Studierenden aller Art. Dreadlocks, Bärte, Tattoos eng an eng, über allem schwebte der Geruch veganer Ernährungsmöglichkeiten. Nur der Name des Lokals spielte noch auf die Hühnerleichen an, die einst hier feilgeboten worden waren, heute ging es in der alten Metzgerei, von den Gästen abgesehen, fleischlos zu.

      Ich bestellte mir einen ayurvedischen Smoothie, Rosa stilles Wasser und Buchweizengrütze. Never ever! Ihr schmeckte sie. Eingangs erzählte sie ein paar lustige Neuigkeiten aus der Uni. Plötzlich wurde sie sehr ernst und betrachtete mich forschend.

      »Ich mach mir Sorgen, Mama.«

      »Lieb von dir, Kind, aber das brauchst du nicht. Mir geht’s super!« Ich lächelte gechillt.

      Sie hörte auf, in ihrem Veggiebrei zu rühren.

      »Du, ich rede von Papa. Dem geht’s gar nicht gut.«

      »Papa? Wer behauptet das? Albert? Hast du ihn angerufen?«

      Sie rührte weiter.

      »Sag nicht, er hat dich angerufen!« Seit wann vertraute sich Albert seinem Nachwuchs an?

      Rosa schüttelte den Kopf, dass die Magentafransen wackelten. Dann brachte sie einen Augenaufschlag wie früher als Kind, wenn sie um ein großes Eis bettelte.

      »Dem Papa geht’s echt voll schlecht …!«

      Das war der Hammer. Meine Tochter sorgte sich nicht etwa um die Frau, die sie neun Monate unter dem Herzen getragen, auf die Welt gebracht, am eigenen Busen genährt, von Vollschisswindeln befreit, frisch gepampert, geschaukelt, gepäppelt, getröstet und tausende von Malen zur Schule und zum Rugby-training gefahren hatte, sondern um den Spermaspender!

      »Rosa. Wenn dein Vater ein erwachsener, fairer Mann wäre, dann besäße er die Reife, mir das selbst zu sagen, und würde nicht die eigene Tochter vorschicken. Als ob man mit mir nicht vernünftig reden könnte! Mensch, Mensch, Mensch!«

      »Mama!«

      »Aber nein, dein Vater flüchtet ja lieber vor mir! Wo versteckt er sich überhaupt?«, erkundigte ich mich, obwohl ich es gar nicht wissen wollte.

      »Ben sagt, Papa heult die ganze Zeit rum, dass er nicht kapiert, weshalb du ihm das angetan hast.«

      »Ben? Erzähl mir nicht, Albert hätte sich bei ihm verkrochen!« Ben bewohnt in seiner WG nur eine Art Besenkammer, weil er sich auf ein Auslandssemester in Frankreich vorbereitet.

      »Papa hat sich ein paar Tage freigenommen. Sie sind wandern gefahren. Ich wäre auch gern mit, aber ich brauch noch CPs in Statistik. Schau, Mama«, Rosa fixierte mich mit dem ganzen Ernst einer Siebenundzwanzigjährigen. »Ben und ich haben gar nichts dagegen, dass ihr euch trennt. Die patriarchale Zweierbeziehung ist sowieso am Ende, ob mit oder ohne Trauschein. Wir finden’s voll gut, dass du endlich auf die Beine kommst und nicht länger von Papa abhängig sein willst!«

      In ihrer Stimme lag ein gewisser Stolz. So muss ich geklungen haben, als sie das erste Mal ohne Stützräder gefahren war.

      »Aber?«, bohrte ich nach und überging, dass meine eigene Tochter in mir offenbar eine Art Junkie sah. Abhängig! Das war ja wohl der Gipfel. Als hätte sie nichts davon mitbekommen, wie ich mir all die Jahre meine intellektuelle Unabhängigkeit bewahrt hatte! Kreativ gewesen war! Mich zweimal pro Woche bei AnnaConda reingehängt hatte! Politisch engagiert war bei Femmes sans terre! Aber nein, für Rosa zählte nur, was Geld einbringt – einfach entsetzlich, dieser blanke Materialismus!

      »Ganz im Ernst: Was du da abziehst, ist oberpeinlich! Ich meine – Papa einen Scheidungsantrag machen? Hallooo?!« Sie zog die letzten zwei o in die Höhe und unterlegte sie mit einem Ausrufezeichen der Empörung.

      In meiner Tasche krähte es. Ich überflog die Nachricht: »Du kannst sie auch mieten.«

      Ich erklärte Rosa, dass ich noch ein paar wichtige Steuerfragen zu klären hätte, zahlte für uns beide und machte mich davon, bevor ich in aller Öffentlichkeit einem Schreianfall erlag.

      Dieser Mistkerl! Das sah ihm ähnlich! Also das ging gar nicht, allein schon juristisch! Die Wohnung gehörte uns beiden! Falls nicht, hatte ich einen Teilanspruch! Das hatte Albert sich ja fein überlegt: Die eigene Frau schröpfen, voll die Mietpreissteigerung ausschöpfen und dann noch den Wertzuwachs der Immobilie absahnen wollen! Es war einfach grotesk. Aber nicht mit mir! Ich würde dem feinen Herrn Professor Oberarsch einen fetten Skandal bescheren! Ich würde ihn wegen Gentrifizierung anzeigen und Fernsehteams vor unser Haus bestellen, damit sie filmen konnten, wie ich damit drohte, aus dem Fenster zu springen. Vorher wäre ich noch Femen beigetreten und hätte mir »Nieder mit dem kapitalistischen Aldi-Patriarchat!« auf dem blanken Busen geschrieben. Na gut, ich würde es kürzer formulieren müssen, mein Busen ist klein. Möglicherweise flögen auch ein paar Kuckucke aus dem Fenster, um die Brisanz meiner Aussage zu unterstreichen.

      Als ich radelnd in unsere Straße einbog, hatte ich mich wieder so weit eingekriegt, dass ich zu des Pudels Kern vorstieß. Albert hatte sich eine Auszeit vom Krankenhaus genommen und fuhr wandern?!!! Das brachte mich darauf, dass auch ich wieder einmal Urlaub machen wollte.

       15. Den Abflug machen

      Sonntagnacht um zehn vor drei klingelte Suada Sturm. Wegen mir hätte sie nicht zu klingeln brauchen, ich war längst abfahrbereit und saß auf dem gepackten Koffer. Schließlich hatten wir abgemacht, dass sie mich um halb drei abholen kam. Ihr Geklingel riss leider nicht wenigstens mal Albert aus dem Schlaf. Selbst wenn er hier gewesen wäre. Er schlief mit Wachs in den Ohren. Schon deshalb brachte er eine erhöhte Toleranz gegen Kuckucksuhrenrufe auf. Jahrelang riet er auch mir zu Ohrstöpseln. Wo ich doch so schrecklich geräuschempfindlich sei …

      Wie bei den meisten Dingen waren Albert und ich auch bei Stöpseln verschiedener Meinung. Für mich sind sie Körperverletzung. Gezielte Behinderung eines zentralen Sinnesorgans. Sicherheitsgefährdung. Wie soll ich zugepfropft Brandmelder hören? Sirenenalarm? Hilferufe? Das Miauen der Katze? (Gut, wir haben keine, aber das nimmt dem Argument nichts.) Ohren verstöpseln rangiert gleichauf mit Knebelung.

      Ich schnappte Rollkoffer und Tasche und zerrte sie die Stufen hinab. Gleich flog ich in Urlaub! Die Freude, dass ich diesem Elend für eine Woche entkommen konnte, machte mich ganz flatterig. Sieben Tage, in denen ich in der Frühjahrssonne liegen und mich neu erfinden würde, um Albert für immer zu entrinnen!


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